Strand der Ertrunkenen

Fortsetzungen bergen immer die Gefahr in sich, dass sie an den Vorgänger nicht herankommen. Wenn zu dem auch noch der Vorgänger (in Domingo Villars Fall, sogar der Erstling) preisgekrönt wurde, lastet ein enormer Druck auf dem Autor, und die Erwartungen des Lesers sind sehr hoch angesetzt. Um es vorwegzunehmen: Pessimisten können beruhigt zum zweiten Fall von Leo Caldas aus Vigo im nordspanischen Galicien greifen!

Der Roman beginnt traurig mit einem Besuch im Krankenhaus. Vater und Sohn Caldas, beide aus unterschiedlichen Gründen alleinstehend, besuchen Alberto, den Bruder von Inspektor Caldas‘ Vater. Sieht nicht gut aus. Grund und Zeit genug für Domingo Villar dem Leser ein wenig aus dem Leben des Inspektors zu erzählen.

Ein bisschen Zeit miteinander verbringen, für einander da sein. Das geht nur so lange gut bis sich Caldas Assistent Rafael Estévez meldet. Die Arbeit ruft im wahrsten Sinne des Wortes. Eine Leiche wurde angespült. Die Hände mit Kabelbindern verschnürt. Ertrunken. Sieht nach Selbstmord aus – viel Fischer bringen sich in dieser Ecke Spaniens auf diese Weise ums Leben. Doch die aufgeplatzten Adern im Gesicht des Toten lassen Leo Caldas an der Selbstmordtheorie zweifeln.

Abwechslung bringt nur die Radiosendung, die Leo Caldas zu einem Lokalstar werden lässt. Wo immer er auftaucht – privat oder in beruflicher Mission – wird er erkannt. Die Leute mögen ihn, ein unschätzbarer Vorteil gegenüber seinem Assistenten, der aus der Hauptstadt in die Provinz versetzt wurde. Leo Caldas vertrauen die Leute.

Der Tod des Fischers, Justo Castilo, genannt der Blonde gibt Leo Caldas immer noch Rätsel auf. Doch es gibt eine heiße Spur. Kurz vor Weihnachten des Jahres 1996 heuerte der Fischer zusammen mit zwei engen Kollegen auf einem Kutter an. Das Schiff sank und begrub mit sich auch den Kapitän. Der wiederum soll wiederauferstanden sein. Caldas ist jedoch zu sehr Realist, um an Wiederauferstehung und Ähnliches zu glauben. Zumal es keinen Beweis – vielleicht ein paar Zweifel – gibt, dass der Kapitän noch am Leben sein könnte…

Das Leben am Meer, die Eigenheiten der Menschen und eine gehörige Portion Lokalkolorit sind die Zutaten für einen echten Regionalkrimi. Jetzt kommt es auf den koch an. Domingo Villar gehört zu den Sterneköchen. Mit viel Gefühl zaubert ein Menü auf den Lesetisch, das jedem mundet. Kein Nachsalzen (mit Meersalz, naturalmente) oder nach Pfeffer fragen. „Der Strand der Ertrunkenen“ ist ein meisterhaftes Menü mit historischem Entree, sättigendem Hauptgang und einem Dessert, das einem den Lesegenuss niemals vergessen lässt.