Den Teufel im Leib

Mit nicht einmal zwanzig Jahren einen Skandalroman zu veröffentlichen, sich in Künstlerkreisen „herumzutreiben“ und eine gewichtige Zeitschrift zu gründen … macht sich immer gut im Lebenslauf. Auch wenn es, wie im Fall von Raymond Radiguet nur zwei Jahrzehnte dauert.

Gleich sein erster Roman – dieser hier – „Den Teufel im Leib“ schlug ein wie eine Bombe. Ein moralischer, moralisierter, moralisierender Aufschrei. Wie kann er nur?! Ein Fünfzehnjähriger verliebt sich in eine ein paar Jahre ältere Frau. An sich nicht weiter verwerflich. Doch der junge Bengel hält mit seinen Gefühlen nicht hinterm Berg.

François hat sich vom ersten Moment an in Marthe verliebt. Und Erfahrungen als Don Juan – wie ihn sein Lehrer einst mahnend nannte – hatte er schon früher. Und irgendwann ist auch Marthe dem Werben unterlegen. Und das obwohl ihr Verlobter im Feld für die Ehre Frankreichs kämpft. Es ist die Zeit der Grabenkämpfe und der ersten perfiden Versuche mit Giftgas das gegnerische Soldatenvolk zu schädigen. Und schon bald schleicht sich François aus dem elterlichen Haus, um nicht nur eine Nacht bei seiner Marthe zu verbringen. Die Notlüge mit der Wanderung zusammen mit seinem Freund platzt alsbald. Die Mutter ist entrüstet, der Vater schmunzelt nicht mit einem gewissen Stolz auf den Lippen.

François und Marthe sind kein Paar. Sie sind zwar zusammen, doch in der ländlichen Idylle sind derartige Liaisons schändlich. Wenn nicht sogar teuflisch! Aber vor allem nicht ohne Folgen…

Das Buch ist tatsächlich schon einhundert Jahre alt. Und erscheint nun in deutscher Sprache, in der Übersetzung von Hinrich Schmidt-Henkel. Den kennen einige sicher als sprachbegabten Wortwisser der Sendung Karambolage auf arte. Mit Verve verleiht er dem Jubilar einen modernen Anstrich. In übermoralisierten Zeiten, in denen jedes Wort auf die Goldwaage gelegt zu werden scheint, kommen so manchem Moralapostel und leichtgläubigem Mitläufer einige Zeilen tatsächlich immer noch skandalös vor. Auch der Fortschritt hat eine Vergangenheit, auf die er gern zurückschaut…

Jean Cocteau zählte Raymond Radiguet zu seinen Freunden. Auszüge aus einigen Briefen und vor allem die typischen Cocteauzeichnungen vervollständigen zusammen mit Gedichten von Radiguet die Komplexität dieses Buches. Rasch liest man das Buch. Mit offenem Mund frisst man sich durch den Anhang. Mit weit aufgerissenen Augen staunt man über das kurze, ereignisreiche Leben des Autors. Und dann fängt man von vorn an. Immer wieder und wieder und wieder…