Auf Probe

„Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß.“ – ein wahrer Poet, der Andi Brehme. Philipp Gaudi ist momentan der Einzige, der dem deutschen WM-Helden von 1990 Gehör schenkt und ihm heftig kopfnickend applaudiert. Zuerst verliert er seinen Job, dann die Mutter. Ein Neuanfang in den Vierzigern – nicht unmöglich. Aber das Wort Neuanfang nimmt er erst gar nicht in den Mund. Vielmehr will er sich in sein Hobby, seine Band, stürzen. Als Rockmusiker sein Geld verdienen – klingt gar nicht so übel. Doch die Bandkollegen spielen da nicht mit. Für sie ist es ein Hobby, eine musikalische Gelegenheitsgeschäft.

Philipp lässt es ruhig angehen. Ihn drängt nichts. Der Tod der Mutter ist zwar traurig, aber nicht das Ende der Welt. Diese gerät jedoch gehörig ins Wanken als Walter Berlau sich bei ihm meldet. Er müsse mit Philipp reden. Er wüsste was über seine Mutter. Er wird Philipp zum Zuhören bewegen können.

Begeisterung sieht anders aus! Philipp will nicht mit Bärlauch, wie er ihn nennt reden. Warum auch? Der Typ meldet sich bei Philipps Kollegin, die ihm ausrichten soll, dass Bärlauch mit Philipp Gaudi reden muss. Die Angelegenheit an sich ist Stoff für einen Song. Doch Philipp sieht darin keine Chance für eine mögliche Musikerkarriere – er ist einfach nur sauer.

Doch Walter Berlau ist hartnäckig und rückt endlich raus mit der Sprache: Es könnte … könnte … durch aus möglich sein, dass er und Philipp miteinander verwandt seien. Vater und Sohn, um genau zu sein. Dass sein Vater hier da mal am Wegesrand von den Kirschen in Nachbars Garten genascht hat, ist Philipp bekannt. Doch Maria, seine Mutter auch? Das haut ihn dann in gewisser Weise um. Und Bärlauch erzählt noch viel mehr…

Irgendwie scheint sich in Philipps Leben alles nur noch um seine Mutter zu drehen. Thelma eine Jazzpianistin, die erst neulich entdeckt hat, trägt diese Erkenntnis in die reale Welt. Denn das sanfte Klavierspiel seiner Mutter Maria war nur Show. In Wahrheit prügelte sie auf dem Flügel herum, und sein Vater nannte Maria dann immer Selma.

Jedem Ende wohnt ein Anfang inne. Ob es Philipp nun passt oder nicht, er ist im Kreislauf des Lebens angekommen. Noch fühlt es sich so an als ihn der Strudel in den Abgrund zu ziehen droht, doch die Gleichmäßigkeit der Drehungen haben auch etwas Beruhigendes. Volker Kaminski stellt Philipp Gaudi – für die Kreation dieses Nachnamens allein muss man dem Autor schon dankbar sein, denn auch Gaudis Leben verlief wenig geradlinig – auf die Probe. Was heißt auf eine Probe. Permanent probiert Philipp Neues, probt das Leben am laufenden Band und ist für den Leser der beste Proband vom Kuchen des Lebens zu probieren. Die leisen Zwischentöne in den Gesprächen zwischen Walter Berlau und Philipp Gaudi beim Whiskey sind die Melodien des Soundchecks für den großen Auftritt.