Du existierst nicht

Das ist doch mal ein Titel! Da springt einem der pure Hass entgegen. Du bist nichts. Nicht einmal „ein Nichts“. Einfach nur nichts, nicht existent. Ein Thriller, ein Krimi, eine actiongeladene Story? Nein, es ist die Wahrheit. Slowenien, Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Der Balkanstaat Jugoslawien verfällt seit geraumer Zeit in seine Bestandteile seit dem Tito, der unumschränkte Herrscher der östlichen Adria das Zeitliche segnete. Das Machtvakuum, das er hinterließ, wird von allerlei Nationalisten mit Gier und Machtspielchen zu füllen versucht. Das Ende kommt mit Bombenhagel, Konzentrationslagern und ethnischen Säuberungen. Und das nach fast einem halben Jahrhundert nach der dunkelsten Zeit Europas. Eine Zeit, in der vieles aufgearbeitet und viel über Unrecht und Widerwärtigkeit berichtet wurde. So entstand 1991 auch der Staat Slowenien. Europa jubelte, die gesamte Bevölkerung (rund zwei Millionen) sah einer sicheren Zukunft entgegen. Die gesamte Bevölkerung? Nicht ganz. Ein reichliches Prozent von ihnen wusste noch nicht einmal etwas darüber, dass die vermeintliche Sicherheit – in „Rest-Jugoslawien“ krachten immer noch Bomben, zogen Nebelschwaden aus Häusergerippen, wurden Menschen wegen ihrer Herkunft gefoltert und ermordet – bald schon unverhofft ein kurzes Ende haben wird.

Hätte Zala das alles gewusst – Zala ist ein fiktive Figur, ihr Schicksal steht aber symbolisch für das vieler Frauen in dieser Zeit in diesem Land – sie hätte wohl anders entschieden. Sie ist schwanger. Das Kind wird bald kommen. Im Krankenhaus wird man ihr helfen, weiß sie, denkt sie, hofft sie. Doch sie existiert nicht. Sloweniens Regierung hat qua Gesetz alle nicht Slowenen – ohne direkte Ankündigung – aus den Melderegistern entfernt, gelöscht. Einfach gelöscht.

Zalas Eltern wurden von den Nazis aus Slowenien nach Serbien vertrieben. Nach dem Sieg von Titos Partisanen kehrten sie wieder nach Slowenien zurück, behielten aber ihre Identitäten. Wer nicht in Slowenien geboren wurde, ist kein Slowene. Hat somit keine Rechte, existiert schlicht und ergreifend nicht. Und hat somit keinen Anspruch auf medizinische Unterstützung. Da kann man bluten wie man will. Zala ist dem Zynismus der Empfangsdame im Krankenhaus ausgeliefert. Und es kommt noch schlimmer. Was passiert mit Illegalen? Sie werden abgeschoben. Und der Nachwuchs? Der ist doch per Geburtsort Slowene? Richtig! Der hat dann eben keine Mama und keinen Papa zu dem er gehen kann, wenn er etwas braucht. Ganz einfach! In den Augen der Bürokraten ist das so. Humanismus der einfachsten Art sieht anders aus.

Miha Mazzini greift in seinem Roman ein tiefschwarzes Kapitel Sloweniens auf. Denn hier wurden Menschen – bis vor einigen Jahren der Europäische Gerichtshof die Sachlage korrigierte – nur aufgrund ihres Geburtsortes als Illegale deklariert. Und die darf man abschieben. Sie ihrer Wurzeln berauben. Familien zerreißen. Die faschistischen Methoden wurden über ein Jahrzehnt knallhart durchgezogen. Ein einfacher Arztbesuch reichte, um das gesamte Leben umzustülpen. Eine Ausweiskontrolle – falscher Geburtsort – „Da ist die Tür!“ Den Ausweis verlängern – welchen Ausweis? Unvorstellbar. Aber wahr. Dieser Roman rüttelt auf und an den Gleichmachversuchen einer schwachen Regierung.