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Der Traum von einer schönen Stadt

Es muss nicht immer ein Traum bleiben, schön zu sein. Das beweist Leipzig. Und das wiederum beweisen Wolfgang Hocquel und Richard Hüttel, die mit ihrem Buch der Stadt Leipzig wirklich etwas Schönes geschenkt haben. Ein Buch über eine schöne Stadt und mit im Gepäck der Beweis, dass ihre Titelthese auch wirklich stimmt.

Etwas als schön zu bezeichnen, ist eine schwierige Angelegenheit, wenn man es auch noch beweisen muss. Das fällt einem in Florenz, Siena oder Rom leichter als im dazu unbekannteren Leipzig. Doch die heimliche Hauptstadt Sachsens muss sich architektonisch nicht hinter der Ewigen Stadt oder den Toskanajuwelen verstecken.

Ein derart kompaktes und zugleich flächenmäßig großes Ensemble des Historismus muss man lange suchen. Schlussendlich landet man doch wieder in der Pleißestadt. Ob nun die im alten Glanz wiedererstrahlenden Messepassagen, die reichlich (und doch nicht überladen) verzierten Fassaden der imposanten Bauten vor allem innerhalb des Stadtringes und die weitläufig angelegten Parkanlagen machen Leipzig nicht nur lebenswert, sondern zu einer schönen Stadt.

Bei ihren Streifzügen durch Leipzig entdecken die Autoren nicht nur so manches Detail, sondern forschen ausgiebig auch nach deren Herkunft. So wird so mancher alteingesessener Leipziger aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Seit etwas mehr als anderthalb Jahrhunderten ist die Stadt im steigen Wandel. Die Jahre der Stagnation, in denen die historische Substanz der Natur überlassen wurde – es gab in den Achtzigerjahren Häuser, die mehr Wurzelwerk als Fundament aufwiesen – sind vorbei und noch immer werkelt man an allen Ecken und Enden der Stadt, um die Pracht der Gründerzeit wieder im Sonnenlicht strahlen zu lassen.

Nur wer sorgfältig durch die Stadt stromert, was in Leipzig mehr als nur ratsam ist, wird die Kunstfertigkeit der Architekten und Handwerker erkennen. Die Geschichte dahinter ist nur selten für jedermann einsehbar. Deshalb dieses Buch! Von der größten Errungenschaft der Stadt, dem Kanal, der den Namen seines Erdenkers Karl Heine trägt, und in absehbarer Zeit Leipzig auf dem Wasserweg mit den Weltmeeren verbinden wird, über fast vergessene Idealisten wie Hugo Licht, sowie immer noch präsente Verlegerlegenden wie Hans Meyer, die Meyerschen Höfe gelten heute als begehrte Wohnanlagen, reist der Strom des Staunens beim Lesen nicht ab. Die unzähligen und aussagekräftigen Abbildungen machen es einem leicht die beschriebenen Orte wieder zu erkennen, sofern sie vom Bombenhagel und der Abrisswut der Genossen von einst verschont blieben. Historische Abbildungen zeigen wie sehr sich das Antlitz der Stadt verändert hat. Die Texte der Autoren sind ein wahres Füllhorn für jeden Neugierigen, egal, ob er in Leipzig ansässig ist oder die Stadt für ein paar Tage besucht.

Logbuch

Mit dem Schiff die Welt erkunden hat in den vergangenen Jahren – wegen des massiven Überangebotes – einen bitteren Beigeschmack bekommen. Venedig droht deswegen vollends seinen Charme zu verlieren, Dubrovnik platzt durch die Besuchermassen aus den Nähten. Und dennoch ist die Begeisterung für die schwimmenden Kolosse und ihre Legenden ungebrochen. Das beweisen die unzähligen Buchtitel, die vom Hochglanzprospekt bis zur Wühltischware das gesamte Spektrum des Buchmarktes abdecken.

