Der Schamaya-Palast

In seinen eigenen vier Wänden ist man sicher. Unter dem eigenen Dach ist man sein eigener Herr. In einem Palast … ist man nicht allein. Ahmad lernt das sehr früh. Mit seiner Familie ist er im einstigen Prachtpalast, dem Schamaya-Palast in Damaskus untergebracht. Ja, untergebracht. Seine Familie ist auf der Flucht. Weil sie Palästinenser sind und nirgendwo eine Heimat haben. Und nun sind sie ein Teil der großen „Familie“, die in diesem herrschaftlichen Gebäude im jüdischen Viertel von Damaskus Unterschlupf gefunden hat. So wie auch George, christlicher Palästinenser. Der Zusatz ist in dieser Situation immer noch zu erwähnen…

Gemeinsam machen sie allen Umständen zum Trotz das, was man in ihrem Alter macht: Das Haus, die Straße, die Stadt, sich austesten, einen tiefen Atemzug vom Leben nehmen und noch einen und noch einen. Bis Ahmad eins Tages verschwindet. Und das Labyrinth, das beiden bisher als sicherer Hort ihrer Unbeschwertheit galt zu einem Wirrarr an Anschuldigungen, Verdächtigungen. Die Geräusche und Gerüche sind nun nicht mehr der Teppich auf dem sie barfuß laufen, sondern ein steiniger Pfad ins Erwachsensein, das noch weit entfernt sein sollte.

Der syrische Schriftsteller und Journalist Ali Al-Kurdi malt anfangs ein Mandarla aus allen Farben des Regenbogens. Zwei Jungen, die froh sind in der verzweifelten Lage ihrer Eltern einen kleinen Ausbruch zu wagen in der Gewissheit am Ende des Tages wieder in den liebevollen Schoß der Familie zurückkehren zu können. Im Laufe der Zeit dreht sich die Welt um sie herum aber in eine andere Richtung. Nicht unbedingt langsamer, dennoch sind die Vorzeichen für die, die sensibilisiert sind, unübersehbar. Die Mahner sollen Recht behalten. Die, die aus verschiedenen gründen wegsehen, werden tiefer in ein Schwarz getaucht als sie es sich vorstellen konnten.

Die Unschuld der lebensfrohen Tage weicht einem quälenden Schmerz, der nicht einzuordnen ist. Hüften und sprangen an einem Tag noch zwei Kinder durch die Gassen, wabert nun einer von ihnen durch den dichten Qualm der Ungewissheit. Wo einmal Obststände waren, zerbricht die perfide Politik der Hausherren die Gemeinschaft entzwei.

Flüchtlingsgeschichten sind im Allgemeinen von Trauer und Hoffnung, von Zurückblicken und Leid sowie von Licht und Veränderung geprägt. Ali Al-Kurdi fügt diesen Geschichten mehr als nur eine Prise Blumigkeit hinzu ohne den bitteren Geschmack des Blutes zu überdecken. Immer wieder zieht er den Leser in ein Dickicht, um ihn geschützt zuschauen zu lassen wie verdorben Menschen sein können.