Das Lächeln der Imperia

Wenn man heute im beschaulichen Konstanz entlang der Seepromenade flaniert, kommt einen der Ausspruch von Jan Hus Konstanz sei ein einziger Sündenpfuhl wie ein Hohn vor. Jetzt versetzen wir uns reichlich sechshundert Jahre in der Zeit zurück.

In Venedig wird eine gewisse Gabriella Cognati vors Inquisitionsgericht zitiert. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts war das keine Sache von Gerechtigkeit, sondern der sichere Tod. Zumindest hätte die junge Dirne mit einer Strafe rechnen müssen, die ihr Leben entscheidend beeinflusst hätte. Und das nicht zum Gutem!

Zur gleichen Zeit tagte im fernen Konstanz das Konzil. Ein neuer Papst sollte gewählt werden. Und zwar nur einer, der dann auch als der eine Papst seine Schäfchen hüten sollte. In diesem Jahr regierten drei Päpste: Gregor XII. in Rom, Benedikt XIII. in Avignon und Johannes XXIII. Von Pisa aus. Letzter war der einzige Papst, der auch in Konstanz weilte. Die überschaubare Stadt am Bodensee platzte aus allen Nähten während des fast vierjährigen Konzils. In diesem Zeitraum besuchten fast zwölf Mal so viel Menschen die Stadt wie sei Einwohner hatte. Für gewiefte Geschäftemacher ein mehr als fruchtbarer Boden.

Mit List und Rafinesse trieb es auch Gabriella Cognati nach Konstanz. Die Angst vor der drohenden Verurteilung – sie ging frevelhafterweise an einem Sonntag ihrer Arbeit nach, weil der Magen knurrte – ließ ihr keine Wahl. Gabriella, die bald schon als Imperia in die Geschichte eingehen sollte – übrigens eine historisch verbürgte Person – errang schon bald einen gewissen Ruf. Unfassbar schön, betörend und … mächtig. Balzac gab ihr in seinen „tolldreisten Geschichten“ die Fähigkeit mit einem Augenaufschlag ganze Existenzen zu ruinieren.

König Sigismund von Luxemburg hatte das Konzil in Konstanz zusammengebracht. Und das Schicksal hatte ihn mit Imperia zusammengebracht. Sogar mit seiner Gattin, Königin Barbara von Cilli, traf Imperia zusammen. Die Einigung der katholischen Kirche fand nicht statt. Wohl aber die Vereinigung von Sigismund und Imperia. Doch der royale Kunde war nicht der Einzige, der seine Zeche bei der belesenen, intelligenten und kalkulierenden Hübschlerin entrichtete. Auch Oddo di Colonna verfiel ihrem Charme und Liebeskünsten.

Als Kardinal leitete er die Ermittlungen gegen Jan Hus. Gabriella entkam der Inquisition, Jan Hus nicht. Er brannte am 6. Juli 1415 lichterloh auf dem Scheiterhaufen in Konstanz. Als Imperia focht sie das nicht an, als Gabriella musste ihr Hus’ Schicksal nahe gehen. Als das Konzil vorbei ist, zieht Imperia weiter. Auch dieses Mal ist sie nicht allein. Waren es auf dem Weg nach Konstanz zwei Kolleginnen, so ist es dieses Mal das Kind unter ihrem Herzen. Doch wer ist der Vater? Der König aus dem fernen Luxemburg oder doch der brave heilige Mann, der nun als Martin V. die Geschicke der Christenheit zu lenken gedenkt?

Antje Windgassen fügt der Legende Imperia die spannende Geschichte ihres Lebens hinzu. Nicht jede Begebenheit ist urkundlich verbürgt. Klar, wenn Kirche und Adel ihre Finger im Spiel haben. Aber die konsequente Erzählweise lässt einfach keinen anderen Schluss zu als den Worten der Autoren Folge zu leisten. Lesenswert ist dieser historische Roman allemal. Vor allem und auch, weil ein Ereignis in den Fokus gerückt wird, dass im Laufe der Jahrhunderte von Experten in ein allzu sehr sachbezogenes Exil gezogen wurde: Das Konzil von Konstanz. Heute unvorstellbar – drei Päpste. Allesamt in beeindruckenden Städten zuhause. Historische Persönlichkeiten, die heute bei Instagram mehr Follower hätten als Cristiano Ronaldo. Und dazu eine Dame, deren Beruf (ebenso bis heute) eher mit verzerrten Mund in selbigen genommen wird.