Bruno Courrèges – Perigord

01 Bruno Chef de police

Bruno Chef de Police ist der Beginn einer neuen Krimireihe bei Diogenes. Nun gesellt sich also noch ein Kommissar zu Brunetti in Venedig und Guarnaccia in Florenz hinzu. Bruno heißt eigentlich Benôit Courrèges. Und er ist in dem 2.900 Einwohner zählenden Örtchen Saint-Denis im Périgord, einer Region im Südwesten Frankreichs, die die meisten nur noch aus der Werbung der 80er Jahre kennen.

In Saint-Denis lebt man ein beschauliches Leben. Man lässt sich von nichts und niemandem etwas vorschreiben. So war es und so hat es immer funktioniert. Und wenn einmal ein paar EU-Kommissare vorbeischauen, um den Einwohnern zu erklären wie der Hase jetzt läuft, hört man ihnen zu. Doch sobald diese wieder weg sind, hat man auch schon vergessen, warum sie eigentlich hier waren. Da werden auch schon mal gern die Reifen der Beamten zerstochen oder eine Kartoffel in den Auspuff gesteckt. Bruno kennt die Übeltäter, doch er unternimmt nichts dagegen. Man bleibt halt gern unter sich und lässt den lieben Gott einen guten Mann sein. Da gibt es außerdem die verrückte Engländerin Patricia mit ihrer Freundin Christine. Letztere schreibt gerade an einer Arbeit über die Resistance. Und nicht zu vergessen, die beiden Streithähne Bachelot und Jean-Pierre. Beide waren aktiv in der Resistance, kämpften aber auf verschiedenen Seiten. Seit sechzig Jahren sprechen sie nicht miteinander, prahlen jedoch die Ehe des anderen damit zerstört zu haben, dass sie mit der Ehefrau des jeweils anderen geschlafen zu haben.

Der ach so alltägliche Trott wird jäh unterbrochen als Karim, der arabisch-stämmige Besitzer eines Cafés Bruno zum Tatort eines abscheulichen Verbrechens führt.

Hamid, der Großvater Karims und der Vater des Lehrers Momu wurde entsetzlich ermordet. Der geschundene Leichnam wurde zusätzlich mit einem Hakenkreuz geschändet. Der Verdacht fällt schnell auf zwei ortsansässige Jugendliche. Im Laufe seiner Ermittlungen – eigentlich ist er raus aus dem Geschäft, doch die übergeordnete Behörde kann nicht auf Brunos Erfahrungen, Gewandtheit und Ortskenntnis verzichten – stoßen eine weitere Tür auf. Den Deutschen wird oft nachgesagt, dass sie ihre Geschichte nicht ordentlich aufgearbeitet hätten. Doch auch in Frankreichs Historie gibt es mehr als einen schwarzen Fleck. Denn der Ermordete war mehr als nur Opfer.

Martin Walker ist von Hause aus Journalist und hat auch schon so manchen Preis eingeheimst. Mit der Figur des Bruno schafft er eine faszinierende Welt, die so weit weg scheint und doch so nah ist. Behutsam führt er den Leser in die Landschaft und deren Bewohner ein. Schwärmend lässt er Bruno die einheimischen lukullischen Kostbarkeiten genießen. Sachlich analysiert er die Geschichten der Geschichte und deckt Schweinereien auf, die man in einer so traumhaften Umgebung nicht vermuten möchte. Spannend webt er ein Geflecht, aus dem man nicht ausbrechen kann.

02 Grand Cru

Im zweiten Fall von Martin Walkers Bruno Courrèges geht es um Frankreichs Heiligtum, den Weinanbau. In Saint-Denis brennt es. Ein Labor steht in Flammen und ein schnöseliger Amerikaner wirft mit Geld um sich und macht dem Bürgermeister „ein Angebot, der er nicht ablehnen kann“. Fernando Bondino – so sein Name – verspricht in der Region eine achtstellige Summe in den Weinbau zu investieren. Das Know how hat er, denn ihm gehört ein weltweit operierendes Weinimperium. Dem Bürgermeister geht das Herz auf. Doch es regt sich Widerstand. Auf der einen Seit will der Bürgermeister, dass es seiner Stadt gut geht. Und mit den Millionen des Amerikaners ist die Stadt auf Jahre hinaus auf der Sonnenseite des Lebens. Andererseits ist das Weinimperium nicht gerade für Qualitätsweine bekannt.

Umweltaktivisten gehen auf die Barrikaden. Und dann ist da noch die schöne Jacqueline, die dem Öko-Weinbauer Max schöne Augen macht, was dem sehr zu pass kommt. Denn auch er hat ein Auge auf die kanadische Schönheit geworfen. Sie hat in Kalifornien Weinbau studiert. Doch was wäre ein Krimi ohne Leiche. Martin Walker kann gleich mit zwei menschlichen und einer tierischen aufwarten. Max und sein Adoptivvater sind tot. Der alte Cresseil hat eine klaffende Wunde. Max liegt tot im Weinfass.

Bruno sammelt die Fakten zusammen, kann sich jedoch keinen so rechten Reim darauf machen. Immer wieder verlaufen seine Recherchen im lehmigen Boden des Pèrigord. Erst ein Familiengeheimnis, dass Bondino mit Jacqueline in Verbindung bringt, öffnet ihm die Augen.

Martin Walker Figur des Bruno Chef de Police bekommt in „Grand Cru“ nach und nach unverwechselbare Züge. Er lässt SEINEN Dorfpolizisten, dem diese Bezeichnung bei weitem nicht gerecht wird, über Wein philosophieren. Auch scheint Bruno ein begnadeter Koch zu sein. Isabelle, die Liebe aus dem ersten Roman „Bruno Chef de Police“ hat wieder einen kurzen Auftritt. Die Liaison zwischen ihr und Bruno scheint aber nun endlich am Ende zu sein. Sie will in Paris Karriere machen, er ist lieber der Fürst im kleinen Reich. Walkers Tätigkeit als Vorsitzender des Global Business Policy Council erlaubt ihn einen tieferen Einblick in die Geschäftswelt und die Machenschaften der Manager dieser Welt. So kann er mit fundiertem Wissen und dem seiner einmaligen Art zu schreiben, eine Stimmung erzeugen, die große Zusammenhänge darstellt. Mit viel Fantasie kreiert er einen Krimi. Genreübergreifend kann „Grand Cru“ als Reiselektüre mit Lokalkolorit angesehen werden. Schlussendlich verführen die detailreichen Schilderungen der stattfindenden Diners wie ein erstklassiges Kochbuch.