Doch ab und zu fallen Titel aus dieser Aufzählung, die durch ihren Gestaltung und Illustration selbst diejenigen erreichen, die bisher dem Schiffsbau nicht sonderlich zugeneigt waren. So wie „Logbuch – Schiffe, die Legenden wurden“. Siebenundzwanzig Schiffe – erstaunlich wie viel man doch dem Namen nach kennt – und ihr Weg zur Legende werden auf ganz eigene Weise vorgestellt. Von einfachsten Schwimmfahrzeugen wie dem Surfboard über Kon Tiki, dem berühmten Floß Thor Heyerdahls über den nicht minder berühmten Fliegenden Holländer und die Arche Noah bis hin zur HMS Olympic, dem Schwesterschiff der Titanic, und dem Empire State Building – alles an Bord. Moment! Das Empire State Building? Was hat das denn mit Schifffahrt zu tun? Das einstmals höchste Gebäude der Welt hätte um ein Haar (genauer gesagt um vierzehn Meter) diesen Rekord verpasst. Mit einem Ankermast für Luftschiffe wie den Zeppelin konnte es sich aber um einige Meter mehr in den Himmel recken und verdiente sich so den ersehnten Titel. Tatsächlich, hier sollten mal Hindenburg und Co. einmal vor Anker gehen.

Die Texte zu den Schiffen sind in ihrem Anekdotenreichtum unübertroffen. Lucia, schallt es überall in Italien. Doch am Lago die Como hat dieser Name einen besonderen Ruf. Denn die idyllisch anmutenden Boote mit den drei Bögen, über die bei Bedarf der Sonnenschutz gezogen werden kann, heißen Lucia. Ihren Namen verdanken sie einer der berühmtesten Legenden Italiens. Einer Liebeslegende. Lucia und Renzo dürfen nicht heiraten, weil Don Rodrigo Lucia als seinen Besitz ansieht. Renzo macht die Leinen los und flüchtet mit seiner Lucia über die Wogen des Comer Sees.

Ein Schiff ganz anderer Art hat während des erzwungenen Exils Napoleon Bonaparte beschützt und bewacht. Die Insel Ascension. Hätte irgendjemand versucht den Feldherren von St. Helena zu befreien, hätte er an der vorgelagerten Insel vorbeigemusst. Dort warteten aber die Büchsen und Kanonen der Bewacher.

Lucia Jay von Seldeneck zeichnet für die Geschichten zu Geschichte der Schiffe verantwortlich, die dem Leser mal einen unverstellten Blick auf die Wasserfahrzeuge freigeben. Denn dahinter stehen auch immer Menschen und ihre Schicksale.

Die seitenfüllenden Zeichnungen von Florian Weiß sind mehr als nur eine Ergänzung der Texte. Mit feinstem Pinselstrich im maritimen Blau-Weiß gehalten erzählen sie für sich allein schon ganze Geschichten. Eine zweidimensionale Multimediashow, die einen sofort in den Bann zieht. Bötchen gucken auf allerhöchstem Niveau!

Bahnhöfe der Welt

Barcelona, Bozen, Besewitz – eine Metropole, eine Stadt, ein fast vergessener Ort. Sie alle haben eines gemeinsam: Einen Bahnhof. Während in Barcelona am Frankreich-Bahnhof, Estació de França, mehrere Züge im Stundentakt das imposante Bauwerk verlassen, hält in Besewitz am Naturschutzpark Darß schon seit Langem kein Zug mehr. Gäste gibt es immer noch, da hier Ferienwohnungen entstanden sind. So unterschiedlich die Reisziele auf dieser Welt sind, so unterschiedlich sind die ersten Gebäude einer Stadt, eines Ortes.

Antwerpens Bahnhof ist wegen seiner opulenten Architektur sicherlich ein Augenschmaus. Im Gare de Lyon in Paris kommt zum visuellen Erlebnis noch das lukullische hinzu. Im Restaurant „Le Train Bleu“ wird die gute alte Zeit in die Gegenwart transformiert. Die Decken sind mit nostalgischen Malereien der anzufahrenden Destinationen verziert. Das im rasenden Tempo bedienende Personal ist ein weiteres Highlight.

Wer in Barancas, Mexiko auf den Zug wartet, kommt schnell mit vielen Leuten in Kontakt. Hier trifft man sich wie andersorten auf dem Markt, und da es nur einen Personenzug gibt, ist der Fahrplan mehr als übersichtlich.

