Lord Peter Wimsey – Oxford

„In meiner Badewanne in ich Kapitän“. Es ist nicht überliefert, ob Mr. Thipps jemals in selbiger diese Zeilen sang. Wohl eher nicht. Jetzt ist es auch nicht mehr möglich, denn die Badewanne ist besetzt. Wahrscheinlich von einem Reuben Levy. So vermutet es die Polizei. Die Polizei? Wieso kommt die bei Mr. Thipps vorbei, wenn die Badewanne besetzt ist? Das Problem ist, dass der vermeintliche Reuben Levy die Wonnen der Wanne nicht mehr genießen kann. Er ist tot! Und Mr. Thipps ist der Verdächtige Nummer Eins in den Augen Inspector Sugg.

Über Umwege gelangt die Meldung über die Verhaftung und den Verdächtigungen von Mr. Thipps zu Lord Peter Wimsey. Dieser Peter Wimsey ist von Beruf, ja, was ist er eigentlich? Lord? Im Nebenberuf ist er Detektiv. Und er ist ein Gentleman. Gebildet, Abschluss cumma sum laude, eloquent, ein Sport-Ass, wenn es um Cricket geht. Und er kann seiner Mutter keinen Wunsch abschlagen. Die bittet nun ihren Sohn sich der Sache anzunehmen und den armen Tropf Thipps aus den Klauen der Polizei zu holen. Wenn möglich auch gleich noch den wahren Mörder finden. Aber das ist eh das Gleiche wie Thipps zu helfen. Denn der verhält sich ziemlich tölpelhaft. Verstrickt sich in Widersprüchen, so dass jeder noch so dämliche Ermittler gar keinen anderen Ausweg sieht als ihn mitzunehmen.

Levy ist tot. Das steht schon mal fest. Doch er ist nicht derjenige, der in Thipps Badewanne liegt. Da passt so einiges nicht zusammen. Der Kneifer zum Beispiel gehört jemand ganz anderem. Der meldet sich auf eine Anzeige. Cleverer Schachzug per Annonce den Besitzer des Kneifers zu suchen. Wimsey sieht sofort, dass Kneifer, Levys Ruf und der Mann in der Wanne niemals eine Symbiose eingehen können. Alles wieder auf Anfang?

Dorothy L. Sayers erschuf mit dem distinguierten Peter Wimsey einen Ermittler, der viele Nachahmer fand, die ihm und seiner Schöpferin aber nicht einmal ansatzweise das Wasser reichen konnten. Noblesse oblige, gepaart mit Subtilität und der nötigen Portion Rafinesse – Wimsey ist zwar Engländer, doch bei ihm schlägt der französische Zweig der Familie mehr durch als beim Rest der Sippe – verhelfen ihm immer zum Erfolg. Seinen treuen Buttler Bunter hat er aus Kriegstagen mit in die Wirklichkeit übernommen. Er ist der Ruhepol, der Haus und Hof zusammenhält, seinen eigenen Kopf hat, diesen aber niemals gegen seinen Herren erheben könnte. Die Lösung seines ersten Falles ist kurios und zufällig wie es nur einer Dorothy L. Sayers einfallen kann. An der Oberfläche kratzen, hilft. Das freigelegte Wissen nutzen, gelingt nur wenigen. Es in eine Form bringen, die weltweit süchtig macht, das schafft nur Eine.

 

Da läuft am Abend noch einmal kurz ums Anwesen und stolpert gleich hinter der Tür über eine Leiche. Man beugt sich über den Leichnam, erkennt ihn als seien zukünftigen Schwager. Und just in diesem Moment kommt die Frau um die Ecke, die den Leichnam eigentlich zum Schwager machen sollte und bezichtigt einen diesen Mann umgebracht zu haben. Da hilft nur der Ruf nach dem Bruder.

Lord Peter Wimsey erholt sich gerade von seinem ersten Fall als adeliger Privatschnüffler auf Korsika als sein treuer Butler Bunter ihm auf einen Artikel in der Zeitung hinweist, in dem es um den Mordprozess gegen den Herzog von Denver geht. Der ist zufällig Lord Wimseys Bruder. Schnurstracks folgt er dem Ruf des Blutes, wie Dorothy L. Sayers so treffend gleich auf der ersten Seite beschreibt. Sein Bruder ein Mörder? Das kann nicht sein. Ja, er hat sich mit dem Opfer, Captain Cathcart gestritten. Dieser soll ein Spieler sein, der mit dem Geld anderer wie wild umspringt. So einer darf nicht in die Familie einheiraten. Doch unter Gentlemen regelt man das doch anders!