03 Schwarze Diamanten

Auch im Paradies gibt’s manchmal Ärger. Und so muss Bruno Courrèges die aufgebrachte Menge vor den Toren des Sägewerkes beschwichtigen. Das soll geschlossen werden. Der Eigentümer, Boniface Pons, ist nichts weniger begeistert, dass er schließen muss. Die Gesetze machen ihm einen Strich durch die Rechnung. Alle Aufschübe haben nichts genützt – das Werk wird geschlossen. Einer der Rädelsführer gegen die Fabrik ist Guillaume, genannt Bill, mit Nachnamen Pons. Er ist der Sohn (und auch das schwarze Schaf der Familie) des Sägewerkbetreibers.

Nach dem Gedränge und der Aufruhr im beschaulichen Saint-Denis widmet sich Bruno einmal mehr seiner Leidenschaft. Essen, Genießen, Trinken, den Herrgott einen guten Mann sein lassen. Außerdem möchte Hercule Vendrot ihn sprechen. Hercule ist ein sehr guter Freund, der in der Nähe wohnt. Hercule und Bruno sind begeisterte Trüffelsammler. Hercule führt sogar ein Journal, in dem alle auf dem Markt verkauften Trüffeln vermerkt sind. So bleibt der Markt übersichtlich und rein. Denn asiatische Kopien drängen auf den Markt und verwässern das Image des Perigord-Trüffels. Hercule erzählt Bruno von Gerüchten, die besagen, dass die Asiaten Unmengen von Trüffeln nach Frankreich exportieren. Auch Bruno geht ab und zu auf die Suche nach den schwarzen Diamanten. So ein kleiner Bonus … an der Steuer vorbei … und außerdem schmeckt’s. Und nun das: SEIN Trüffel ein Massenprodukt? Nein das geht nicht!

Auf dem Markt muss Bruno einen Anschlag vereiteln. Es gelingt ihm nur bedingt. Der Stand von Vinh, einem Vietnamesen wird abgebrannt. Unbekannte Asiaten haben einen Brandanschlag verübt. Einen Attentäter kann die Polizei schnappen. Der schweigt aber wie ein Grab. Einige Zeit später wird ein weiterer ähnlicher Anschlag verübt. Wieder ist das Opfer ein vietnamesischer Händler.

Bei einem Jagsausflug machen Bruno und sein Freund der Baron eine erschreckende Entdeckung: Hercule wurde gefesselt an einem Baum aufgehängt, bestialisch gefoltert. Jean-Jacques Jalipeau von der Police nationale wird hinzugerufen. Bruno und er kennen sich. Schnell steht fest, dass Hercule mehr als nur ein geachtetes Mitglied der Gemeinde war. Als so genannte Barbouze bewegte er sich als Agent zwischen den feindlichen Linien. Unterwanderung von Organisationen, Aufbau von Partisaneneinheiten und Mordanschläge gehörten zu den Aufgaben dieser geheimen Brigaden. Sie operierten in Indochina, Algerien und gegen die OAS, die unter anderem militärisch gegen die Freigabe Algeriens kämpfte. Die Zeit drängt. Im Testament hat Hercule Bruno das Trüffeljournal und seinen Landrover vermacht. Das kommt dem Chef de Police sehr gelegen, da sein Transporter bei dem ersten Anschlag erst als Fluchtwagen diente und dann um einen Baum gewickelt wurde. Bandenkrieg oder wirtschaftliche Interessen? Was steckt hinter den Anschlägen und dem feigen Mord an Hercule? Gibt es überhaupt einen Zusammenhang?

Unerwartete Hilfe bekommt Bruno von Isabelle, einer sehr engen Freundin, die schon im ersten Bruno-Roman „Bruno, Chef de Police“ dem resoluten Polizisten den Kopf verdrehte.

Bis jetzt hat Bruno schon einiges zusammengetragen: Hercule war mit einer Vietnamesin verheiratet. Seine Tochter, so sie denn gefunden wird, ist die Haupterbin. Falls sie nicht gefunden wird, bekommt das Geld eine Stiftung, die sich um frankreichtreue Vietnamesen kümmert. Und Bruno hat inzwischen auch erfahren,  dass Boniface Pons es auch schon einmal mit der Trüffelzucht probiert hatte. Wegen finanzieller Schwierigkeiten legte er aber dieses Projekt ad acta. Um dem Mörder Hercules näher zu kommen, muss Bruno eine Allianz mit undurchsichtigen Geschäftsleuten eingehen.

Und dann ist da noch Pons junior, der sich um den Posten des Bürgermeisters bewirbt. Als Grüner, der mit den Sozialisten gemeinsame Sache machen will. Wieder einmal Wahlkampf. Wieder einmal ein Mord.

Und wieder einmal schafft es Martin Walker mit Geduld, Entspanntheit und Sachkunde französische Geschichte, savior vivre und kriminalistisches Gespür aus äußerst spannende Weise zu verbinden. Wenn Bruno sein Ermittlerteam zum Essen einlädt, ist es eine Liebeserklärung an die ländliche Küche des Perigord. Wenn ein Rugbymatch ansteht, fühlt man sich wie in der ersten Reihe am Spielfeldrand. Wenn Bruno ermittelt, lässt er den Leser teilhaben am Ermittlungserfolg. Wenn Martin Walker über die Geschichte der Grand Nation erzählt, heben sich automatisch alle Köpfe vom Pult.

04 Delikatessen

Das Städtchen Saint-Denis ist fiktiv, das Perigord, in dem es liegt real. Bruno Courrèges, Chef de Police in Saint-Denis ist fiktiv, die ETA leider real. Und Martin Walker hat es sich zur Aufgabe gemacht Fiktives vor realem Hintergrund ablaufen zu lassen. Und das mit gespannter Präzision!

In seinem vierten Fall hat Bruno Courrèges alle Hände voll zu tun. Zum einen das Alltagsgeschäft: PETA-Aktivisten haben Gänse freigelassen, um auf die nicht gerade schonende Art hinzuweisen wie foie gras, die leckere Gänseleberpastete, hergestellt wird.

Zum anderen muss er sich um die Vorbereitungen eines Gipfeltreffens spanischer und französischer Sicherheitsexperten und Politiker kümmern. Denn die Konferenz ist ein potentielles Ziel terroristischer Angriffe.

