Das Fest

Das Pendizack an Cornwalls Küste ist ein Prachtstück von einem Hotel. Die Gästeliste ist es auch – nur Prachtstücke. So wie Mrs. Gifford. Sie kündigt postalisch ihre Ankunft nebst Gatten per Automobil an. Die Kinder reisen im Zug. Sofern sich die Anreise der Giffords verzögern sollte, bittet sie darum die Kinder schon mal zu Bett zu schicken. Und gibt sogleich noch eine Liste mit auf den Weg mit Dingen, die sie essen darf (sehr erlesen) und Dingen, die ihr auf den Magen schlagen (eher das „gewöhnliche Essen“). Ansonsten schmeichelt sie den Besitzern noch ein wenig und hofft sich im Hotel von einer Krankheit schnellstmöglich zu erholen. Wenn die wüsste … meint man, wenn man den Klappentext gelesen hat. Denn der August 1947 hält für die anwesenden Bewohner des Pendizack eine krachende Überraschung parat. Ein paar Monate zuvor wurde eine Mine angeschwemmt. Sie explodierte, richtete aber weniger Schaden als es im ersten Moment aussah. Im zweiten Moment sind die Beschädigungen so gravierend, dass die Klippe, aus dem das Hotel steht, abbricht und das Hotel mit sich reißt. Samt aller Anwesenden, die sich zum Zeitpunkt des Unglücks im Gebäude aufhielten. Angestellte und Gäste gleichermaßen. Da macht das Schicksal keinen Unterschied!

Und dennoch gibt es Gäste, die „nur“ den Verlust ihres Gepäcks zu beklagen haben. Denn sie waren zu eben dieser Zeit bei einem Fest. Während man sich berauschte, rauschte in geringer Entfernung das Hotel in die Tiefe und begrub alles Lebendige unter seinen Trümmern.

Kann das Zufall sein? Wenn ja, warum haben dann so viele skurrile Persönlichkeiten im Hotel eingecheckt, das bis vor Kurzem noch zu viele freie Zimmer hatte? Anne Lechene, eine Schriftstellerin, die sich ihres Rufes durchaus bewusst ist, samt Chauffeur. Mr. Waxton, ein Geistlicher, der eher der dunklen Seite der kirchlichen Macht angehört – so scheint es – samt Tochter Evangeline. Die Pendizacks nicht zu vergessen. Das alte Herrenhaus haben sie vor nicht allzu langer Zeit zum Hotel umgebaut. So wollten sie das Studium ihrer Zöglinge finanzieren.

Hotels – besonders die mit einer besonderen Klientel – haben einen besonderen Charme. Hier herrschen andere Regeln als im Bed & Breakfast. Man will unter sich sein. Mrs. Gifford bevorzugt beispielsweise das Essen im eigenen Gemach einzunehmen, um die anderen Gäste nicht mit ihrem besonderen Geschmack zu belästigen.

Das Haus an den Klippen ist speziell, so wie seine Gäste. Und nun ist es noch spezieller, weil es zertrümmert die Klippen von Cornwall verschandelt. Und zahlreiche Gäste unter sich begrub. Und vielleicht sogar so manches Geheimnis…

Margaret Kennedy schlägt klangvoll die ganz große Pauke der Andeutungen und Verdächtigungen. Sie sind weithin hörbar, nur die Melodie ist schwer zu greifen. Welches Lied singt diese Tragödie in den Meereswinden? Diese Buch ist nicht mehr und nicht weniger als das, was es vorgibt zu sein: Ein Fest!