Martin Werner schafft es mit wenigen Worten und beeindruckenden Bildern eine Welt darzustellen, die sich jeder vorstellen kann. Denn jeder ist in seinem Leben schon einmal mit dem Zug gefahren. Wer tatsächlich noch nie mit der Bahn unterwegs war, hat es zumindest zum Einkaufen schon mal in einen Bahn hof geschafft. Bestes Beispiel dafür: Der Leipziger Hauptbahnhof. Einst aus zwei Bahnhöfen entstanden, war er jahrzehntelang der größte Kopfbahnhof weit und breit. Momentan sind noch etwas über zwanzig Gleise in Betrieb. Als Einkaufsmeile – und das kann man durchaus wörtlich nehmen: Auf drei Etagen gibt es vom Reisemagazin bis zum Donut wirklich alles hier zu kaufen – ist wider Erwarten der Bahnhof mehr Bummelpfad als Abfahrts- und Ankunftsort. Von Brisbane und Istanbul über Taipeh und Peking bis nach Garub in Namibia und dem U-Bahnhof am World Trade Center – hier geht jedem Bahnfreund das Herz auf.

Wer sich bisher nicht so recht für die Schienenhaltestellen begeistern konnte, wird schon beim ersten Durchblättern Schnappatmung bekommen. Originelle Ein-, Drauf- und Ansichten, detaillierte Raffinessen und die überbordende Vielfalt der gezeigten Bahnhöfe rund um den Globus faszinieren jeden, der sich an Architektur im zügigen Zeitalter an Schönheit erfreuen kann.

Japanbilder

Es ist noch gar nicht so lange her, dass das ferne Japan ein weiteres Mal in den Fokus der Öffentlichkeit rückte. Nicht zum ersten Mal: Mit dem Aufkommen der Dampfschifffahrt schlichen sich auch stilistische Einflüsse in die Kunst. In den Achtzigern des vergangenen Jahrhunderts schwappte – unter anderem auch durch Alphavilles „Big in Japan“ – eine regelrechte Japanomania nach Europa, die bis heute anhält. 2020 wird diese Welle einen neuen Höhepunkt erreichen, wenn die Olympischen Sommerspiele in Tokio stattfinden werden. Je nach Qualitätsanspruch wird man dann wieder mit Kuriositäten aus dem Land des Lächelns bombardiert werden oder tatsächlich etwas Substantielles über das Land erfahren.

Den Anfang macht zweifellos dieses Buch. Der unscheinbare Titel „Japanbilder“ verspricht nicht mehr und nicht weniger als persönliche Eindrücke von Michaela Weber, die ans andere Ende der Welt reiste und eine Kultur vorfand, die es vielen schwer macht sie zu verstehen. Und so wird das Lesen dieses Buches zu einer Reise vom Sofa aus in ein Land, das für die meisten ein ewiger Traum bleiben wird.

Besonders auffällig ist das ineinandergreifende Zusammenspiel von kurzen knackigen Einleitungstexten und den imposanten Abbildungen. Michaela Weber vermischt geschickt persönliche Erfahrung und Faktenwissen, die im Anschluss durch unzählige – mal größere, mal kleinere – Bilder untermalt werden.

Mit wachen Augen reist Michaela Weber durch Japan und schon bald wundert sie sich über fast gar nichts mehr. Ein Polizeimuseum in Tokio weist nicht martialisch mit Waffe oder einer staatlichen Symbolik auf sich hin, sondern mit einer niedlichen Comicfigur. Bahnhöfe und Züge sind so sauber, dass es ihr nicht nur auffällt, sondern besonders berichtenswert erscheint. Auch die Schaffner sind von außerordentlicher Freundlichkeit. Und mit den deutschen Fahrkartenkontrolleuren haben sie so gar nichts zu tun.

Michaela Weber reist durch Tokio, Osaka, Hiroshima, Kioto und die eher unbekannteren Städte Inuyama und Nara. Oft unterliegt man dem Vorurteil, dass innerhalb eines fernen Landes alles gleich sei. Dem ist natürlich nicht so. In Deutschland würde ja auch niemand auf die Idee kommen Ostfriesen und Allgäuer in einen Topf zu werfen! Mit dem Finger am Auslöser der Kamera gelingen Michaela Weber einfühlsame Schnappschüsse, die das Bild Japans im Jahr der Olympischen Spiele nachhaltig prägen werden. Alltagsszenen wie spielende Kinder, aber auch für unsere Augen fast schon verspielte Hinweisschilder stehen eng neben Preistafeln für (käufliche!) Gebete und Wünsche für ein besseres Leben. Diese Japanbilder wird man so schnell nicht vergessen, weil man sie wie ein privates Fotoalbum immer wieder ansehen will.