Lord Wimseys Spürnase ist einmal mehr gefragt. Schnell wird klar, dass eigentlich nichts klar ist. Alle, die am Abend vor der Tat anwesend waren, geben nur so viel preis, wie sie es gerade für nötig halten. Bloß nicht zu viel sagen. Wimsey findet sich in einem Labyrinth wieder. Doch er hat den Ariadnefaden schon gesponnen…

Wenn das geflügelte Wort von den sich überschlagenden Ereignissen irgendwann irgendwo richtig eingesetzt wird, dann hier. Parker, Ermittler bei Scotland Yard, der sich den Fall des getöteten Captains angenommen hat – ganz zur Freude von Lord Peter Wimsey – hat gerade eine sehr außergewöhnliche Zeugin bei sich. Sie gesteht den Mord. Sie ist … Lady Mary, Schwester von Gerald Herzog von Denver und Lord Peter Wimsey, und die Braut des Getöteten. Parker glaubt ihr kein Wort. Auch nicht als sie ihren Ausspruch „Oh mein Gott, Du hast ihn getötet“ relativiert. In dem Moment als Parker das Protokoll aufnehmen will, bekommt er einen Anruf auf dem Hospital. Hier wurde gerade ein junger Mann eingeliefert. Schussverletzung, beim Fallen hat er sich den Kopf gestoßen. Sein Name: Lord Peter Wimsey!

Keine Angst, der Lord wird schon wieder. Schneller als gedacht. Und wissbegieriger und motivierter als zuvor. Was so ein Schlag auf den Hinterkopf und eine Schuss alles bewirken kann?! Sofort rieseln die Ideen aus seinem Hirn. Ein Racheakt, verschmähte Liebe, Eifersucht? Es gibt viele Motive für den Mord an Captain Cathcart. Des Rätsels Lösung allerdings …

Dorothy L. Sayers webt einmal mehr einen Teppich aus Spekulationen und unendlich vielen Indizien, der schlussendlich ein Flickenteppich bleibt. Die Wahrheit bleibt trotzdem nicht auf der Strecke, im Gegenteil: Eines steht fest. Der Täter wird zur Strecke gebracht! Wer auch immer das sein mag.

 

Da sitzt man gerade gemütlich mit einem Freund beim Frühstück und erfreut sich des Lebens bei erlesenen Speisen und ergötzt sich an dem erfrischenden Gespräch, da drängelt sich der Gast vom Nachbartisch dazwischen und berichtet – nachdem man ihm zu erkennen gegeben hat, dass man seiner durchaus nicht überdrüssig sei – von einem wahrhaft seltsamen Tod. Der Eine, der das Frühstück genießt, ist Lord Peter Wimsey, seines Zeichens adeliger Philanthrop, der aus reinem Spaß an der Freude (bereits zum dritten Mal!) Kriminalfälle löst. Ihm gegenüber sitzt sein Freund Charles. Der Drängler ist ein Arzt, der auf dem Land zwar nicht seiner Passion, der Krebsforschung frönen kann, jedoch als Arzt ein ansehnliches Auskommen hat und tatsächlich einmal einen exquisiten Fall von Krebs zu behandeln hatte. Denn die alte Dame, deren Krebs er diagnostiziert hatte, klagte bald schon über das Pflegepersonal. Über Schmerzen sowieso. Die Schwester wurde ausgetauscht und siehe da, das alte Mädchen erlebte eine Art zweiten, dritten Frühling. Doch der währte nur kurz. Gerade eben noch ein dem Tod von der Schippe gesprungener Hoffnungsschimmer, drei Tage später ein lebloser Körper. Was war passiert?

