Doppelleben

Der Klappentext eines Buches soll Appetit auf das Buch. Man liest worum es geht, wer mit wem, und warum. Und man erfährt etwas über den Autor. Des Öfteren liest man dann auch welche Preise er gewonnen hat. Welchen rang diese Preise haben, bleibt oft verborgen. Natürlich sind es alle renommierte Preise. Den Prix Goncourt allerdings sollte man nicht sofort wieder aus dem Gedächtnis streichen. Wer den in Frankreich erhält, der darf sich tatsächlich was darauf einbilden. Hier nun die Geschichte, die hinter den Namensgebern steckt:

Es sind die Brüder Jules und Edmond Goncourt. Mitte des 19. Jahrhunderts residieren sie in einem durchaus vorzeigbaren Haus vor den Toren von Paris. Sie sind regelmäßig Gast im Salon der Cousine des Kaisers. Zola, Balzac und andere Größen zählen zu ihrem engen Bekanntenkreis. Die Literatur ist für beide mehr als nur ein Steckenpferd. Für Edmond, den Älteren der beiden, ist es die ewige Suche nach dem perfekten Wort. Jules ist nicht minder interessiert, jedoch ist er der weitaus Lebensfreudigere der beiden Brüder. Er treibt Sport und es mit so mancherlei Dirne. Edmond verabscheut Sport, jedoch nicht die Gesellschaft illustrer Damen. Fast könnte man meinen, sie wären Zwillinge. Doch sie trennen mehr als acht Jahre.

Bei einer seiner Amouren (nennen wir es einmal so, in Wahrheit war es doch eher ein Geschäft auf Dienstleistungsbasis) hat sich Jules ein dauerhaftes Souvenir eingehandelt. Nach und nach bemerkt er wie das Hantelstemmen ihm Mühe bereitet. Edmond bemerkt es auch, doch ihm ist ja Sport nicht so wichtig.

Das allabendliche Mahl dient beiden zum Austausch über ihr Leben, sie scherzen, lästern, machen Pläne. Und sie plaudern über ihr Dienstmädchen. Über sie werden sie einen Roman schreiben. Obwohl sie kaum etwas wissen über ihr geheimes Leben … was nebenbei gesagt, fast noch spannender ist als das ihre.

Als Jules immer schwächer wird, schreibt Edmond jedes noch so kleine Detail in ihr gemeinsames Tagebuch. So ist bis heute jedes noch so kleine Vorkommnis für die Nachwelt erhalten. Für Alain Claude Sulzer ist es die Fundgrube gewesne, die ihn antrieb einen Roman über die Bruder zu schreiben, deren Name den größten Literaturpreis Frankreich ziert. So ausschweifend das Leben des Bruderpaares war, so detailliert schildert er ihr gemeinsames Leben in der selbst geschaffenen Blase ihres Gemäuers. Die Blase platzt aber nicht. Dafür haben die beiden Junggesellen gesorgt. Als Chronisten ihrer Zeit sind sie unantastbar. Als Schriftsteller sind sie zu höherem berufen…