Kalender Deutsche Geschichte 2020

Wenn ein Jahr zu Ende geht, erinnert man sich gern an das, was war. Fast schon im gleichen Atemzug schaut man voraus, freut sich auf das, was kommen wird. Das erinnert auch gern schon mal an eine Rateshow.

Und genauso beginnt auch dieser Kalender. Das Jahr 2020 beginnt auch gleich mit einem Jubiläum. Am 2. Januar 1955 – also vor 65 Jahren – wurde zum ersten Mal die Sendung „Ja oder Nein“ ausgestrahlt. Berühmt geworden ist sie sechs Jahre später unter dem Titel „Was bin ich?“. Robert Lembke wurde zu einer der Kultfiguren im TV und ist bis heute eine Marke.

Ebenfalls eine Marke, die ein Jubiläum feiert ist der DFB, der Deutsche Fußballbund. In jüngster Zeit immer mehr in der Kritik stehend, war es die Gartenkneipe „Zum Mariengraben“ in Leipzig, die als Wiege des deutschen Fußballs anzusehen ist. Die Satzung wurde am 28. Januar 1900 verabschiedet. Wenig verwunderlich, dass auch der erste Deutsche Meister aus Leipzig kam, der VfB Leipzig, der als Nachfolgeverein des 1.FC Lok Leipzig zwischenzeitlich in der ersten Bundesliga spielte, um kurz darauf in den Untiefen des Vergessens begraben wurde.

Ein deutsch-deutsches Phänomen, was ebenfalls wieder in der Kritik steht, war und ist die Sommerzeit. Die wurde gleichzeitig in Ost und West am 6. April 1980 eingeführt. Ihr wird wohl ein ähnlich kurzes Leben wie der DDR beschieden sein. Denn schon in absehbarer Zukunft muss man nicht mehr zweimal im Jahr am Räderwerk drehen. Das Bild zur Einführung der Sommerzeit ist ein echter Hingucker. Denn welcher Schlagerstar war wohl mit der Umstellung der Uhren als Werbegesicht bekannt? Die Woche Karwoche verrät es.

Von politischen Ereignissen über Naturkatastrophen bis hin zu so genannten Lustlagern bietet dieser Kalender einen bunten Über- und Rückblick auf mehrere Jahrhunderte deutscher Geschichte. Vieles ist schon wieder in Vergessenheit geraten, bei manchen ist man erstaunt, dass man sie schon wieder vergessen hat. Jede Woche wird montags mit einem Aha-Erlebnis beginnen.

Kartenwelten

Landkarten haben trotz digitaler Revolution nichts von ihren Mysterien verloren. Kein Piratenfilm, der ohne Schatzkarte auskommt. Keine Reiseband ohne graphische Wegbeschreibung. Keine Wanderroute ohne Kurven und Ecken.

Die Farbenpracht vergangener Karten ist im Laufe der Zeit einer nüchternen Praktikabilität gewichen. Jedoch einfach mal so beispielsweise den Grand Canyon zu kartographieren, das geht auch nicht. Acht Jahre benötigte Bradford Washburn vor rund vierzig Jahren, um dieses Naturschaupiel zu erfassen. Schweres Gerät musste auf Gipfel geschaffte werden. Für Berechnungen standen zwar schon präzise Computer zur Seite. Die Karte selbst zu erstellen, war ein Abenteuer, dessen Ergebnis all die Mühen vergessen ließ.

Eine Karte ist aber nicht immer nur der schnöde Wegweiser, um sicher von A nach B zu kommen. Karten dienen Ökonomen zum Beispiel den Weg von Waren nachvollziehen zu können. Und auch das ist keine Erfindung der globalisierten Gegenwart.