Lord Wimsey nimmt den redseligen Arzt und seine Geschichte mit, lässt sie sich in aller Ausführlichkeit erzählen. Natürlich ist seine Neugier geweckt. Natürlich will er herausfinden, was mit der verstorbenen Miss Dawson passiert ist. Und natürlich weiß er auch wie er den Fall angehen wird. Miss Alexandra Katherine Climpson ist seine Geheimwaffe. Auch so ein altes Mädchen, das – wie Wimsey nicht ohne ein gewisses Lächeln auf den Lippen – die Verschwendung der Zeit symbolisiert. Damen wie Miss Climpson können Fragen stellen, die sonst keiner sich traut zu stellen. Und sie ist zäh, unnachgiebig, und bei der Recherche ein Ass. Dass ihr Mundwerk dabei nicht immer stillsteht, kann auch nicht gerade zum Nachteil sein. Sie soll erstmal die Sterbeurkunde von Miss Dawson finden.

Und sie findet das Dokument. Und sie findet noch vieles mehr heraus. Zum Beispiel das rothaarige Frauenzimmer, das als Schwester der armen Miss Climpson so sehr Angst einjagte. Allein schon der Brief, den Miss Dawson an Lord Peter schreibt, ist es wert in diesen Roman immer wieder zurückzublättern und sich an der ergreifenden Sprache zu ergötzen. Ihre ausschweifenden Gedanken sind jedoch ein Füllhorn an Informationen für den Adeligen, der von sich behauptet den Detektiv nur zu spielen. Auch wenn er selbst in Gefahr gerät … Und eine weitere Leiche auftaucht …

Dorothy L. Sayers spielt nicht mit dem Leser, sie erfindet den Krimi neu! Wimsey ist eloquent, belesen, beherrscht, unnachgiebig. Und so sollte man den dritten Fall von Lord Peter Wimsey nicht auf die leichte Schulter nehmen. Dass etwas passieren wird, kündig sich lange vorher schon an. Doch was passieren wird, kann nun wirklich keiner ernsthaft vorhersagen.

 

Ach, wie unerfreulich! Da machen Lord Peter Wimsey und Oberst Fentiman noch fröhlich Witze über das Leben und dessen Ende, da kommt ihnen das Schicksal einen Schritt zuvor. General Fentiman sitzt im gemütlichen Sessel. Der Bellona-Club war sein bevorzugtes Domizil, um den Tag vorüberziehen zu lassen. Ab und zu mal ein Plausch über vergangene Kriege, das reicht ihm allemal. Doch nun ist er tot. Wie es scheint, schon länger. Und keiner hat’s bemerkt – jetzt schon!

Hat Wimsey eben noch Witze gemacht über seine detektivischen Fähigkeiten, friert ihm nun das Gesicht ein. Jetzt muss er beweisen, dass die Prahlerei ein paar Minuten zuvor durch folgende Taten gerechtfertigt war, wenn es denn kein natürlicher Tod war.

Seine Schwester muss noch informiert werden, auch wenn der alte General und sie seit Jahren nicht mehr miteinander sprachen. Tja, ein Toter ist wohl nicht genug. Lady Felicity Dormer ist ein paar Stunden zuvor friedlich eingeschlafen, bei dem Namen …

Lord Peter vermutet erst einmal gar keine Arbeit für sein detektivisches Gen. Doch nach und nach stellen sich die beiden Tode in einem ganz anderen Licht dar. Zwei Tote, erst die Lady, dann der General … Moment, so einfach ist die Sache dann wohl doch nicht! Ist wirklich Felicity zuerst gestorben? Und dann der General? Hat bei einem der beiden oder bei beiden zusammen jemand nachgeholfen?

Felicity hatte es nicht einfach in ihrem Leben. Die Familie war nicht reich und konnte nur einem der Kinder eine standesgemäße Ausbildung angedeihen lassen. Das war natürlich der Junge der Familie. Sie sollte reich verheiratet werden. Ob es ihr passte oder nicht. Doch das Schicksal hatte einen anderen Plan. Der Fabrikant Dormer schritt schnell zur Tat, machte aus Felicity Lady Dormer. Das alles ist lange her. Nicht ganz so lange wie der Zeitpunkt, an dem man den General lebend gesehen hat.