Die dritte Baustelle ist wirklich eine. Denn bei archäologischen Ausgrabungen (die Martin Walker so wahrheitsgetreu wie möglich schildert, auch wenn sie erfunden sind) wurde eine Leiche gefunden, die unmöglich schon mehrere tausend Jahre da liegt. Die Armbanduhr ist das erste Zeichen dafür. Die später gefundene Patronenhülse beweist die Theorie und deutet auf Mord hin. Der Ausgrabungsleiter Horst Vogelstern hat eine bunte Truppe Studenten unter seinen Fittichen. Teddy aus Wales, Kajte aus Holland, Kasimir aus Polen. Sein bester Freund ist der Hufschmied von Saint-Denis, Jan. Und der kommt aus Dänemark. Europa trifft sich im berauschenden Perigord.

Vor dem Hintergrund, dass die ETA, die baskische Separatistenorganisation, sich ein neues Rückzugsgebiet in Frankreich sucht, passt die Meldung, dass im nahegelegenen Steinbruch Dynamit gestohlen wurde. Bruno muss fortan auf mehreren Hochzeiten tanzen.

Doch wie immer gelingt ihm das scheinbar spielend. Um ihm und dem Leser kleine Pausen der Entspannung zu gönnen, baut Martin Walker Kochpausen ein, in denen sein Hauptakteur geschickt mit den Errungenschaften des Bodens jongliert.

Denn zuerst verschwindet der Ausgrabungsleiter, dann sind auf einmal einige der Studenten verschwunden. Auf eine wird sogar geschossen. Kajte war „nebenberuflich“ PETA-Aktivistin. Bei seinen Recherchen stößt Bruno längst verschlossen geglaubte Türen wieder auf. Teddy und Vogelstern hüteten beide jeweils ein Familiengeheimnis, das beide miteinander verbindet.

„Delikatessen“ zeigt zum einen auf, dass man nicht ungestraft die Herstellungsmethode von foie gras beanstanden darf. Zum anderen ist es der bisher anregendste Appetitmacher für das Perigord. Die ausführlichen Landschaftsbeschreibungen – Martin Walker verbringt einen Großteil des Jahres dort – laden mit abrupter Wirkung zum Urlauben ein. Krimi, Kochlehrbuch, Reisebuch – alles in einem. Und es ist eine der sichersten Reisegegenden der Welt – schließlich gibt es Bruno Courrèges, Chef de Police. Der hat bis jetzt jeden Fall gelöst…

05 Femme fatale

Chef de police und lukullischer Heimatliebhaber Bruno liebt es in seinem Saint-Denis dem Chor bei den Proben zuzuhören. Dann ist für ihn die Welt in Ordnung. Da lässt er sich gern fallen. Doch ein Mord reißt auch ihn aus der idyllischen Mußestunde. Eine blonde Frau treibt nackt und anscheinend tot auf einem Kahn auf dem Fluss umher. Vorbei die Ruhe, vorbei die Erinnerungen an weitaus schönere Zeiten.

Brunos Ermittlungen führen ihn – wieder einmal – in die jüngere Geschichte Frankreichs. Denn die Tote stammte aus einem Adelsgeschlecht der Umgebung, deren Vorfahren mit ihrem blauen Blut eine rote Gesinnung hatten. Die Großmutter der Toten wurde von De Gaulle persönlich mit einer der höchsten Auszeichnungen geehrt. Eine Mauer aus Schweigen und Lügen baut sich vor dem kräftigen Polizeichef auf. Doch Bruno wäre nicht Bruno, würde er nicht auch diese Klippen raffiniert zu umschiffen wissen.

Der fünfte Fall des sympathischen Chef de police im beschaulichen Perigord macht aus einem verzwickten Kriminalfall eine Sommerferien- Abenteuergeschichte: Herumstromern in Flüssen und Höhlen, Geschichte am eigenen Leib erfahren und ein neues Haustier für Bruno, das garantiert in den kommenden Romanen weiter seine Rolle spielen wird. Die ersten vier Romane der Bruno-Reihe waren – so scheint es fast – nur Aufwärmrunden. Mit „Femme Fatale“ dreht Martin Walker so richtig auf. Er und sein Held Bruno sind angekommen im Perigord. Die Beschreibungen werden exakter und nicht mehr so hervorgehoben wie zu vor. Fans und Neueinsteiger sind sofort im Bilde.

Apropos Sich-Heimisch-Fühlen-Im-Perigord: Jedem Buch liegt ein kleines, von Martin Walker gestaltetes Reiseheft über das Perigord bei. Darin gibt er exzellente Urlaubstipps, und gestaltet eine einzigartige Reise.

06 Reiner Wein

Das halbe Dutzend ist voll: Zeit für Bruno, chef de police von Saint-Denis im Périgord sich einer neuen Aufgabe zu widmen. Und die heißt Balzac. Nein, er sucht nicht Zerstreuung in den Schriften des großen Kollegen seines geistigen Vaters. Balzac ist ein Basset, der neue beste Freund von Bruno. Ihn zu erziehen, wird kein Leichtes. Denn viel lieber scheucht er das Federvieh herum, als es vor Bedrohungen zu beschützen. „Das muss man ganz gefühlvoll und geduldig angehen“, weiß Bruno seine neue Herausforderung zu deuten. Auch der Ausbau des Hauses geht gut voran. Mit Solarpaneelen, ganz umweltgerecht und auch chic.

Doch Bruno kommt nicht weit bei der Erziehung am Morgen. Pater Sentout berichtet ihm am Telefon vom Tode Murcoings, einem der verschrobenen Alten, die ihren Alltag mit Pferdewetten versüßten. Eigentlich kein Grund, um die Polizei zu rufen. Doch Murcoing hielt in seinen kalten Händen eine Vichy-Banknote, monetär kaum etwas wert. Doch aller Wahrscheinlichkeit stammt sie aus einem Raub der Résistance. Dessen Wert würde heutzutage einem mittleren dreistelligen Eurobetrag entsprechen. Es ist wie mit Balzac: Alles ganz normal. Gut zu tun, aber nicht übermäßig. Doch dann klingelt erneut das Telefon. Bei einem der Ausländer im Ort wurde eingebrochen.

Vielleicht die Fortsetzung einer Einbruchsserie? Zuvor wurden schon zwei Ferienhäuser professionell ausgeraubt. Jack Crimson, Engländer, hat das Haus wieder ordentlich in Schuss gebracht, er stiftet Preise bei Tennisturnieren und ist ein angenehmer Zeitgenosse, mit dem Bruno auch schon so manche launige Stunde verbracht hat.

