Der Mond und die Feuer

Wiederkehren an einen Ort, den man einst verlassen hat, weckt unterschiedliche Gefühle. Besonders, wenn dieser Ort nicht der eigen Ort ist. Den Erzähler zieht es nach zwanzig Jahren wieder zurück in sein Dorf im Piemont. Ob es wirklich „sein Dorf“ ist, kann er nicht einmal mit Bestimmtheit sagen. Denn er wurde kurz nach seiner Geburt in einem Winzerkorb auf den Stufen der Kirche abgelegt. Ein Bauernpaar aus der Umgebung nahm ihn auf. Sie bekamen einen Silber-Scudo vom Findelhaus dafür, ein Akt der Nächstenliebe war es also nicht. Sie sahen in ihm die potentielle Kraft, die eines Tages mit anpacken wird.

Das Piemont am Ende der Vierzigerjahre ist nicht mehr das Piemont, das er damals verließ, um in Amerika sein Glück zu suchen und zu versuchen. Doch auch am anderen Ende der Welt traf er … Piemonteser. Einer kannte sogar seinen besten Freund Nuto. Den sucht der Erzähler nun selbst. Und findet ihn. Er selbst kehrt nicht als Krösus in den Ort seiner Kindheit zurück. Er ist ein Mann, ein stattlicher Mann, aber reich wurde auch er nicht. Hat ein bisschen Geld in Genua, wo er seit geraumer Zeit wieder wohnt.

Das Dorf hatte schon immer seinen eigenen Geruch. Dieser hängt auch dem Rückkehrer noch an. Es ist tief ins Fleisch eingezogen. Den anderen Dorfbewohnern ist er noch schemenhaft bekannt. Es beginnt für alle, mit denen er spricht, eine Zeitreise. Eine Reise, die vor langer Zeit begann und für viele niemals enden wird. Denn der Krieg hat das Dorf gespalten. Die Idylle der Berge, der Geruch des Bodens, die Früchte, die er hervorbrachte, waren auch Früchte des Zorns.

Nach und nach öffnet sich der ausgedorrte Boden und dürstet nach dem lebensspendenden Nass. Zuerst in Erzählungen. Nuto und der Aal, der namenlose Erzähler, holen in Gesprächen einen Teil ihres gemeinsamen Lebens nach. Was er nicht alles verpasst hat als er in Amerika sein Glück suchte und vielleicht auch fand?! Je tiefer das Nass in den Boden dringt, desto mehr kann der Erzähler selbst Wurzeln schlagen. Wurzeln, die er nie hatte. Er war immer der Beobachter, niemals Teil der Entwicklung. Doch was soll er nun mit den Wurzeln tun? Am Ort verweilen? Oder sich selbst aus dem Boden der Vergangenheit reißen, um einmal mehr andernorts … ja, was? Wurzeln schlagen?

Cesare Paveses letztes Werk – kurz nach Erscheinen nahm er sich mit einer Überdosis Schlafmittel das Leben – sprüht über vor Lebenslust, Erinnerungen, aber vor allem vor Zweifel. Was hätte sein können? Wäre der Erzähler geblieben, hätte er dann Wurzeln schlagen können? Und wenn ja, hätte er das überhaupt gewollt? Die Eindrücke, die der Rückkehrer in sich aufnimmt, entfalten bis heute eine ungeheure Lust an den Handlungsorten des Buches die Gerüche aufzunehmen und am Leben in der Dorfgemeinschaft teilzunehmen. Auch wenn man nur Beobachter sein kann. So wie Pavese und der Erzähler.