Lord Peter Wimsey kommt doch noch zu seinem sich selbst verliehenen Recht ermitteln zu dürfen. Zuerst einmal muss er herausfinden, wer den General wann auch wirklich lebendig gesehen hat. Das ist gar nicht so einfach. Die Erbfolge könnte ein wenig Aufschluss geben. Als ob das einfacher wäre…

Dorothy L. Sayers lässt im ehrwürdigen Bellona-Club, in dem manche Mitglieder sogar wohnen, nicht die Sektkorken knallen. Doch der Tote schlägt ein wie eine Bombe. Vorbei das leise Zeitungsrascheln, das genüssliche Whiskey-Gurgeln und die stilvollen Frotzeleien. Hier ist schließlich ein Mord geschehen! Ein Mord an einem Kriegsteilnehmer. Mit scharfem Wortwitz und rasiermesserscharfem Verstand schickt sie Lord Peter Wimsey ins Rennen, um den oder die Mörder – sofern es ihn/sie gibt – zur Strecke zu bringen. Wer jetzt noch glaubt, dass die Reichen alles tun, um sich irgendwie die Zeit zu vertreiben, liegt grandios daneben. Wimsey ist zwar adelig, doch tief im Innersten ist er ein Schnüffler par excellence.

 

Harriet Vane hat ihren Geliebten Philip Boyles ermordet! So lautet die Anklage. Und alles scheint so klar wie ein unberührter Bergsee zu sein. Die beiden lernten sich irgendwann im Jahr 1927 kennen. Sie war schon früh finanziell unabhängig, da sie als Schriftstellerin so genannter Kriminalgeschichten (Zitat des Richters) erfolgreich war. Philip war ebenfalls Autor. Ebenfalls Krimis. Die beiden lebten glücklich zusammen. Sie teilten sich den Freundeskreis und dieselben Gedanken. Als Harriet jedoch eine Heirat ins Spiel brachte, änderte sich das Verhältnis der beiden. Philip kommt es niemals in den Sinn seine Freiheit aufzugeben. Dies wäre der Fall gewesen, würde er Harriet den Ring an den Finger stecken.

Immer öfter stritten die beiden. So lautstark, dass die Nachbarn nicht umhin kamen, vor Gericht detailliert darüber berichten zu können.

Harriet verlässt das einstige Liebesnest. Philip zieht zurück ins elterliche Domizil. Beide Zufluchtsorte liegen zufällig im gleichen Stadtteil. So dass man sich hin und wieder trifft.

In den ersten Monaten des Jahres – und das gibt Harriet unumwunden zu – kauft Harriet Arsen. Um die Ratten zu vernichten. Glaubwürdig versichert ein Zeuge, dass es in dieser Gegend keine Ratten gibt. Jetzt wird die Sache schon spannender. Denn Harriet kauft das Gift – immerhin eine ziemlich beträchtliche Menge, mehrere Unzen – unter falschem Namen. Schon kurze Zeit später wird Philip immer öfter von Übelkeit geplagt. Er beschließt sich in die Sommerfrische zur Erholung abzusetzen, möchte sich aber vorher noch einmal mit Harriet treffen. Um das Gewissen zu beruhigen, Frieden zu schließen. Vielleicht ein versöhnliches Ende zu bekommen. Kurze Zeit später ist er tot.

Der Fall liegt auf der Hand. Harriet war gekränkt, wollte sich rächen, hat Gift gekauft, es ihm in Dosen verabreicht, und sie hat nun ihre Genugtuung bekommen. Schuldig. Gefängnis. Es gibt keinen klareren Kriminalfall. Klar wie ein Schweizer Bergsee.

Für Lord Peter Wimsey in Harriet, der in Harriet verknallt ist, ist der Bergsee aber eher ein trüber Tümpel, in dem man kaum ein paar Zentimeter in die Tiefe schauen kann. Klar, die Fakten sprechen gegen die Angebetete. Es wird ein harter Weg Harriet aus den Klauen der Justiz herauszubekommen. Doch Lord Peter Wimsey wäre nicht Lord Peter Wimsey, der mit Charme, Ehrgeiz und Spürsinn sich in diesen Fall verbeißt wie ein hungriger Pitbull mit der Beute im Maul.