Da hat man gerade mal zehn Prozent des Buches gelesen und schon gibt es eine Leiche inkl. einer kurzen Geschichtsstunde, einen Einbruch und eine neue Figur bei Martin Walker. Und natürlich die liebevolle Beschreibung des Périgord. Weiterlesen wird da schwer, man möchte lieber Koffer packen. Oder doch weiterlesen? Klar, hier ist doch schließlich was im Busch! Zurück zum Einbruch. Auch wenn der Eigentümer nicht anwesend und nicht erreichbar ist, war er – auf Brunos Anraten – sehr sorgsam in Hinsicht auf seine Besitztümer. Der ehemalige Staatsbeamte/Geheimdienstler Crimson hatte alles dokumentiert. Die Teppiche, die wertvollen Möbel und auch die Weinsammlung. Und wieder ein Anruf. Mord. Francis Fullerton handelte in England und Frankreich mit Antiquitäten. Nun liegt er blutüberströmt unter der Sonne des Périgord.

Martin Walker schreibt nicht einfach nur Krimis. Er webt mit diebischer Freude ein Geflecht aus echter Heimatliebe, Besinnung auf die eigenen Wurzeln, genialem Verständnis für Geschichte und der Zuneigung zu den Zutaten des Lebens einen Wortteppich, auf dem man davonfliegen kann.

07 Provokateure

Ein idyllisches Land im Südwesten Frankreichs, das Périgord. Das weiß der Leser seit ein paar Jahren. Hier ist die Welt in Ordnung. Der Wein gedeiht, Trüffel erfreuen den Gaumen von Einheimischen wie Touristen, es ist das Land der Delikatessen. Ab und zu erschüttert ein Verbrechen die Idylle, doch Bruno, der akribisch und verbissen ermittelnde Polizist von Saint-Denis kommt jedem auf die Spur.

Des Nachts wird er unsanft aus seinen Träumen gerissen. Ein besonderer Klingelton. Ein Mann wurde ermordet. Verbrannt im eigenen Fahrzeug. Ein Messer wurde ihm vom Kinn ins Hirn gerammt. Profiarbeit. Bruno gefällt die Sache nicht. Hier in seinem Revier so ein abscheuliches, abgebrühtes Verbrechen. Da kommt wohl eine Menge Arbeit auf ihn zu. Ein Mail von einem ehemaligen Friedenscorps-Kameraden, der gerade in Afghanistan Dienst tut, macht es auch nicht besser. Denn auf seinem Stützpunkt ist Sami Belloumi aufgetaucht. Ein Junge aus Saint-Denis, der behauptet Bruno zu kennen. Das angehängte Bild beweist es. Sami ist in Afghanistan. Sami ist Autist. Sollte eigentlich in eine Sonderschule in einer Moschee in Toulouse gehen. Warum ist der Junge am Hindukusch?

Bruno beschließt Momu, den Mathematiklehrer aufzusuchen. Der ist Sami Onkel und Adoptivvater. Vor der Schule fällt Bruno ein Lieferwagen auf. Sind wohl Handwerker. Als er die beiden „Handwerker“ in der Schule antrifft, geht einer der beiden zum Angriff über, während der Andere Bruno mit einem Viehtreiber zu Boden streckt. Bruno scheint auf der richtigen Spur zu sein…

Durch den „Zwischenfall“ ist jede Menge Schreibkram auf Brunos Schreibtisch liegengeblieben. Darunter auch ein Brief aus Pairs, von einem Anwalt, in der Gemeinde Saint-Dies ein durchaus respektables Erbe angekündigt wird. In den Kriegsjahren waren hier zwei jüdische Kinder versteckt worden. Der Junge, inzwischen angesehener Arzt, sei vor Kurzem verstorben und möchte einen Teil seines Vermögens aus Dankbarkeit der Stadt vermachen. Verbunden mit der Auflage ein Gedenkzentrum zu errichten. Bruno, der hier aufgewachsen ist, kennt derartige Geschichten nicht. Noch ein Geheimnis, das gelüftet werden muss.

Auch Sami trägt ein Geheimnis mit sich. Bei seiner Rückkehr sind die Narben der vergangenen Zeit nicht nur sprichwörtlich sichtbar: Sein Rücken ist übersät mit Narben. Darüber sprechen wird er wohl nie. Zu alledem kommt auch noch eine politische Komponente ins Spiel: Anhand von Fingerabdrücken sind die Amerikaner der Meinung, dass Sami der „engineer“ ist, ein berüchtigter Bombenbauer. Bruno, der so manchem Kleinganoven Respekt einflößt, Mördern wegen seiner Schnüffelnase das Fürchten lehrt, steht nun seiner größten Herausforderung gegenüber.

Entführung, Holocaust und Heiliger Krieg: Bruno ist wirklich nicht um seine Arbeit zu beneiden. Doch Martin Walker gibt seinem Ermittler die nötige Ruhe, um angemessen zu reagieren. Immer gewürzt mit einer Brise französischer Küche und dem für Bruno unvermeidlichen Hang zum weiblichen Geschlecht.

 

08 Eskapaden

Was für eine Party! Bruno, chef de police von Saint-Denis im Périgord, ist bei Jean-Marc Desaix eingeladen. Auf dessen Schloss. Mit illustren Gästen aus Politik und vom Militär. Doch das alles fasziniert den Ermittler nicht im Geringsten. Vielmehr die Tatsache, dass er dem Idol seiner Jugend gegenüberstehen und ihm die Hand schütteln darf. Denn Marco, wie ihn alle nennen, und der heute seinen 90. Geburtstag feiert, war ein echter Held. Als Kampfpilot war er für zahlreiche Abschüsse verantwortlich und der erste Franzose, der die Schallmauer durchbrach. Orden schmücken seine Brust, Russische (von Stalin angeheftet) und Französische (von de Gaulle angeheftet). Als kleiner Junge verschlang Bruno die Geschichten von Marco. Jetzt steht er hier, unterhält sich mit der roten Komtesse und den geladenen Gästen. Nur mit Pamela nicht. Sie ist mit Jack Crimson hier, dem vermeintlichen Spion – der einzige kühle Lufthauch an diesem Sommertag…

Am nächsten Morgen, Bruno hat die Party gegen Abend verlassen – ruft ihn der Bürgermeister an. Der ist immer noch auf dem Anwesen Marcos. Es gab einen Mord! Gilbert, der einstige Weggefährte von Victor, dem Sohn des Patriarchen Marco, hat sich im Suff erbrochen und ist daran erstickt. An sich keine große Sache, nur würde viel Aufsehen darum die Feierlichkeiten überschatten. Und wäre er nicht so schnell eingeäschert worden. Bruno kommen Zweifel. Ja, Victor war als großer Trinker bekannt. Fast pleite lebte er auf dem Anwesen. Und das obwohl seine Rente höher war als Brunos Einkommen, wie er feststellt, als er das Häuschen des Verstorbenen inspiziert. Victor und Madeleine, seine Frau sind da schon zugegen, um die Papiere durchzugehen.

