Benzin

Rationalität in der Kunst? Das gibt es nur bei Malen-Nach-Zahlen. Heribert scheint da wohl die Ausnahme zu sein. Oder auch wieder nicht! Eines Tages, es ist der 1. Januar, das neue Jahr lächelt noch jungfräulich durch die Gardinen, ist es aus mit dem Leben als Künstler. Das, was ihn täglich ins Atelier trieb, ist mit einem Mal verschwunden. Sinnkrise? Schaffenskrise? Darüber denkt Heribert gar nicht erst nach. Ihm ist aller dermaßen egal, dass es ihm unnötig erscheint auch nur einen Gedanken darüber zu verschwenden. Helena, seine Galeristin und vor allem seine Frau ist ihm gleichgültig. Dass er sie mit Hildegarda schon länger betrügt, ist ihm einerlei. Denn auch sie ist ihm herzlich egal. Herudina – die Liebe zum Buchstaben H ist mehr als auffällig – ist auch nur ein weiterer Zeitvertreib, der ihm aber auch nicht weiteren Antrieb verleihen kann. Stattdessen gibt er sich Zahlenspielereien hin. Er rechnet willkürlich Sekunden, Menschen, Ereignisse zusammen ohne dabei wirklich ein Ziel vor Augen oder gar im Sinn zu haben. Heribert ist ausgebrannt!

Und ist das schlimm? Nö! Heribert lebt in den Tag hinein. Niemals dasselbe Restaurant. Shopping bis die Kreditkarte aufgeweicht ist. So sieht sein Leben jetzt aus. Bis etwas passiert, das niemand vorhersehen kann.

Auch Helena ist die Gleichgültigkeit ihres Gatten aufgefallen. Auch sie hegt eine Schwäche für den Buchstaben H. Humbert ist ihr neues Objekt der Begierde. Ihn kann sie als Künstler aufbauen, protegieren und sich selbst profilieren. Die beste Möglichkeit dafür bietet sich schneller als sie gewagt hat zu hoffen. Denn Heribert stößt etwas zu. Der Zeitpunkt ist allerdings denkbar ungünstig. Ihr Plan: Das eine H gegen das andere H auszutauschen. Und so wird aus Humbert Heribert.

Eine köstliche Sichtweise auf den Kunstbetrieb, die Quim Monzò dem Leser mit auf den Weg in die Phantasiewelt gibt. Man schaut auf dieses reiche Leben und befürchtet, dass es bald zerbrechen könnte. Heribert tut aber auch gar nichts gegen diesen Trend. Von außen nach drinnen zu schauen ist immer schwerer als umgekehrt. Zu viele Fallstricke, die einem die Sicht vernebeln. Und genau das darf man bei diesem Roman nicht tun. Denken während des Lesens. Einfach sich treiben lassen. Die Zeilen aufsaugen, die Silben Auf und Ab hüpfen lassen. Nachdem man das Buch zum ersten Mal geschlossen hat (und man wird es mehrmals schließen, weil man es mehrmals öffnet), ergießt sich eine Welt über den Leser, in der man einfach nicht untergehen kann.