Dorothy L. Sayers schafft mit „Starkes Gift“ ein fast unlösbares Rätsel für ihren Schützling Lord Peter Wimsey. Mit der rosaroten Brille auf der Spürnase muss er seine Angebetete aus den Fängen der Ungerechtigkeit befreien. Man wünscht es ihm so sehr…

 

Was ist für einen Mordermittler schlimmer als keinen Verdächtigen zu haben? Zu viele Verdächtige! Lord Peter Wimsey will einfach mal raus, in die Natur, Urlaub machen. Der schneidige Schnüffler mit blauem Blut hat sich für Schottland entschieden. Ein bisschen Angeln, Golfen – was man halt in seinen Kreisen so macht. Als Unterkunft hat sich Lord Peter für eine Malerkolonie entschieden. Alles so ruhig hier, und die kreative Atmosphäre ist genau das wonach ihm der Sinn steht. Blöd nur, wenn einer der Kreativen umgebracht wird. Und der Täter ziemlich kreativ vorgeht. Jetzt ist des Lords eigene Kreativität gefragt.

Das schottische Galloway soll es also sein für Lord Peter Wimsey. Von dort kommen auch die originell frisierten Rindviecher, die mit dem originellen Pony. Wer Letzteres aus zoologischer Sicht betrachtet, ist mindestens genauso verwirrt wie Wimsey als er die Fährten des Verbrechens aufnimmt…

Mr. Campbell war ein Scheusal. Abends im Pub beleidigt er andauernd die Einheimischen, an seinen Künstlerkollegen lässt er kein gutes Haar. Und so mancher hat schon einmal laut ausgesprochen, was andere nur zu denken wagten. Wenn es ihn einmal erwischt, dann hat er selbst Schuld.

Im Pub hört Lord Peter Wimsey vom Unfall von Mister Campbell. Mit dem Wagen in den See gefahren. Und ertrunken. Um Zehn hat er dort noch gemalt. Um Zwei fand man ihn leblos im Wasser treibend. Wie war das doch gleich? Urlaub ist gleich Erholung? Naja, wenn man Lord Peter Wimsey heißt und aus lauer Menschenfreundlichkeit Morde aufklärt … für die meisten sieht Erholung anders aus. Doch dazu später.

Wimsey lässt sich den Weg zum Tatort erklären – für alle Leser, die den Weg gern nachvollziehen möchten, stellt das kein Problem dar: Denn am Beginn des Buches ist eine Karte abgebildet, die diesen Weg exakt mit dem Finger nachzeichnen lässt. Noch ein schwarzhumoriger Spruch und schon ist Lord Peter Wimsey nicht mehr der gebildete Aristokrat, sondern der gebildete Aristokrat mit der unbeirrbaren Spürnase.

Überhaupt macht es Dorothy L. Sayers dem Leser von Anfang an leicht, die Handelnden einfach zu identifizieren. Denn jedes Kapitel ist mit dem Namen eines Verdächtigen (fünf an der Zahl) oder eines Ermittlers überschrieben. Fast möchte man selbst eine Tafel beschreiben, um dann mit Strichen die Verbindungen zum Opfer zu skizzieren. Der mit den meisten (oder der mit den wenigsten?) Strichen, gewinnt. Ha, wenn es doch so einfach wäre!

Noch einmal zurück zur Erholung, die vermeintlich durch einen Mord zunichte gemacht wird. Natürlich lässt sich Lord Peter Wimsey seinen wohl verdienten Urlaub durch eine Missetat nicht verderben. Doch es gibt noch mehr Menschen, die den Erholungswert ihres Urlaubs durch diesen Mord erheblich steigern. Der Leser ist der Gewinner dieses Kriminalromans. Selten zuvor und noch seltener danach, hat es ein Krimi geschafft den Leser unmerklich von seinen Erholungsplänen abzubringen und den vermeintlichen Verlust spürbar zum Ausdruck zu bringen. Im Gegenteil. Mit jeder Seite, die man umblättert, taucht man in eine Welt ein, die man nach der letzten Seite mit einem guten (erholten) Gefühl wieder verlässt.

 

Harriet Vane kann sich nicht beschweren. Sie ist jung, attraktiv, erfolgreich. Ihre Krimis finden reißenden Absatz. Und dass sie mal vor Gericht stand, weil ihr Geliebter das Zeitliche segnete, war willkommene Werbung für ihre Bücher. Der Freispruch war die Kirsche auf der Sahne. Jetzt erholt sie sich erstmal von alle den Anstrengungen an der Küste im Südwesten Englands. Ein Taschenbuch, ein paar Brote, eine Kamera – das sollte genug Ausrüstung für eine ausgiebige Wanderung sein.