Die Beziehung zu Pamela scheint sich dem Ende zu neigen. Bruno spürt so was. Sie will unabhängig sein, sich nicht binden. Aber sie will sich ein neues Pferd kaufen. Bruno soll ihr dabei helfen. Ganz nebenbei erfährt er, dass Jack Crimson und Pamela schon Pläne geschmiedet haben. Ein Ferienhof mit Pferden wäre doch ideal! Crimson hat da schon konkrete Pläne. Crimson, der hat sich doch angeregt mit Gilbert unterhalten, denkt sich Bruno und hat schon wieder Witterung aufgenommen. Gilbert war an diesem, seinem letzten Abend nüchtern, parlierte perfekt in Englisch und Russisch. Keiner der Befragten kann bestätigen, dass Gilbert übermäßig getrunken hatte. Und das obwohl ihn jeder als trinkfest, ja sogar als Alkoholiker, kannte. Bruno weiß, dass hier etwas nicht stimmen kann. Ein hoch dekorierter Fliegeroffizier, der in Moskau lebte und wirkte. Mit Beziehungen nach ganz oben. Ganz oben in mehreren Ländern! Und der bekannt war für sein ausschweifendes Leben, seine Eskapaden!

Imogène ist die dritte Baustelle. Die resolute Grünenpolitikerin und Umweltschützerin soll dazu gezwungen werden auf den Bestand in ihrem Wald zu achten. Die Tiere vermehren sich rasend schnell und verursachen Unfälle. Einer davon mit Todesfolge. Bruno ist in seinem Element: Viel zu tun, viele (familiäre) Verstrickungen und nur einer, der die Knoten lösen kann.

Martin Walker hat auch für den achten Band seiner Bruno-Reihe wieder in zahlreichen Büchern recherchiert. Die Verquickungen der Offiziere in die große Ost-West-Politik im Kalten Krieg, der so vielen nun ein warmes Heim erlaubt, Umweltschutzvorschriften und historisches Fakten, die weit zurückreichen, bilden die Basis für die Eskapaden der Protagonisten. Wiederkehrende Charaktere und ein Menge neuer Personen lassen den Leser einfach nicht absetzen bis er weiß welches Spiel gespielt wird, welche Verstrickungen zu den schrecklichen Ereignissen im wunderschönen Périgord führten.

 

Geschichtsstunde mal anders: In Saint-Denis sind die Pferde los! Bugatti schickt seinen Typ 35 aus dem Jahre 1928, Jaguar einen Mark 2, Porsche einen 356 Speedster, Citroën eine Traction Avant von 1938 etc. Klar, hier findet eine Rallye statt. Bruno Courrèges hat das alte Eisen der Umgebung gerufen und alle sind seinem Ruf ins Périgord gefolgt. Er selbst fährt einen alten Geländewagen. Keine Schönheit, aber ein Arbeitstier. So ist unser Bruno!

Überraschender Gast ist Sylvestre mit Freddy und seinem Bugatti Typ 35. Sündhaft teuer und der heimliche Star der Veranstaltung. Er ist im Périgord, um sein Erbe, ein kleines Häuschen wieder einmal in Augenschein zu nehmen. Er hatte es in Eigentumswohnungen umbauen lassen, doch jetzt gibt es Zoff mit einem Miterben.

Geschichtsstunde mal anders, Teil 2: Während der deutschen Besatzung wurden viele Elsässer in Périgord umgesiedelt.

Während der Prozession der historischen Karossen wird von Bruno höchstpersönlich angeführt. Bis er zu einem Todesfall gerufen wird. Henri Pierre Hugon, fast 75, rastloser Rentner, wurde von seiner Frau tot aufgefunden. Sie war für ein paar Tage verreist und er machte sich eine schöne Zeit und konnte seinen Forschungen – seine Frau weiß nur, dass es irgendwas mit Krieg und der Résistance zu tun hat – nachgehen. Natürliche Todesursache soll es sein, doch Bruno zweifelt… zu viel Unordnung für einen Pedanten.

In der Zwischenzeit ist die Rallye im vollen Gange. Und Bruno muss Co-Pilot sein, dem Fahrer bzw. der Fahrerin, die Strecke diktieren. Am Ende der „Fahrt“ schlottern ihm die Knie. Handfester hingegen sind die Indizien, dass Hugon doch nicht eines natürlichen Todes gestorben ist. Er forschte im Auftrag eines spendablen Gönners. Es geht um Steuerhinterziehung im großen Stil, das teuerste Auto der Welt und dessen Verschwinden vor langer Zeit…

Martin Walker konstruiert eine Geschichte, die so passiert sein könnte. Die historischen Fakten hat er – ja, man kann es schon in Walkerscher Manier nennen – detailgenau zusammengetragen und mit einer stimmigen Handlung versehen.

Der Neue im Ort ist zwielichtig. Von der anfänglichen Sympathie für Sylvestre, beruhend auf dem beeindruckenden Wagen, den er mit sich führt, knabbert die Lesezeit immer mehr Stückchen ab. Auch Bruno kann sich immer mehr mit dem Gedanken anfreunden, dass Sylvestre nicht zu seinem engsten Freundeskreis gehören wird. Nicht wissend, dass sich diese Frage bald schon nicht mehr stellen wird.

Was als Jagd um exakte Zeiten begann, endet schon bald in der Suche nach der Wahrheit – so was schlaucht. Und da helfen nur gutes Essen und ertragreiche Gespräche. Denn nicht immer führt der direkte Weg zum Erfolg. Bruno muss einmal mehr seine Gedanken um die Ecke führen, um ans Ziel zu gelangen.

Wer mit dem neunten Fall erst in die Reihe um den sympathischen Ermittler Bruno einsteigt, bekommt einen komplexen Eindruck von Saint-Denis, den Menschen, ihren Verbindungen untereinander und von Bruno selbst. Es ist fast schon zu spät – denn nun gilt es acht Vorgängerromane aufzuholen.

