Der Tallinn-Twist

Ein erfolgreicher Tag beginnt mit einem frühen Start. Im Fall von Marie Vos begann der erfolgreiche Tag – sinngemäß – schon vor Jahren. In Sonderermittlungsabteilungen der EU in Brüssel hat sie sich einen Namen gemacht und ein kleines Netzwerk geschaffen. Nun sitzt sie im Taxi im Stau, weil ein paar Demonstranten gegen die Privatisierung der Wasserwirtschaft demonstrieren. Im Handgepäck hat sie Haftbefehle gegen Betrüger, die mit EU-Mitteln das dolce vita in vollen Zügen genossen haben. Und schon klingelt ihr Telefon – der erfolgreiche Tag ist noch nicht zu Ende.

Söderberg – in Brüssel kennt man sich – will sie in einer brisanten Sache dabei haben. In ein paar Stunden wird Dennis Bahr verhaftet werden. Ein Hans-Dampf-In-Allen-Gassen, der die Seiten gewechselt hat. Doch welcher Seite nun seine Loyalität gilt, ist unklar. Auch er hat seine Finger bei der Neuordnung der Wasserwirtschaft im Spiel. Marie soll ihn verhören und ihm suggerieren, dass sie seine einzige Chance sei halbwegs ungeschoren aus dem Schlamassel rauszukommen. Bahr trägt einen Peilsender, was er natürlich nicht weiß. Marie und Söderberg verfolgen angestrengt den weißen und die roten Punkte auf dem Monitor. Gleich wird Bahr verhaftet … er telefoniert und … ist komplett aus der computergestützten Überwachung verschwunden! Ein erfolgreicher Tag sieht anders aus.

Auch für Dennis Bahr. Als er wortwörtlich wieder auftaucht, sind seine Lebensgeister erloschen. Und noch ein Wort zur Neuordnung der Wasserwirtschaft. Die Wasser-Konzerne lassen sich von der EU ihre neuen Projekte finanzieren, die Folgekosten tragen dann die Kommunen und der Verbraucher. Um diese Schieflage halbwegs kontrollieren zu können, wurde die Taskforce Neuordnung der Wasserwirtschaft gegründet.

Als ehemalige Geheimdienstmitarbeiterin, was in Maries Fall nicht anderes bedeutet, als dass sie die Grundausbildung inkl. einiger Kampfsportarten absolviert hat, hat sie einige Einblicke in die Arbeit im Verborgenen erhalten. Eine Fähigkeit, die ihr in der Folge so manches Licht aufgehen lässt.

Sie ist froh als sie ein Ticket nach Tallinn in den Händen hält und ein bisschen Abstand vom trockenen Alltagsjob in Brüssel bekommt. Frontarbeit. Denn hier könnten die Hintermänner sitzen, die Dennis Bahr auf dem Gewissen haben, die mit der Neuordnung der Wasserwirtschaft sich selbst – und nur sich selbst – ein sanftes Ruhekissen aufschütteln könnten. In Tallinn, Estland hat sich eine Gruppierung formiert, die die nationale Keule schwingt, um sich Macht zu sichern. Da spielen monetäre Überlegungen schon fast keine Rolle mehr. Marie lernt Europa, die EU, das ganze System von einer Seite kennen, die man sonst nur aus Romanen kennt. Daheim, in Brüssel, gehen die Untersuchungen auch in Marie Abwesenheit weiter. Söderberg sichert ihr uneingeschränkte Hilfe zu. Doch echte Ergebnisse liefert ihr nicht ihr Arbeitgeber. Private Hilfe ist oftmals viel effizienter…

Korruption, Betrug, und das alles im ganz großen Stil. Und ein Mord: Thomas Hoeps und Jac. Toes – die kongenialen Einzeltäter, die im Team unschlagbar sind – haben den Leser am Haken. Die Aktualität des Stoffes, die Brillanz ihrer Schlussfolgerungen, das unfassbar spannend gestaltete Set fesseln bis zur letzten Zeile.