Wilde Welten

Wilde Welten

Friedrich Gerstäcker gehört zu den Autoren, von denen der Opa (mittlerweile vielleicht sogar der Uropa) immer sagte: „Den musst Du lesen!“ Ein echter Abenteurer eben, einer, der das Genre Abenteuerroman zu höchsten Weihen führen konnte. Denn er war – im Gegensatz zu seinem Pendant Karl May – wirklich an den Orten über die er schrieb. Er erlebte wilde Welten in wilden Zeiten. In diesem Buch sind die wildesten Abenteuer in einem Band vereint. Wie schon zu Lebzeiten wird er den Leser fesseln und das Reisefieber in ungeahnte Höhen treiben.

Aber auch eine noch so ausgedehnte Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Und den tut Friedrich Gerstäcker im Berlin des Jahres 1848. Im revolutionären Berlin des revolutionären Jahres 1848. Ein Fest für alle, die der deutschen Sprache eine gewisse Poesie nicht absprechen wollen… Apropos deutsche Sprache. Überall, wo er hinkommt, sind die Deutschen schon da. Und mit ihnen die Uneinigkeit und die ungetrübte Fremdsprachenunfähigkeit. Man merkt die diebische Freude des Autors beim Zitieren des so genannten Pennsylanisch-Deutschen. Ein heilloses Mischmasch aus Deutsch und Englisch, das jedem, der halbwegs Englisch spricht, einen kalten Schauer über den Rücken laufen lässt.

Und schon ist man in Afrika bei den Ritualen der Fulahs, im Dschungel Südamerikas und ist fasziniert von einem Feld voller Schmetterlinge oder auf Tahiti. Letzteres wirkt heute noch so fremd wie vor weit über einhundert Jahren. Er weiß wie die Namen der Könige entstanden sind, berichtet von unmenschlichen Tätowierungen, und trifft auch hier am Ende der Welt Deutsche. So wie überall. Auch andere Nationalitäten. Und alle, die schon vor ihm da sind, wollen den „Wilden“ ihren Willen aufzwingen.

Ähnlich befremdlich sind die Ausführungen zu einem Trip, wie man heute sagen würde, auf einem Walfangschiff. Es ist wohl die erste 3D-Erzählung der Geschichte, so anschaulich, dass man meint auf dem Tier zu reiten, genauso wie die Protagonisten der Erzählung.

Da ist er nun vor den Zwängen und der Enge Deutschlands geflohen, um von der Freiheit und der Weite zu berichten, und trifft auf die, vor denen er floh. Das ist so als ob man montags die Innenstädte von Leipzig und Dresden meidet, weil die Hassreden der PEGIDA-Demonstranten einen nerven, und man auf Rhodos die gleichen Krakeeler beim Schnitzel trifft. So groß sind die Unterschiede von Damals zu Heute auch nicht…

Friedrich Gerstäcker sperrt die Augen und Ohren auf, um ja nichts zu verpassen. Aber er schafft es auch seine Eindrücke wortgewaltig zu vermitteln. Er ist am Drücke, die anderen sind schachmatt, um es mit den Ärzten („Meine wilde Welt“) auszudrücken. Die Ohnmacht beim Leser währt nur kurz – man will einfach immer mehr. Mehr Wildheit, mehr Welt, mehr Abenteuer, mehr Gerstäcker!