 

Eine Gemeinschaft zu erhalten, ist Sache aller. Sei eine Hochzeit oder die Organisation eines Sommercamps. Das Gesamtbild rundet dann noch eine historische Immobilie ab, die liebevoll restauriert wird. Das ist Saint-Denis im Pèrigord. Hier tut Bruno, chef de police alles in seiner Macht stehende die Gemeinschaft zu erhalten. Als Tennis- und Rugbytrainer ist er Respektperson, und keiner seiner Schützlinge kommt auch nur annähernd auf die Idee groben Unfug anzustellen.

So sieht er es, so erzählt er es auch Amélie, einer engagierten Polizistin, die großen Ambitionen hat einmal aufzusteigen. Die Idylle bekommt nun schon zum zehnten Mal Risse. Die bevorstehende Hochzeit zwischen Dr. Clothilde Daumier und Prof. Horst Vogelstern – beide bekannt aus dem „Schattenspiel“ von Martin Walker – ist das Ereignis der Saison. Alle sind eingeladen. Doch Bruno kann sich nicht richtig auf die Vorbereitungen – er soll eine Rede halten – konzentrieren. Denn auf dem Château Commarque wurde eine Leiche entdeckt. Eine junge Frau ist beim Klettern an der Fassade abgestürzt. Sie wollte wohl eine Graffito anbringen, das sich auf eine nicht bestätigte Aussage des Statthalters von Jerusalem bezieht, der behauptete haben soll, dass der Islam nicht zu Jerusalem gehörte. Dafür sicherten ihm und seiner Familie die Kreuzritter angeblich freies Geleit zu. Eine Legende, die jedoch bis heute ihre Krakenarme ausbreitet.

Ungewöhnlich ist die Haltung der jungen Frau. Sie ähnelt einer Kultfigur von vor Tausenden von Jahren. Auch dass die Sprühdose des unfertigen Graffitos nicht gefunden wird, macht Bruno stutzig. Sollten hier etwa die Templerfreunde ihr Unwesen getrieben haben? Sie haben in der Vergangenheit sehr hartnäckig die bevorstehenden Grabungen am Château beobachtet.

Auch der ausgewiesene Geschichtsexperte Auguste Dumesnil, der sich streng an Klosterregeln hält, weil er als Historiker und nicht als religiöser Mensch daran interessiert ist, weiß keinen Rat. Fakt ist, dass es hier eine Leiche gibt, ein Historiker grausam gefoltert wird, gewaltbereite Fanatiker sich still und leise auf Beobachtungsposten einigeln und Bruno wieder einmal seine Beziehungen spielen lassen kann.

Martin Walker vermischt eine gigantische Menge an Zutaten zu einem Krimi zusammen, der nicht nur Bruno-Fans schmeckt. Ein sagenumwobener Schatz scheint es dann doch zu sein, der die Gemüter aus aller Herren Länder in Wallung versetzt. Sollten sich die Mythen um diesen Schatz bewahrheiten, ist es bald aus mit der Ruhe in Saint-Denis. Mit der ihm eigenen Ruhe und Besonnenheit und der stoischen Hingabe zur regionalen Küche – wieder einmal wird der Leser auch kulinarisch aufs Beste verwöhnt – wird es Bruno schon richten.

 

So viele Frauen um Bruno herum! Auf dem Rugbyfeld gewinnt seine von ihm trainierte Mannschaft die Regionalmeisterschaft. Am Telefon meldet sich Pamela, seine alte Flamme. Doch so richtige Freude will sich einfach nicht einstellen. Denn Paulette, die einzige Spielerin, wird wohl kaum ins Nationalmannschafttraining eingeladen werden, wohl auch nicht ihre schulische Ausbildung weiter vorantreiben, sie ist schwanger. Nach dem Spiel klappt sie erschöpft zusammen. Und Pamela benötigt Brunos Spürnase. Eine Teilnehmerin ihres Kochkurses, Monica Felder, die extra aus England anreisen wollte, ist nicht erschienen.

Bruno kümmert sich. Monica Felder ist in Bordeaux gelandet, sogar einen Tag früher als erhofft (und einen Tag früher als die Pamela extra noch einmal bestätigte). Jetzt ist die überaus attraktive Frau, wie Bruno findet, verschwunden. Da Bruno jeden kennt, und auch Bruno jedermann bekannt ist, kommt er schnell in seinen Ermittlungen voran. Monica Felder hat den Zu genommen. Ihr Ticket wurde gescannt, auch das ihres Begleiters, Patrick James McBride. Bruno ist erstaunt. Wer ist das denn? Während eines Festaktes, Brunos Beförderung, klingelt erneut sein Telefon. Er solle schnell zum Hof von McBride kommen.

Im Haus von McBride liegt eine Frauenleiche, Monica Felder. An einem Baum hängt Patrick James McBride. Doppelselbstmord, der Abschiedsbrief liegt noch im Drucker. Fall gelöst? Bei Weitem nicht. Denn beide, Felder und McBride waren in einem sehr sensiblen Geschäftsfeld erfolgreich. Weltweite Sicherheitsdienstleistungen im weitesten Sinne. McBride besaß Waffen, deren Preis und Präzision sie Vorstellungskraft von Bruno übertrafen. Dass hier etwas Größeres im Gange ist, dazu gehört wenig Vorstellungskraft.

McBride, Brunos Nachbar und Ex-Spion Jack Crimson ist wie immer ein prall gefülltes Füllhorn an Informationen, ist gar nicht McBride. Er war Spion, der einst der IRA das Leben erschwerte. Der Mann, der einen Pass auf den Namen McBride benutzte, wurde vor Jahren im Irak bei einer nicht ganz so offiziellen Mission erschossen. Wer also ist der Mann, der verstümmelt an einem Ast baumelte? Und was hat er mit der deutschstämmigen Monica Felder zu tun? Ihr Mann, ebenfalls in Krisengebieten „im Einsatz“ liegt in den USA im Sterben. Sie weilt in Frankreich, um einen Kochkurs zu besuchen?

