Berliner Razzien

Das Trampeln schwerer Stiefel, Blaulicht, Sirenen – da kann man nur hoffen, dass man auf der richtigen Seite der Tür (des Gesetzes) steht. Und wenn man was ausgefressen hat, nimmt man besser beide Beine in die Hand und rennt, was die tabakverseuchte Lunge noch herzugeben vermag. Am besten ist es natürlich, wenn der Tross der Verdächtigen und ihrer Jäger an einem vorbeizieht und man unbescholtener Beobachter ist.

So wie Leo Heller. Er brachte schon vor fast einhundert Jahren Licht ins Dunkel der Unterwelt, bei den Namen – Heller – mehr als verständlich. Als Autor und Reporter war er bei mehr Razzien in Berlin zugegen als die schwärzesten Gestalten der Nacht und als mehr Polizisten in der Hauptstadt.

Sogar mit dem großen Ernst Gennat war er auf der Jagd bzw. Suche. Und zwar nach der Leiche von Rosa Luxemburg. Doch weder er noch der damals noch nicht so bekannte spätere Erneuerer der Ermittlungsmethoden wurden fündig. Doch allein schon die Reportage zu lesen, genügt, um sich die bedrückende Stimmung und die Hilflosigkeit der Beamten vorstellen zu können.

Manchmal kam es sogar vor, dass sich kriminelle Vereinigungen, die so genannten Ringvereine, der Dienste des angesagten Schreiber bedienten. Sie luden ihn einfach ein, um ihm ihre Sicht der Dinge zu erzählen. Meistens jedoch war er mit Kommissaren unterwegs, was schon mal dazu führte, dass bei einer Razzia er selbst neben den vermeintlichen Verbechern Aufstellung nehmen musste.

Es ist erstaunlich wie modern sich diese Reportagen heute noch lesen lassen. Die lebendige Sprache hat nichts an Originalität und Einfühlungsvermögen verloren. Auch wenn es bei den Razzien nicht immer wild und pulverlastig zur Sache ging. Denn eine Razzia war zwar gut vorbereitet, musste jedoch im Vorfeld geheim gehalten werden. Der Überrumpelungseffekt war oft das Wichtigste an der Unternehmung. Mit Sprachwitz, beispielsweise, wenn ein Ganove einen anderen per Drahtverbindung (Telefonat) vor der Razzia der Polente warnte, und hinter ihm bereits die Staatsmacht stand, zogen Hellers Reportagen die zahlreichen Leser in eine Welt, die sie jeden Tag wahrnahmen, aber um nichts in der Welt ihr eigen nennen wollten.

Berlin und die Unterwelt der Goldenen Zwanziger – so traurig es ist – das gehört nun mal zusammen. Keine rauschende Nacht ohne Rausch. Und wo Rausch, da auch leichte Mädchen. Unter ihnen durchaus auch manchmal Damen der besseren Gesellschaft, die sich ihre Zeit mit ruchlosen Genossen vertrieben. Und wo Ruch und Rausch sich die Klinke in die Hand gaben, war Leo Heller nicht weit. Er kannte alle, die im Dunkel der Großstadt eine Mark extra machten, jede Mulle, jeden Gauner, jede Spelunke – und er schrieb über sie. Zum Jubiläum der Goldenen Zwanziger mehr als ein ehrenvoller Beitrag.