Desperation road

Drogen und Prostitution – zwei Dinge, die sich bedingen, um das Dritte im Bunde – das Leben ertragen zu können. Diese hohle, und zudem absolut falsche Phrase, würde Maben nicht einmal mehr ein müdes Lächeln abgewinnen. Sie und ihre Tochter Annalee sind in Mississippi auf dem Weg in ein neues Leben. Die Habseligkeiten in einem Müllsack hecheln sie einer Stadt entgegen, in der ein Frauenhaus und ein Job nicht gerade auf sie warten, aber Linderung des Schicksals verspricht.

Russell Gaines ist auch auf dem Weg. Dem Weg nach Hause. Endlich. Wieder. Endlich wieder nach Hause. Elf Jahre konnte er diesen Weg nicht antreten. Die Gefängnismauern hielten ihn im Würgegriff. Zuhause warten sein Vater und eine Hausangestellte nicht auf ihn. Aber sie sind da. Genauso wie die Feinde von einst in Gestalt der beiden übersichtlich intellektuellen Brüderpaares Walt und Larry. Russell soll gleich spüren, dass er hier nicht willkommen ist.

Zwei Menschen auf dem Weg aus dem seelischen Nichts hinein ins Licht, das sie doch noch zu sehr blendet als dass sie seine Schönheit wahrnehmen können.

Mabens Martyrium begann vor Jahren als sie mit ansehen musste wie ihr Freund bei einem Autounfall ums Leben kam. Von da an ging alles bergab. Im Frauenhaus kann sie endlich durchatmen. Annalee wird liebevoll betreut während sie in einem Diner für Ordnung und Sauberkeit sorgt. Doch leider finden die Angestellten des Frauenhauses eine Pistole in Mabens Klamottensack. Die bekommt zufällig mit, dass die Polizei gerufen und wird gerät in Panik. Sie stiehlt die Waffe, hält sie einem Autofahrer an die Wange und flüchtet. Raus hier, irgendwo hin! Sie Pistole hat sie einem Polizisten abgenommen, der seiner Macht freien Lauf ließ und Maben vergewaltigte. Aus Notwehr erschoss sie ihn.

In derselben Nacht wird Russell angehalten. Zum Glück für ihn erkennt ihn der Deputy sofort. Denn Russell hat eine geladene Waffe bei sich, leere Bierfalsche im Fond, und sein Führerschein ist seit Jahren abgelaufen. Drei Dinge, die ein gerade aus dem Strafvollzug Entlassener nicht vorweisen sollte. Gnade vor Recht. Russell kommt noch einmal davon. Jetzt hält ihm eine aufgebrachte Frau einen Revolver an die Wange.

Michael Farris Smith lässt hier drei Lebenswege kreuzen bzw. aufeinander knallen, die erst am Ende des Buches klar werden. Maben ist eigentlich am Ende ihres Weges. Nur Annalee lässt sie den steinigen Pfad weiter beschreiten. Larry und Walt kennen nur Hass auf den Kerl, der ihrem Sohn und Neffen die Zukunft nahm. Und Russell will nur eines: Leben. Er hat gebüßt. Doch der Strudel der Ereignisse lässt ihn nicht los. Immer tiefer zieht es ihn in einen Abgrund, den er nicht kommen sehen konnte. Die in jeder Silbe aufbrechende Sympathie für Maben und Russell lässt den Leser als Gefangenen der Worte nicht mehr los. Die Wucht der Worte hinterlässt tiefe Striemen im Herzen des Lesers, der sich diese Wunden immer wieder genüsslich leckt.