Martin Walker gibt Bruno eine neue Position mit mehr Befugnissen, mehr Zugriffen auf Datenbanken.  Doch nichts geht über den persönlichen Kontakt. Bits und Bytes, Tabellen und digitale Erfassung sind nützliche Dinge, wenn man eigene Vermutungen bestätigt haben will. Aber eigene Anstrengungen und Netzwerke bringen Bruno dazu einen Doppelmord aufzuklären, der weit zurückreicht und die Grenzen des Perigord bei Weitem überschreitet…

 

Ein kurzes Aufbäumen, ein kurzes Fauchen – und schon ist das Kätzchen, das gerade aus dem Brunnen geborgen wurde, verschwunden. Doch in dem Korb, den Bruno schnell organisierte, liegt noch jemand. Claudia Muller. Mitte zwanzig. Studentin der Kunstgeschichte. Tot. Und gerade zu Gast in der Gegend bei Monsieur de Bourdeille, seines Zeichens Schlossherr, Kunstsammler, Kunstexperte und Résistance-Held. Bruno kannte die junge Amerikanerin, die zu Studienzwecken bei dem Schlossherren ein- und ausging. Als er einen entlassenen Sträfling vom Bahnhof abholte, der vorhatte sich in oder um Saint-Denis niederzulassen, bot er Claudia an sie mitzunehmen, damit sie nicht noch länger im Regen stehen müsse. Schon bald war Claudia gern gesehener Gast im ganzen Ort. Bei ihren Recherchen zu ihrer Arbeit über französische Renaissance-Künstler, die ihre Fähigkeiten im Ausland anboten, ist sie über Expertisen gestolpert, die ihrer Meinung nach nicht ganz in Ordnung zu sein schienen. Und schon ist Bruno in einem Fall, der ihn nicht so schnell loslassen wird.

Sobald das Gespräch auf Claudia Muller kommt, beginnen alle Beteiligten zu lächeln. Sie war nicht nur sehr gebildet und wissbegierig, sondern auch eine charmante Person, die man einfach lieb haben musste. Ihre Familie ist vermögend, sehr vermögend. Was wohl auch erklärt, dass ihr Interesse an Monsieur de Bourdeilles Anwesen nicht nur rein wissenschaftlich war. Der Greis, den Bruno durch Treffen eines Feinschmecker-Clubs kennt, bekam von Claudia ein Angebot für das Schloss, in der wohnte, und in dem seine beträchtliche Kunstsammlung untergebracht war.

Schon nach kurzer Zeit werden Brunos Befürchtungen wahr. Die Eltern von Claudia haben nicht nur Unmengen an Geld, sondern auch Einfluss und die Mittel die Ermittlungen des Dorfpolizisten Bruno durch den Kakao zu ziehen, wenn im Zuge dessen etwas ans Licht kommen sollte, dass dem Ansehen der Mullers schaden könnte. Wie zum Beispiel die nicht unerhebliche Menge an verschiedenen Drogen im Körper der Toten. Oder sei es einfach nur, weil man es kann dem kleinen Bullen die Leviten zu lesen. Doch Bruno ist keiner, wer sich wegduckt, wenn die Granaten fliegen. Das bewies er schon vor seiner Dienstzeit im beschaulichen Pèrigord…

Martin Walker beweist einmal mehr, dass dieses beschauliche Pèrigord auch ein Ort ist, an dem die Welt nicht immer in der Ordnung ist, in der sie erscheinen mag. Tricksereien in der Vergangenheit kommen wie jeder Fehltritt schneller ans Tageslicht als es erwünscht ist. Genuss wird wie immer großgeschrieben, auch wenn einem so mancher Brocken im Halse stecken bleibt. Allein schon wie Martin Walker die Charaktere einführt und beschreibt, ist ein Genuss, dem man sich nicht verschließen kann. Je länger sich in die Geschichte einliest, desto mehr schätzt man die ausschweifenden Erläuterungen des Autors. Ganz zu schweigen vom Geschichtsunterricht, den man genießen darf, ohne dabei mit Zahlen und Fakten gefoltert zu werden.

 

Wenn es vorbei ist, ist es noch lange nicht vorbei. Bruno Courrèges, der einzige Polizist im Ort, chef de police, wird bald schon erfahren, was dieser Satz zu bedeuten hat. Der Sohn vom alten Driant steht halbwegs verzweifelt vor ihm und sucht Rat bei dem alten Freund seines Vaters. Der ist unerwartet nach einem Herzanfall verstorben. Ansonsten kerngesund, lebte er allein und zufrieden auf seinem Bauernhof mit der herrlichen Aussicht von dem ausreichenden Ertrag, den der Hof abwarf.

Gaston, Driants Sohn, wundert sich darüber, dass sein Papa ihn und seine Schwester enterbt und vorhatte sich in einer mehr als luxuriösen Residenz den Lebensabend zu versüßen. Luxuriös bedeut in diesem Fall, dass die Küche Exklusivität als Basis ihres Rufes versteht, dass ein Golfplatz angeschlossen ist und dass die medizinische Betreuung den höchsten Ansprüchen genügt. Das kostet! Mehr als das Doppelte, was Gaston derzeit als Krankenwagenfahrer in Bordeaux verdient. Doch wie konnte Papa sich das leisten? Er war nicht unbedingt als reicher Mann bekannt. Ein notaire hat Driant beraten. Er investierte alles, was er hatte, Hof und Haus, in eine Versicherung. Die hätte alles abgedeckt. Und die Seniorenresidenz kassiert die Versicherungssumme … komme, was da wolle. Bruno spitzt die Ohren. Noch hält er hinterm berg mit seiner Vermutung, dass dieses Geschäft, was Driant abgeschlossen hat, nur einen Gewinner haben kann. Und der ist (war) bestimmt nicht Driant!

Nach anfänglichen Verständnisproblemen wird Bruno ziemlich schnell klar, dass er es hier mit einem gerissenen Konglomerat mieser Betrüger zu tun hat, deren Krakenarme sich nicht nur im beschaulichen Perigord, sondern in ganz Europa ausbreiten. Macht sich Bruno erst daran Driants Tiere weiter zu versorgen, ist er im nächsten Moment schon bei der Aktensichtung von Firmen mit Sitz auf Mittelmeerinseln, die von Russland aus gesteuert werden. Das große Europa im kleinen Saint Denis – was soll der kleinen Dorfpolizist da schon ausrichten können?

Martin Walkers verflixte Dreizehn, es ist der dreizehnte Roman über den überaus empathischen chef de police, ist an Komplexität und Aktualität nicht zu übertreffen. Ahnungslose Menschen werden mit dubiosen Verträgen in eine strahlende Zukunft gelockt. Den verdienten Lebensabend im Luxus schwelgen, frei von jeglichen Sorgen – das ist und bleibt eine Illusion, wenn man nicht selbst jahrzehntelang vorgesorgt hat. Bruno ist diese Art von Geldgier zuwider. Dem alten Driant so übers Ohr zu hauen – da muss man einschreiten. Mit aller Macht, mit aller Wucht, mit der ganzen Raffinesse, die man in den Jahren sich angeeignet hat.

