Aus der Balance

Dara und Marie Durant sind Ballettlehrerinnen. So wie ihre Mutter es einst war. Sie unterrichten noch immer in dem Studio, in dem ihre Mutter Generationen von kleinen Mädchen (mittlerweile kommen auch immer mehr Jungen) zum Träumen anregte, die bis aufs Blut forderte und ganz sicher einen Scherbenhaufen an zerplatzten Bühnenträumen zusammenkehrte. Der Dritte im Bunde, wenn von „WIR“ die Rede ist, ist Charlie. Tanzschüler der Mutter, erkrankt, operiert, zerstörte Träume, Dara, Heirat, kümmert sich ums Geschäftliche. Das leben der Drei plätschert in geplanten Bahnen vor sich hin. Nichts Aufregendes. Die kleinen Sticheleien zwischen den Schwestern, das Herumwuseln der kleinen Ballettschüler vor der großen Aufführung (Nussknacker, was sonst?!) sind nur kleine, fast schon eingeplante Abwechslungen.

Doch eines Tages wird es heiß. Sehr heiß. Das Ballettstudio steht in Flammen. Ist nun alles zu Ende? Nein, natürlich nicht. Wenn Dara und Marie und Charlie etwas gelernt haben von der verstorbenen Madame Durant (der Mutter von Dara und Marie, inzwischen ist Dara Madame und Marie Mademoiselle Durant), dann ist es Schmerz zu ertragen. Und ihn zu bekämpfen.

Derek, der begehrteste … nein, nicht Junggeselle, sondern Bauunternehmer der Stadt, erhält den Zuschlag, das Studio wieder aufzubauen. Es soll größer und schöner werden als zuvor. So schlägt er es vor, so will es vor allem Marie. Dara ist erstaunt über den Aktionismus der Schwester. Charlie bemerkt es sofort: Derek und Marie – das könnte was werden. Doch was wird dann aus dem WIR?

Megan Abbott ist geduldig beim Ausarbeiten der Szenen. Ausdauernd, ohne dabei Langeweile zu verbreiten, baut sie die Beziehung der Schwestern zueinander auf. Charlie ist schon früh mit im Boot. Schon als Teenager gehörte er zur Familie. Nur logisch, dass er und eine der beiden Schwestern einmal ein Paar werden würden. Und die Andere würde im WIR aufgehen müssen.

So reibungslos hier im Tanzstudio – irgendwo in einer Kleinstadt in den USA – alles läuft, so langweilig die Szenerie wirken mag … hier brodelt es gewaltig. Ob es nicht bemerkt wird oder man es nicht bemerken will, lässt Autorin Megan Abbott offen. Als jedoch die Erde zu beben beginnt, ist sie zur Stelle und lässt die Bühne, die die Welt bedeutet unter den Füßen der Beteiligten derart laut zusammenkrachen, dass man vor Schreck sich zwischen den Zeilen verstecken will. Doch da ist kein Platz für Angsthasen und Drückeberger.

„Aus der Balance“ – ein Buch vielleicht für all diejenigen, die bei „Billy Elliott – I Will Dance“ vom Anfang bis fast zum Ende mehr Sympathien für den Vater hegten. Auf alle Fälle aber ein Buch für alle, die sich gern in die Untiefen des Ungewissen ziehen lassen.