Dieser Prachtband hält sein Versprechen ganze Welten von Karten zu präsentieren. Betsy Mason und Greg Miller lassen phantastische Welten erstehen, die bisher kaum jemand in dieser Hülle und Fülle jemals betrachten durfte. Ist man anfangs noch von der Farbenvielfalt und Detailverliebtheit historischer Karten geblendet, vertieft man sich zugleich in die Texte. Deren Informationsgehalt lenkt nicht von den Bildern ab, sondern schafft ein einzigartiges Kartenuniversum. Museumsreife Karten, Karikaturen (auch dafür eignen sich Karten!) und Abbildungen, die erst auf den zweiten Blick ihr kartographisches Wissen darlegen, geben sich ein Stelldichein, die den Leser immer wieder ins Bücherregal greifen lassen, um die Sinne zu stimulieren. Boston, Hongkong, der Pazifik sind nur drei Beispiele für Karten, die den Leser, der sich wie ein Besucher in einer fremden farbenfrohen Welt fühlen darf, immer wieder Neues entdecken lassen.

Vergessen Sie Schatzkarten! Hier sind die wahren Schätze!

The roaring Twenties

  1. Januar 1920: Roar!!! So einfach war es dann doch nicht. Neues Jahrzehnt und die Sorgen von gestern waren nichts weniger als das, und man konnte das Tanzbein schwingend und Champagne schlürfend die erste weltweite Partygesellschaft feiern. In Deutschland hatte man sich erst vor Kurzem eine Republik zu gelegt, man knabberte immer noch an den horrenden Reparationszahlungen, und der aufkommende Faschismus dient auch nicht gerade als Aushängeschild für ein tolerantes Zusammenleben. Auch wenn es Geld im Überfluss gab …

Im Cafe Größenwahn traf sich die künstlerische Hautevolee und separierte gleich einmal die aus, die ihrer Ansicht nach nicht zum erlauchten Kreis der Eilte gehören durften. Dieser umfasste Brecht, Grosz, Kästner, Kisch, Liebermann. Kokain wurde zur Modedroge, selbst Juweliere fertigten einzig dafür spezielle Döschen an, was den Behörden dann doch zu weit ging und Kokain nur noch auf Rezept erhältlich war.

Während in Paris die Liebe (zwischen Mann und Frau) erblühte wie kaum anderswo auf der Welt, war Berlin das El Dorado für Mann/Mann- aber besonders für Frau/Frau-Konstellationen. Nicht nur auf der Bühne. Gegen Ende der Goldenen Zwanziger war Berlin das geworden, was man sich bis heute unter einer Weltstadt der Zwanziger vorstellt: Kreativzentrum und Sündenbabel zugleich.

Paris und seine Künstleravantgarde, Chicago und seins Al Capone, Lissabons Art Deco, Moskaus revolutionärer Aktionismus – jede Metropole prägte die zwanziger Jahre auf ihre Art und Weise. Von Wien bis Tokio, von Rom bis Shanghai wurden Toren weit aufgestoßen und der Wind der Veränderung wirbelte das Inventar gehörig durcheinander. Bis heute haben die Zwanziger Jahre nichts an ihrer Faszination verloren.

Die Vielfalt dieser Veränderungen überrascht vielleicht nicht jeden, so komprimiert waren sie jedoch selten in einem Buch enthalten. Die beiden Historiker Detlef Berghorn und Markus Hattstein verstehen es mit prägnanten Sätzen die Uhr anzuhalten und um fast ein ganzes Jahrhundert zurückzudrehen. Die ganz- und manchmal doppelseitigen Abbildungen ergeben zusammen mit ihren Texten ein umfassendes Bild einer Zeit, die heute nur allzu oft verklärt in den Köpfen der Menschen herumspukt. Es war nicht alles Gold, schon gar nicht „roar“ in dieser Zeit. Doch die Illusion, dass es so gewesen sein könnte, ist auch schön. Ein bisschen Tatsachenforschung tut dabei aber Not!

100 Highlights Neuseeland

Abenteuer im Doppelpack, das gibt es nur in Neuseeland. Zwei Inseln, die so pickepackvoll an Andersartigem sind, gibt es kaum noch auf der Welt. Nur leider für viele am anderen Ende der Welt. Ein echter Ein-Tagestrip um überhaupt ankommen zu können. Doch ist man entweder auf der nördlichen oder südlichen Neuseeland-Insel angekommen, ist beim Anblick der faszinierenden Kultur der Anreisestress wie weggeblasen.

