Die Liebe in groben Zügen

Die Liebe in groben Zügen

Vila und Renz sind ein Ehepaar, das sich schon seit Jahren kennt. Im Beruf ist die Zeit absehbar, die sie noch bestreiten müssen. Ihnen geht es gut, mit Haus und Ferienhaus in Italien. Eigentlich wenig Stoff für Konflikte. Konflikt ist vielleicht auch der falsche Ausdruck – klingt so nach Kampf, Geschrei, offener Auseinandersetzung.

Die beiden schippern so durchs Leben. Ohne große Anstrengung. Klingt irgendwie nach Langeweile, nach eingefahrenen Strukturen. Die Bahnen, in denen sich Vila und Renz bewegen sind vorhanden. Dafür haben sie lange und hart gearbeitet. Doch sie waren und sind clever genug, um sich Abzweigungen einzubauen. Wie auf ihrem Boot geht es auch mal nach unten, genauso oft aber auch nach oben. Selbstaufgabe war nie ihr Ding. Sie haben immer alles gemeinsam gemacht.

Dennoch kennen sie sich gegenseitig nicht in- und auswendig. Das ist gut so – so halten sie immer noch Überraschungen für den Anderen parat. Dass Vila ihren Geliebten im gemeinsamen Ferienhaus einquartiert, ist allerdings eine neue Stufe ihrer Beziehung.

Bodo Kirchhoff zeichnet den Weg eines Paares nach, der vielen Paaren vorgezeichnet sein kann. Kann! Wäre der Roman ein Film, für die ganze Familie, am Freitagabend, dann würden hier so richtig die Tassen fliegen. In „scripted-reality“-Manier würden Sprachfähigkeiten und die Regeln des guten Benehmens außer Kraft gesetzt werden. Bodo Kirchhoff setzt auf die Magie der Worte. Er lässt seine Protagonisten überlegen, manchmal im Dunkeln tappen, doch nie so richtig aus der Haut fahren. Geschliffene Sprache ist immer noch das beste Argument gegen scheinbare Ungerechtigkeit. Die Feder als Triebkraft für den Fortschritt.

Vila und Renz merken, dass sie in ihrer (heilen – so viel Polemik muss jetzt auch mal sein) Welt sich zwar sicher bewegten, doch dass diese Sicherheit trügen kann. Kann!

Bodo Kirchhoffs Roman „Die Liebe in groben Zügen“ stand 2012 auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis. Zurecht. Mal philosophisch, mal grüblerisch, mal farbenfroh, mal wolkenverhangen präsentiert sich sein Mammutwerk dem Leser. Ein Buch für Leute im besten Alter. Ein Buch für Leute, die sich im besten Wortsinne für sich und den Anderen interessieren ohne dabei endlos auf Fehlersuche zu sein. Fast siebenhundert Seiten emotionale Entdeckungsreise.