Die Deutschen und ihre Kolonien

Deutschland und seine Kolonien. Wenn man Großbritannien, Spanien und Frankreich betrachtet, spielte Deutschland keine große Rolle im Verteilungskampf der Mächte um die Welt. Nur jeder 40 Quadratkilometer  der kolonialisierten Welt hieß Fritz. Es gab zehnmal mehr Johns.

Schon im 17. Jahrhundert gab es Landstriche in Tobago in der Karibik und in Westafrika am Gambia-Fluss, die in deutschem Besitz waren. Aber sie als Kolonien zu bezeichnen ist irreführend. Da könnte man auch behaupten, dass so manche Autobahnraststätte Kolonie eines Fast-Food-Giganten wäre (auch wenn es sich vielleicht so anfühlt, ist dem nicht so).

Von 1884 an besaß Deutschland dreißig Jahre lang Kolonien. Wer bei Oma und Opa auf dem Dachboden stöbert, findet vielleicht manchmal noch Zigarettenbildchen, die mehr als klischeehaft das Leben in Deutsch-Südwest (Namibia), Deutsch-Ostafrika (Tansania), Kamerun, Togo, den Marshall-Inseln, Samoa, Tsingtau oder Neuguinea zeigen. Mit dem Ersten Weltkrieg war dann Schluss mit dem Weltenspielgehabe. Und so ertragreich und vor allem nachhaltig war „das Engagement“ dann auch wieder nicht. Kein Chinese aus dem Nordosten wird heute noch über deutsche Hinterlassenschaften erzählen können. Zumindest nicht so vielfältig wie ein Inder über den Five o’clock tea, der er selbst noch als Kind erlebte.

Fernab jeder aktueller Befindlichkeit sind die Autoren bestrebt einen umfassenden Überblick über das kurzzeitige deutsche Kolonialreich zu berichten. Sie schaffen es. Mit einfachen Worten und durch die schnörkellose Darstellung von Zusammenhängen, die erst durch dieses Buch zutage treten. Die Vorstellung, dass eine exzellent strukturierte Armee mit Pauken und Trompeten bzw. Kanonen und Gewehren die Bevölkerung niedermetzelte und anschließend das schwarz-weiß-rote Banner in den Boden rammte, dass Blut aus ihm quoll, ist veraltet und größtenteils falsch. Ja, es gab Verbrechen gegen die Menschenwürde. Unentschuldbar! Aber im Großen und Ganzen wurde das deutsche Kolonialreich am Verhandlungstisch geboren. Auf der so genannten Kongo-Konferenz. Ein reichliches Dutzend Länder, bzw. deren Vertreter saßen über Landkarten, mit Lineal und Zirkel wurden Einflussbereiche bestimmt, wieder verworfen, und neuangelegt. Es wurde gestritten, taktiert und sich gegenseitig gratuliert. Nur die, um die es ging, blieben außen vor, wurden nicht einmal eingeladen. Ein ganz perfides Spiel.

Über hundert Jahre ist es her, dass kleine bunte Bildchen, den Einheimischen die Fremde näherbrachten. Wenn auch mit einem verklärten, die Realität verleugnenden Blick. Reisen in diese Länder – Namibia erfreut sich seit Jahren ungebrochener Beliebtheit bei Fernreisen ins südliche Afrika, dem einzige Land, in dem wirkliche Spuren hinterlassen wurden, wie auch immer man das bewerten will – tut ein Blick in die Geschichte gut, vieler Orten tut er Not. Den Autoren ist es zu verdanken, dass Spurensuche nicht immer mit einem schlechten Gewissen enden muss. Sie haben sich einen Maulkorb auferlegt, was Wertungen betrifft, und konzentrieren sich nur auf das, was niedergeschrieben wurde und in Archiven zu recherchieren ist. Informativ und eine echte Bereicherung für jeden Bücherschrank der Geschichte.