Betreff: Einladung zu einer Kreuzfahrt

Überraschung! Es geht in die Karibik. Auf ‘nem Schiff. Und Sie müssen nix dazubezahlen! Der Freude weicht augenblicklich die Skepsis. Da ist doch was faul! Wenn einem so was passiert, ist man verdutzt, erstaunt und überlegt wie man den Fehler (denn nur um so etwas kann es sich handeln) in einen Vorteil für sich ummünzen kann.

Situation Zwei: Ein Kreuzfahrtveranstalter sucht dringend noch einen kulturellen Höhepunkt seiner Rundreise durch die karibische Inselwelt. Vermutlich sind ein Bauchredner und eine Schlagershow schon längst eingetütet. Besonders dialektbehaftete Schlagersänger nehmen so was ja gern mit, um ihre Weltläufigkeit hinterher „kundzutuan“.

Situation Drei: Man selbst ist ein renommierter Schriftsteller, preisbehangen und von der Kritik geliebt. Da flattert per Mail – Briefe sind ja so was von out – zur Mittagszeit eine Einladung zur Kreuzfahrt in den Posteingang. Kurz und knapp, klingt verlockend. Doch mehr als ein Dutzend Seiten Anhang liest man erst einmal nicht. Man freut sich, ist vielleicht ein wenig genbauchpinselt. Doch dann beginnt das Räderwerk, mit dem man so viele Erfolge schon feiern durfte, sich in Bewegung zu setzen. Warum ich? Bin ich nur der Pausenclown, der der ersten, zweiten, dritten … Wahl folgen soll, weil die keine Zeit oder Lust hatten? Warum hatten die denn keine Zeit oder Lust? Zu viele schlechte Erfahrungen?

Da man gut erzogen ist (eine umgehende Antwort freundlich eingefordert wurde, man hätte ja auch einen vom Stapel oder die Einladende auflaufen lassen) antwortet man natürlich. Natürlich auf seine eigene Art und Weise. Sie ist unverwechselbar, und da mit der eigenen Person auch diese Art und Weise angefragt wurde, eingekauft werden sollte, will man den Absender nicht enttäuschen.

Bodo Kirchhoff – Achtung, jetzt kommt noch eine Überraschung, für einige sicherlich sogar eine Enttäuschung – gibt sich nicht dem allgemeinen Trend hin und gibt die viertausendneunhundertneunundneunzig zahlenden Gäste (fünftausend passen aufs Schiff und er zahlt ja nicht) der Lächerlichkeit preis. Vielmehr beginnt das Buch mit dem Empfang der Mail und endet mit dem Ende der Antwort darauf. Es ist immer noch März, es sind immer noch neun Monate Zeit bis zum Abflug, nicht mehr und nicht weniger. Wer genug hat vom „Kuck mal die da drüben schaufelt sich schon wieder den Teller voll als ob wir gleich sinken werden“, wird mit „Betreff: Einladung zu einer Kreuzfahrt“ auf keiner der einhundertdreißig Seiten enttäuscht werden. Ellenlange Sätze voller Poesie, hintergründiger Ironie und geschliffener Sprache bilden das wortgewaltige Gegenstück zum durchgestylten und straff durchorganisierten Schifffahrtsvergnügen auf Zeit. Leider viel zu kurz, dafür aber verbunden mit der Hoffnung auf einen Nachfolger. Bitte!