Bevor sie Euch töten

Wären Paolo, Antonio, Lorenzo und Michele Urlauber auf Sizilien, sie hätten das Paradies für sich entdeckt. Doch die Situation stellt sich ganz anders dar. Sie verstecken sich in den Bergen, denn ihr Leben ist nichts mehr wert. Mitte der Vierzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts fliegen die alliierten Bomber einen Angriff nach dem anderen. Ganze Landstriche werden verwüstet.

Die einstigen Herren erhalten ihre Macht durch grundbesitzt, den sie schonungslos verteidigen. Harte Arbeit und schlechte Bezahlung lassen die Menschen aufbegehren. Ihre Anliegen werden niedergeknüppelt. Und auch sonst herrscht das Gesetz der Stärkeren. Die Vier haben alle ihre Gründe vor der Realität zu fliehen. Hier in den Bergen sind sie sicher. Ab und zu werden sie mit Proviant verpflegt. Ihr Ziel: Venezuela. Ein sorgenfreies Leben. Mit Frauen. Davon träumen sie, wenn sie den Tag passieren lassen. Insgeheim wissen sie, dass hier ihr Leben enden wird. Doch die Hoffnung, dass dem nicht so ist, lässt sie weiter in ihrer Phantasie schwelgen.

Zwischen perfiden Arten des Mordens und eindrucksvollen Landschaftsbeschreibungen verführt Giuseppe Fava den Leser in ein Sizilien, das so gar nichts mit der verklärten Prospektwelt der Reiseveranstalter zu tun hat. Entlaufene Töchter, entehrte Familien, unmenschliche Arbeitsbedingungen in sengender Hitze, skrupellose Landbesitzer sind real und werden ungeschönt beschrieben. Fava geht soweit, seinem Quartett eine letzte Chance zu geben: Vier Pässe gegen einen „einfachen Mord“. Werden die Vier das Angebot annehmen? Sind damit endgültig alle Schrecken vergessen, und wird ihnen nun das Paradies offenstehen?

Wohl kaum. Paolo, Antonio, Lorenzo und Michele stehen sinnbildlich für die Verzweiflung Siziliens. Jung und Alt, begehrend, verzweifelt, hoffnungsvoll, hungrig – nur mit dem Ziel ihre geliebte Heimat alsbald verlassen zu können. So stark die Verwurzelung auch sein mag, so stark ist der Wunsch diese Wurzeln anderswo gedeihen zu lassen. Ihr Versteckspiel – wie werden immer noch aus verschiedenen Gründen als Banditen gesucht – ist eine Art Abschiedswanderung. Doch der Abschied will einfach nicht nahen…

Giuseppe Fava engagierte sich sein Leben lang im Kampf gegen Korruption, namentlich Mafia, und er hatte keinen Berg, auf dem er sich verstecken konnte und den Spieß umdrehen konnte. Seien Helden sehen keinen anderen Ausweg als selbst zu dem zu werden, das sie bekämpfen. Fava wurde von der Mafia ermordet, vor seinem Theater in Catania, in dem sein Anti-Mafia-Stück aufgeführt wurde. Trotz aller Versuche der Mafia einen Prozess zu verhindern, sitzen die Schuldigen heute hinter Gittern.