Und so wandert sie, bemerkt die glücklichen Tiere am Wegesrand, ist überwältigt vom Strand und den Wellen, die sich im Sonnenlicht spiegeln. Und sie wundert sich über die Gewohnheiten, die manche an den Tag legen, um sich in der Sonne zu erholen. Im Anzug! Ist doch lächerlich. Oder doch nicht? Warum liegt der da so angezogen rum? Da stimmt doch was nicht. Und schon ist Harriet Vane mit in einer Kriminalgeschichte, die selbst sich nicht besser hätte ausdenken können. Ein sauberer Schnitt – von Ohr zu Ohr. Das überlebt keiner…

Dorothy L. Sayers gibt in der Einleitung dem Leser einen entscheidenden Hinweis. Im Vorgängerroman „Fünf falsche Fährten“ war die Landschaft Ideengeber für die Handlung – hier ist es umgekehrt. Alles ausgedacht: Die Orte, die Menschen, die Landschaft. Alles nur mit dem Ziel dem Leser den Thrill zu geben, den er nie zu erfahren hoffte. Natürlich ist Lord Peter Wimsey die treibende Kraft in diesem Krimi der Extraklasse. Es wird ihm aber so schwer gemacht wie noch nie. Es gibt einfach keinen Hinweis auf den Mörder. Gibt es überhaupt einen Killer? Er will Harriet helfen, wie schon einmal. Doch die Hilfe scheint schon im Anfangsstadium immer wieder zu verpuffen. Es ist zum Haare raufen.

Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis verrät die Krux dieses Falles. Alle – alle! – können Zeugnis ablegen. Der erste Barbier, der zweite Barbier, der dritte auch. Die Schlange, der Sand, der Fischer, das Bügeleisen, der Polizeidirektor und und und . Sie alle legen Zeugnis ab. Und trotzdem soll es keinen Täter geben? Das ist schon allein physikalisch unmöglich. So eine These im Land von Isaac Newton, der einwandfrei bewiesen hat, dass jede Aktion eine entsprechende Reaktion zur Folge hat…

Wer „Zur fraglichen Stunde“ gelesen hat, wird sich schwer tun schon am nächsten Tag einen weiteren Krimi zu lesen – es sei denn er ist aus der Feder von Dorothy L. Sayers. Er ist ein für allemal dazu verdammt jede folgende Zeile mit diesem Meisterwerk zu vergleichen. Es werden viele tränen fließen, so viel steht schon mal fest.

 

Lord Peter Wimsey sitzt bei seinem Schwager in einem äußerst bequemen Sessel. Und berichtet ihm von einem vermeintlichen Verbrechen. Denn so genau ist das noch nicht klar … ob es tatsächlich ein Verbrechen gab. Ein Mr. Dean ist die Treppe in seiner Firma hinuntergepoltert und am Ende der Stufen war er tot. Oder vielleicht war er vorher schon tot und wurde / ist dann die Stufen heruntergefallen. Jedenfalls findet man am Fuß der Treppe ein Schmuckstück. Offensichtlich angeschlagen. Kurz zuvor fand die Hausdame dort einen Kieselstein. An einem Ort, der vor Reinlichkeit nur so strotzt?

Die Tatsache, dass Mr. Dean seinem Chef, Mr. Pym, einen Brief schriebe, der auf Unregelmäßigkeiten hinwiese, lässt den Verdacht erhärten, dass der Treppensturz nicht ganz zufällig war. Die Werbeagentur, Pym Ltd., steht ganz gut da. Die Kollegen leisten gute Arbeit und sind eine Lästerhaufen par excellence.

