Da ist er wieder, oder immer noch. Der Dauerbrenner der deutschen Weltliteraturszene, dessen Feuer niemals verglüht. Hanjo Kesting hat sich ein Leben lang mit dem Schriftsteller beschäftigt und im vorliegenden Buch eine Charakterisierung des Mannes erstellt, der bis heute Literaten, Literaturkritiker und Fans beschäftigt.
Ein streitbarer Autor war Thomas Mann zeitlebens. Das Kaiserreich war ihm näher als er sich vielleicht selbst eingestehen wollte. Die Demokratie in Deutschland sah er kritisch, weil er ihre Schwachstellen erkannte. Die Diktatur verabscheute er wie kein anderer wortgewaltig und mahnend, dass man es bis in die Nachkriegszeit übelnahm. Sein Exil in der Schweiz war mehr als nur ein Ausweg.
In dieser eigenwilligen (und das im rein positiven Sinne) Biographie zerpflückt Hanjo Kesting das Werk Thomas Manns. Aber nicht, um allwissend umherzuprahlen, warum genau dieser Satz, genau dort, genau so steht, weil er – Kesting – beim Herumströmern den Heiligen Gral des Erfolgsromans gefunden hat. Nein er geht ans Werk wie man es tun sollte. Er betrachtet die zeit, in der die Bücher entstanden. Beschaut sich ganz genau, was Thomas Mann „nebenbei so schrieb“ (und trieb). Er zieht Parallelen und folgert auf unnachahmliche Art und Weise.
Ebenso vermeidet er es den Götterstatus des großen Schriftstellers in den Vordergrund zu schieben. Denn dann müsste er sich dahinter verstecken. Selbstbewusst und unbeirrbar stellt er dem Leser einen Mann (DEN Mann) vor, der in der Welt der Literatur fest auf dem Thron sitzt. Dabei scheut er sich nicht seinem Helden (und nichts anderes muss Thomas Mann für Hanjo Kesting sein, denn nur so entsteht eine Biographie wie diese) auch mal hier und da nachzuahmen. Die gezielte, weil notwendige, Kommatasetzung, stellt ab und an eine Herausforderung dar. Auch Thomas Mann liebte es scheinbar sich in Haupt- und Nebensätzen zu ergehen, die erst Seiten später ein Ganzes ergaben. Studenten riet er beispielsweise den „Zauberberg“ zweimal zu lesen. Denn beim zweiten Mal ist der Fluss ein anderer. Und man solle den „Zauberberg“ in Ruhe lesen. Inder Abgeschiedenheit von Davos, beispielsweise – das rät Hanjo Kesting.
Glanz und Qual – ein gelungener, wenn nicht sogar der einzige wählbare Untertitel des Buches, der einmal mehr dazu verleitet, Thomas Mann (noch einmal) zu lesen. Doch wo anfangen? Bei diesem Buch!