Hoch oben in der guten Luft

Hoch oben in der guten Luft

Elegant ist es hier, in Davos. Alles ein bisschen sauberer und mondäner als anderswo. Und vor allem gesund! Im 19. Jahrhundert entwickelte sich in dem einst kleinen Dorf ein neuer „Industriezweig“: Das Kuren. Kuraufenthalte in Davos waren von je her kein preiswertes Vergnügen. Man musste es sich leisten können. Der einstige Belle-Epoque-Charme wich im Laufe der Jahre Form-folgt-Funktion-Architektur. Doch als Davos noch das Mekka der lungenkranken hautevolee war, konnte man im Eingangsbuch von so manchem Sanatorium auf Autogrammjagd gehen: Katia Mann, Gala (baldige Gala Dali), Klabund, Paul Elouard. Auch wer nicht wegen der Gesundheit bzw. wegen Krankheiten hierher kam, konnte sich hier exzellent vergnügen und entspannen. Hermann Hesse fuhr hier regelmäßig Ski, Béla Bartók gab Konzerte.

Literarisch setzte Thomas Mann dem Ort ein Denkmal. In seinem „Zauberberg“ diente Dr. Jessen und als Vorbild für den Hofrat Behrens. Und sein Waldsanatorium war das siebenjährige steingewordene Exil für Hans Castorp.

Gala, die zu dieser noch Helena Dimitrowna Diakonowa hieß, verliebte sich hier in Paul, der zu dieser Zeit noch Eugène Émile Paul Grindel war. Beide aus guten Elternhaus – wie gesagt, hier konnte es sich nicht jeder leisten „gesund zu werden“. Sie fand Zugang zu den Surrealisten und später auch zu Salvador Dali.

Davos als Tummelplatz der Enttäuschten, der Entbehrungsgeprüften, führte kein (Kurschatten-)Dasein. Lange Liegekuren, ausgedehnte Spaziergänge, ein bisschen Kupferlösung hier, ein bisschen Chemie da. Und dann? Kuren war Anfang des 20. Jahrhunderts eine langwierige und oft auch langweilige Sache. Kein Animationsprogramm wie es heute oft üblich ist. Der Patient sollte zur Ruhe kommen. Kreativ waren die meisten von Natur aus. Sie mussten nicht bespaßt werden.

Unda Hörner untersucht die Wirkung des Ortes auf das Schaffen der Literaten, der Bohème, die so gar nichts mit Rodolfo und Marcello aus Puccinis gleichnamiger Oper zu tun zu haben scheinen. Außer vielleicht dem Krankheitsbild von Mimi. Dieses Buch macht Lust auf Davos und auf die Werke der ehemaligen Patienten. „Hoch oben in der guten Luft“ verführt dazu noch einmal am Bücherschrank vorbeizugehen und sich das eine oder andere Buch noch einmal herauszugreifen. Oder es überhaupt zum ersten Mal zu lesen. Dada, Surrealismus, Poesie, Klassiker – die Reihe der im Buch genannten Werke mit Bezug zu Patienten und Davos ist schier unendlich. Ein Appetitmacher auf große Literatur und auf Entdeckungsreisen in den Höhen der Schweiz.