Das merkt auch Mr. Bredon. Der ist der Nachfolger von Mr. Dean. Vom Alten, also Mr. Pym, persönlich eingestellt. Die Kollegen zerfetzen sich prompt das Maul über ihn. Keiner kennt ihn. Niemand weiß auch nur ansatzweise irgendetwas über den sonderbaren Neuling, der den exakten Mr. Dean nun ersetzen soll. Und dann stellt der auch noch so viele Fragen…

Lord Peter Wimsey ist also nun bei Inspector Parker zuhause und erzählt ihm von dem merkwürdigen Fall. Besonders viel kann er nicht erzählen, spekulieren hingegen kann er hinreichend. Worüber er jedoch am meisten sagen kann, ist dieser ziemlich seltsame Mr. Bredon, Death Bredon. Denn der ist … in Wahrheit … Lord Peter Wimsey. Ja, der adelige Freizeitdetektiv geht arbeiten. Seine Schwester, die mit Inspector Parker verheiratet ist, kann sich eines vielsagenden Grinsens nicht erwehren. Was zählt, ist aber die Tatsache, dass da in einer Firma mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit ein Mann unfreiwillig den Tod gefunden hat. Und der Täter wohl noch frei rumläuft. Und Scotland Yard ohne Wimsey nicht mal abschätzig mit der Schulter zucken würde.

Werbung für einen Mord? Dorothy L. Sayers lässt im achten Fall für den sympathischen Adeligen Lord Peter Wimsey kein Klischee der Werbebranche aus. Dennoch ist „Mord braucht Reklame“ keine Komplettabrechnung mit der Verkommenheit der Zeit, sondern das Buch bleibt das, was es sein soll, muss und ist: Ein lupenreiner Krimi, der einen in eine Welt hineinzieht, die man am besten im weichsten Lesesessel der Welt inmitten einer Welt aus Büchern genießt während draußen der Wind die Blätter von den Ästen fetzt und Bäume ins Schwanken bringt. Da weiß man, was man hat!

 

Silvester am Nachmittag. Lord Peter Wimsey und sein Butler Bunter sind unterwegs. Das stimmt nicht ganz. Das „unterwegs“ ähnelt mehr einer Suche. Suche nach Hilfe. Denn hier ist – wo sie jetzt sind: Schnee und Nebel um sie herum, dazu dieser beißende Wind – nichts. Bis der Glockenschlag Zivilisation verheißt. Sie stapfen dem hellen Glockenklang entgegen. Im Dorfpub treffen sie auf Pfarrer Venables, der ihnen prompt Hilfe anbietet. Wimseys Wagen liegt im Graben, die Achse verbogen, an ein Weiterfahren ist nicht zu denken.

Im Handumdrehen sind Wimsey und Venables in ein Gespräch über das Glockenspiel vertieft. Für Ungeübte sind die Regeln des Glockenspiels wie die vom Cricket – macht Sinn, aber bis man dahinter steigt, dauert’s halt ein bisschen. Es dauert hingegen nicht lange bis Lord Peter Wimsey vom Pfarrer um einen Gefallen gebeten wird.

Das Glockenläuten zum Jahresausklang steht an. Leider ist einer wegen Grippe ausgefallen. Ehrensache für den Blaublüter hier einzuspringen. Er hilft, wo er kann. Viel zeit bleibt nicht, um den stundenlang Glockenalgorithmus einzustudieren. Doch Wimsey ist willens sich vollkommen einzubringen.

Was so bedauerlich anfing – der Lord war auf dem Weg zu einer Einladung – und dann so freundlich einen zufrieden stellenden Fortgang nahm, endet bald schon in einer Katastrophe. Denn auf dem Friedhof der ansonsten so beschaulichen Gemeinde liegt ein Toter … zu viel. Niemand kennt ihn. Keiner weiß wie er dorthin kam. Und natürlich war es aus niemand, der den Mann so endgültig ins Jenseits beförderte. Aus der Ausfahrt in den Osten Englands, mit Zwischenstopp bei freundlichen Dorfbewohnern wird für Lord Peter Wimsey, Hobbydetektiv aus hehren Beweggründen, ein kniffliger Fall, der mehr mit dem erzwungenen Intermezzo zu tun hat als ihm anfangs klar ist. Denn die Glocken geben schließlich mehr über den Mord preis als nur ein bim-bam…

Dorothy L. Sayers macht mit dem Leser einen Ausflug in die Kulturgeschichte Englands – das Glockenspiel ist hier mehr als nur ein melodischer Ohrenschmaus. Hier sind fast schon wissenschaftliche Kenntnisse erforderlich. Und beim Krimischreiben und Mörderraten sind Englands Phantasien die Basis aller literarisch beschriebener Grausamkeiten. Und mittendrin ein Lord, der zwischen den Welten schwebt. Elegant, brachial und ein Muss für jeden Krimifan!