 

Ein so gewiefter Ermittler wie Bruno Courrèges hätte es besser wissen müssen! Ein Besuch im Museum bleibt für ihn nicht ohne Folgen. Aber er hört ja nicht auf den Leser … und das ist gut so. Während er die in seinen Augen so authentisch wie irgendwie möglich restaurierten Schädel der Bewohner des Perigord in den Vitrinen betrachtet, kommt ihm sein alter Freund Jean-Jacques in den Sinn.

Als junger Polizist hatte er vor mehr als drei Jahrzehnten einen Fall zu bearbeiten, der ihn bis heute nicht loslässt. Ein Hund hat bei der Trüffelsuche einen Schädel erschnuppert. Er wurde erschlagen – mit einem Campingzubehör. Doch mehr kann Jean-Jacques, und schon gar nicht seine Kollegen ermitteln. Es bleibt dabei: Ein Schädel mit einem Loch. Damit es nicht ganz so deprimierend bleibt, bekommt das Artefakt den Namen Oscar. Und er zieht mit Jean-Jacques von Büro zu Büro, von Arbeitsstelle zu Arbeitsstelle. Und noch immer wurde nichts Neues, nichts Erhellendes ermittelt. Auch die Abfragen im Ausland, nach der Wende auch im östlichen Europa blieben erfolglos.

Jetzt scheint die Zeit gekommen zu sein noch einmal in der Wunde der Niederlage zu stochern. Nicht, um Jean-Jacques zu foppen. Nein, ganz im Gegenteil. Die Initiatorin der Ausstellung, eine renommierte Wissenschaftlerin hat eine gelehrige Assistentin, die durchaus in der Lage zu sein scheint, dem Schädel ein nahezu echtes Gesicht zu verpassen. Und Jean-Jacques hat ja auch noch ein paar Mittel übrig, um eine DNS-Analyse durchführen zu können. Voilà! Die Datenbank spuckt sogar einen Angehörigen aus. Der Grund dafür ist allerdings nicht besonders erfreulich. Denn der Sohn des Toten ist bei einem so genannten Auslandseinsatz in Mali gefallen. Aber es ist eine neue Spur.

In einer gemütlichen Whiskeyrunde mit Jack Crimson, dem ehemaligen Geheimdienstler, der sich im beschaulichen Perigord den Lebensabend schmecken lässt – Brunos Kochkünste lassen jede Art von Fernweh im Kein ersticken, wie immer vortrefflich in Szene gesetzt – öffnen sich für Bruno ganz neue Wege, um seinem alten Freund Jean-Jacques hilfreich unter die Arme greifen zu können. Wer meint, dass hier im Perigord nur geschlemmt wird, Trüffel gesucht werden und ab und zu mal ein paar Eierdiebe gesiebte Luft atmen, irrt und hat noch nie ein Buch über Bruno gelesen. Denn hier kreuzen sich die Linien der internationalen Geheimdienste. Von der Stasi und einer vollständigen Liste all ihrer Agenten, die weltweit ihre schmierigen Finger im Spiel der Großen hatten, über die Kuba-Krise der Sechziger bis hin zum eben immer noch nicht gelösten Fall des verscharrten Schädels – Martin Walker baut die ganz große Bühne auf, um das Welttheater auftreten zu lassen.

Was waren das noch Zeiten als ein Dorffest noch ein Dorffest war. Man traf sich, feierte, redete mit Leuten, die man eine Zeitlang nicht gesehen hat. Eine Band spielt. Und die größte Sorge der Polizei war, dass nach dem reichlichen Alkoholausschank die Rage einiger in eine Massenschlägerei ausartet.

Und heute? Im Pèrigord? In Saint-Denis? Bruno, chef de police, dreht noch eine Runde im Garten. Zusammen mit seinem Basset Balzac. Schlafenszeit, denkt er sich. Und kurze Zeit später hat sein Freund Jean-Jacques Jalipeau, Chef der Kriminalpolizei in Brunos Stube Platz genommen. Er hat eine Patrone mitgebracht. Bruno kennt diese Art lebensverändernder Metallteile. Ein geübter Scharfschütze kann aus der Ferne dem Ziel den Garaus machen.

Bruno macht sich später daran Wildschwein vorzubereiten. Bald schon spielt er Tennis. Das Konzert mit „Les Troubadour“, einer Folk-Band, deren Sänger mit seinen politischen Ansichten – die Abspaltung Kataloniens von Spanien – sich nicht nur Freunde gemacht hat, soll bald eintreffen und das alljährliche Fest zu einem besonderen Ereignis machen.

Doch noch immer spukt der Fund der Patrone in seinem Kopf herum. Sie wurde in einem verunfallten Fahrzeug gefunden. Der Fahrer musste einem Tier ausweichen. Und landete neben der Fahrbahn. Auto Schrott. Fahrer weg. Auch der Beifahrer. Denn dass es zwei Insassen gab, ist so gut wie bewiesen. Im Aschenbecher waren Stummel zweier Zigarettenmarken.

Ist es schon soweit, dass man im beschaulichen Pèrigord nicht einmal mehr ein unschuldiges Fest feiern kann, ohne die Angst vor einem Terrorakt? Sollen alle die Vorbereitungen – Martin Walker lässt sich wieder einmal köstlich darüber aus wie komplentativ diese Vorbereitungen für Bruno sein können – umsonst gewesen sein, weil sich jemand genau diesen Flecken Erde für einen widerlichen Anschlag ausgesucht hat? Bruno Courrèges wäre nicht Bruno, chef de police, wenn er nicht beides in Einklang bringen würde.

Der Dauerbrenner aus dem Herzen Frankreichs geht in die fünfzehnte Runde. Was haben wir nicht alles erlebt. Essbare Diamanten, flüssiges Gold, exzellente Speisen und jede Menge Mord und Totschlag. Immer mit einem ausgiebigen Ausflug in die Vergangenheit. Dieses Mal steht die katalanische Abspaltung von Spanien im Fokus des Ermittlers. Einmal mehr muss Bruno tief im Hirn graben, um die Puzzleteile an der richtigen Stelle zu platzieren. Zwischen dem einen und dem anderen Schluck edelsten Weines – zwischen Vorbereitung des Mahls und Küchenlatein – zwischen Gassigehen und Anrufen zu unpassenden Zeit findet Bruno die Zeit einen kniffligen Fall zu lösen, den zu lesen bereits zum fünfzehnten Mal eine Freude ist.