Thomas Sebastian Frank und Thomas Stankiewicz nennen ihr Buch zwar „100 Highlights Neuseeland“, doch sind es bei Weitem mehr als die angekündigten Einhundert. Es sind Unzählige! Schon auf den ersten Seiten wird die Vielfalt des Doppelinselstaates sichtbar: Mondäne Hafen, wie in Auckland. Felsklippen, von denen man über zerklüftete Fjorde den Sonnenauf- oder untergang in sein Herz lassen kann. Bergspitzen, die in Nebel gehüllt ein erhabenes Gefühl vermitteln. Und wer lautlos mit einem Gleitschirm über die Landschaft hinweg fliegt, wird von den Eindrücken ein Leben lang zehren.

Die Wucht der Bilder haut den Leser, den Betrachter um! Wie Abenteuergeschichten rühren da die kurzen Artikel an. Ein Werbefeldzug, der nur ein Ziel kennt: Neuseeland näher an diejenigen zu rücken, die noch echte Abenteuer suchen. In farbig abgesetzten Kästen sind nützliche Informationen noch einmal zusammengefasst. Und immer wieder Bilder, Bilder, Bilder. Über Doppelseiten ergießen sie sich und überschwemmen den Leser mit ihrer Pracht und Präsenz.

Manchmal kommt man sich verloren vor. Wenn ein einsamer Surfer am Strand vor tosender Gischt steht, sind die Felsformationen im Hintergrund ungerührt. Sie kennen das Naturschauspiel seit Jahrmillionen. Welch Glück sie haben, ausgerechnet hier ein Leben als Uferfels leben zu dürfen…

Genauso fühlen sich Besucher in Waimangu. Nie gehört? Dieser Ort wird niemals mehr als unbekannt gelten, nachdem man dieses Buch auch nur durchgeblättert hat. Hier ist der größte Heißwassersee der Welt. Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts tat sich hier die Erde auf. Kalte Füße bekommt man in der jüngsten geothermischen Attraktion der Welt nicht. Eine mehrere Meter dicke Ascheschicht bedeckt das Tal, unterirdisch brodelt immer noch das Wasser, und lässt Algen und Pflanzen blühen, die in ihrer Farbenvielfalt den Besucher innehalten lassen.

Das Bild vom umfassenden Bildband einer echten Abenteuer-Doppel-Insel vervollständigen die Kapitel, die man auf den ersten Blick nicht vermutet. Der Fokus des Buches liegt eindeutig auf den zahllosen Naturimpressionen. Doch und gerade die Abschnitte über das kulturelle Leben, wie das Festival der tragbaren Kunst, abseits von Maori-Kultur und Kiwi-Souvenirs, werden für zusätzliche Ahas und Wows sorgen. Wer auf er Suche nach einem unvergesslichen Weihnachtsgeschenk ist, oder sich selbst immer wieder in Erstaunen versetzen will, ist mit diesem Prachtband mehr als auf der sicheren Seite.

Die Seidenstraße – Landschaften und Geschichte

Mit dem Wissen, dass die eine Seidenstraße nicht gab, nicht gibt und sicherlich auch niemals geben wird (maximal als Restaurantname) liest es sich viel entspannter durch diesen Prachtband.

Die Seidenstraße bezeichnet Handelsrouten, die schon vor über zweitausend Jahren die Völker, vor allem aber die Händler, aus dem Osten mit denen aus dem Westen verbanden. So gelangten Porzellan und Gewürze, Zahlen und Musik, aber auch Brauche und Tiere von einem Ende der Welt ans andere.

Auf knapp fünfhundert Seiten wird die Pracht der Wege – mal eng wie die Gassen einer Kleinstadt, mal unendlich breit, nur von Bergketten begrenzt – in ihrer ganzen Vielfalt dargestellt. Die Bilder springen als Erstes dem Betrachter ins Auge. Farbenprächtige Mosaiken, traditionelles Handwerk, prunkvolle Teppiche, erhabene Reliefs, einsame Oasen, verlassene Ruinen, umgeben von spannenden Texten, die von Forschern geschrieben wurden, die sich ganz und gar ihrer Arbeit verschrieben haben. Allesamt Experten auf ihrem Gebiet.

So umfangreich und eindrucksvoll wurde die Seidenstraße noch nicht dargestellt. Die Vielzahl von alten Karten und Plänen, die Interpretation von Handwerkskunst, Funde von alten Schriften erstaunen ab der ersten Seite.

Es ist nicht leicht so ein Schwergewicht wieder beiseite zu legen. Ein bisschen Fernweh kommt auf, wenn man von exotischen Orten wie Simurgh, Pir-e Sabz oder Samarkand liest. Viele Orte sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich, so dass einem nur der Griff zu diesem Buch bleibt, um sie erleben zu können.

Nicht nur Geschichtsfans kommen hier auf ihre Kosten. Jeder, dem Abenteuer nicht fremd sind, wird mit wachsender Begeisterung in diesem Buch blättern, lesen und sich an Texten und Abbildungen erfreuen. Gepaart mit Wissensvermittlung, die einem Telefonjoker bei „Wer wird Millionär?“ vor Neid erblassen lassen.

„Die Seidenstraße – Landschaften und Geschichte“ eröffnet eine alte neue Welt. Die gekonnt in Szene gesetzten Schätze – von Grabsteinen über tanzende Pferde bis hin zu Edelsteinen – vermitteln nachhaltig einen detaillierten Einblick in über zweitausend Jahre Kulturaustausch, der heutzutage viel zu oft und viel zu offen angeprangert, manchmal sogar verteufelt wird. Erst dieser Kulturaustausch erlaubt die eigene Kultur im richtigen Licht zu sehen. Dieses Buch muss man zumindest einmal im Jahr in die Hand nehmen, um nicht zu vergessen, dass Kultur immer auf Gegenseitigkeit beruht.

Naturerkundungen mit Skizzenheft und Staffelei

Das waren noch Zeiten: Ohne GPS, WiFi und flinken Fingern sich durch wirklich unentdeckte Regionen kämpfen. Stattdessen mit dem unbedingten Willen etwas ans Tageslicht zu fördern, das die Welt überhaupt noch nicht gesehen hat. Das ist lange her. Und die, die damals mit Pinsel, Stift und Machete durchs Dickicht huschten, sind immer noch in aller Munde. Haben sogar Hashtags in den sozialen Medien.

Charles Darwin ist sicherlich einer der bekanntesten Abenteurer, wobei der Begriff Forschungsreisender sicherlich passender sein dürfte, dessen Wirken in diesem Buch so eindrucksvoll dargelegt wird. Ebenso Maria Sibylla Merian, deren detailgetreue Schmetterlingszeichnungen bis heute den Betrachter in Staunen versetzen. Alfred Russel Wallace war zu seiner Zeit ein Superstar unter den Forschern. Seine „Mitbringsel“ vom Amazonas füllten damals schon Museen. Von deutscher Seite ist Alexander von Humboldt mehr als nur eine Randnotiz wert. Der Orinoco ohne Humboldt? Unvorstellbar!

Dieses Buch setzt 23 Forschern ein gedrucktes Denkmal, das umfassend deren Arbeit ins rechte Licht rückt. Die 18 Autoren gehören entweder direkt zum Londoner Natural History Museum oder sind mit ihm eng verbunden. Ihnen sind die ausgestellten Exponate so nah wie den beschriebenen Forschern die sie antreibende Neugier.

Jedes einzelne Kapitel besticht durch Fachwissen und den Drang dem Leser eine Welt zu eröffnen, die durch den modernen Informationsfluss immer weniger Spielraum für eigene Phantasien lässt. So viel wie man meint zu wissen, weiß man dann doch nicht. Die Essays sind wahre Fundgruben für jeden, der die Vergangenheit als mindestens genauso spannend erachtet wie die Zukunft. Immer wieder ertappt man sich beim Lesen, dass eigene Pläne im Hinterstübchen gemacht werden. Mit den Möglichkeiten der Gegenwart muss es doch auch möglich sein Neues zu entdecken und der Nachwelt zu erhalten. Allerdings liegt die Messlatte durch Thomas Waitling, Joseph Hooker oder Margret Elizabeth Fountaine sehr hoch!