Benedict Schönheit – München

Sich am Dezembermorgen noch einmal so richtig schön in die warme Bettdecke einmummeln – das wäre schön. Doch wenn es dem Bruderherz nicht beliebt, dann muss man halt raus aus den Federn. Kriminalrat Benedict Schönheit ist es nicht vergönnt eine letzte Drehung im eigenen Bett zu tun. Sein Telefon klingelt. Jean-Bapitiste ist dran. Sein Bruder. Pfarrer. Und er hat eine Leiche … nein, nicht im Keller. Dafür aber im Pfarreigarten. Eine Obdachlose. Also raus in die nasse Kälte. Leiche noch da? Ja. Tot? Ja. Blut? Nein. Also sind der Tatort und Fundort nicht identisch. Und schon steht auch schon die Presse in Person der Beinhauserin auf dem nicht mehr ganz so grünen Pfarreirasen. Und das Meeting mit dem Chef auf dem Plan. Es gibt schönere Dezemberanfänge.

Nichts desto trotz muss der Fall irgendwie begonnen und im günstigsten Fall auch gelöst werden. Dem Kriminalrat Schönheit steht zum Beispiel der sehr ehrgeizige Kriminaloberrat Robert Theiss zur Seite. Dem sind seine Karriere und die Sprossen nach Oben von derart großer Bedeutung, dass man ihm ständig auf de Finger schauen muss.

Kurze Zeit später meldet sich Jean-Bapitiste ein weiteres Mal. Das Christkind ist weg. Benedict sollte sich zusammenreißen, kann aber bei dieser Steilvorlage nicht anders als seinen Bruder wiedermals aufzuziehen. Was soll denn bitteschön das gestohlene Christkind aus der Krippe mit dem Mord zu tun haben? Das Einfachste wäre, wenn der Dieb der Mörder wäre oder sich beide gesehen hätten.

Der erste Fall über Benedict Schönheit strotzt vor Selbstironie. Schönheits Wahrnehmung des Lebens und der Menschen, die ihn umgeben, ist einzigartig. Ein bisschen Schnodderigkeit, gewürzt mit der seltenen Gabe keinem Verbrecher auch nur den Hauch einer Chance zu lassen, hat München mit diesem Ermittler einen Typen bekommen, den man hier nicht unbedingt vermutet. Geradlinig mit der Brise Humor – so muss ein Lokalkrimi sein.

 

Auch ein langsam in die Gänge kommender Montag kann Überraschungen bereithalten. Wie die Sophie zum Beispiel. Die hat Benedict Schönheit schon lange nicht mehr gesehen. Ihre Väter haben zusammen Schach gespielt. Sein Vater es ihr wahrscheinlich sogar beigebracht. Na, so eine Überraschung! Man sieht sich – so schnell sie sich trafen, so schnell gehen sie wieder auseinander. Sie werden sie früher wiedersehen als gedacht…

Die Montagmorgenbesprechung beim Kriminalrat Theiss ist für Benedict Schönheit ebenso ein Qual wie für seine Kollegen. Aber was soll’s? Da muss man durch. Die quälende Langeweile wird durch eine Meldung vom Tod eines Studenten abgelöst.

Peter Riesacher studierte hier Philosophie und Theologie. Nun liegt  er tot am Boden, direkt unter seiner Studierstube. Er war ein verschlossener Typ. Grübelte viel, las wie ein Berserker und baute Pilze an. Magische Pilze. Mit psychogenen Inhaltsstoffen. Kurzum: Magic mushrooms. Ein reines Naturprodukt. Der Umwelt fällt er trotzdem zur Last. Denn nun muss die Polizei ermitteln, seinen Eltern Bescheid geben, die Kommilitonen befragen.

Benes Spürnase wird bald schon auf eine echte Belastungsprobe gestellt. Nachdem er allerlei Ausflüchte aus dem Weg geräumt hat – so richtig will niemand sofort etwas über Riesacher preisgeben – hat er bald schon mehr als eine Handvoll Puzzleteile in der Hand. Eines davon ist Sophie Binder. Die, die er gerade erst wieder getroffen hat. Die, die wie er auch in Schwabing wohnt. Genau die! Interessenkonflikt? Maximal einen Hauch. Wegen der Emotionalität, Nostalgie. Aber ansonsten kommt Schönheit ganz gut voran in den Ermittlungen um den (freiwilligen?) Sprung aus dem Fenster. Das einzige, was ihn stört … ist ein weiterer Mord.

Bendict Schönheits zweiter Fall bringt seine Welt vielleicht nichts ins Wanken, jedoch klappert es wegen der Erschütterungen gehörig im Porzellanschrank der Ermittlungen. Was ist Zufall? Was ist echt? Was ist Fassade? Was ist hier eigentlich los! Autor Thomas Michael Glaw rüttelt am Gerüst der Gewissheiten in Benedict Schönheits Berufsleben. Immer wieder kommen dem Ermittler Gedankenblitze und die bisherigen Ermittlungsergebnisse lassen auf ein gutes (erfolgreiches) Ende hoffen. Da können auch die misstönigen Zwischenrufe vom Chef nichts dagegen tun. Doch dieses Mal ist alles ein bisschen anders…

 

Ab und an erwischt man sich dabei, dass man – obwohl man eher selten ins Museum geht – sich doch irgendwie der Magie einzelner Bilder nicht entziehen kann. Das passiert meist, wenn Kunst begreiflich wird. Wenn also von einer Versteigerung berichtet wird bei der ein Gemälde wieder einmal für eine Rekordsumme den Besitzer wechselt, wird man schnell hellhörig.

Kommissar Benedict Schönheit ist sicher kein Kunstbanause. Einen Jackson Pollock kann er ohne Probleme von einem Rembrandt unterscheiden. Aber das kann ja jeder. Die Echtheit eines Vermeer kann er mitnichten bestimmen. Wohl aber erkennen, wenn eine Leiche vor selbigem liegt. Und schon könnte man in alter Lehrtradition ihm einen Kunstverstand unterstellen.

Der Tote ist Dr. Henry de Rijk, er ist der Direktor der Alten Pinakothek in München. Und er liegt – tot – vor einem Vermeer. Einem angeblichen Vermeer! Vermeer ist Holländer, sein Bruder arbeitet in Amsterdam als Leiter einer Galerie. Eine trauernde Witwe gibt es nicht. Nur eine (später stellt sich heraus, dass es nicht bei der Einen bleibt) schluchzende Natascha Andreijewa. Sie liebte Henry. Und er liebte … die Frauen. Und das Geld. Zwei nicht zu unterschätzenden Leidenschaften. Wie Schönheit bald schon feststellen muss. Wie immer spielt auch Kommissar Zufall eine entscheidende Rolle. Die Tipps, die Andeutungen, die eigenen Recherchen malen Schönheit ein Bild, dem es noch an Tiefe fehlt. Die Bildkomposition ist zweifelhaft. Abstoßend. Das bringt aber nun mal der Beruf des Kommissars mit sich. Schönheit weiß das. Und es gibt nichts, was sich nicht bei einem Glas Wein erörtern lässt…

Als Kriminalermittler muss man sich ein Bild von der Situation machen. Dieses geflügelte Wort lässt Schönheit kalt. Er weiß, dass er in einem Haufischbecken fischt, in dem die Netze der Wahrheit löchrig sind wie die sechs Warhol-Portraits als auf ihn geschossen wurde. Dennoch ist es Schönheit ein Leichtes Licht ins Wechselspiel von Licht und Schatten zu bringen. Die Kunst besteht nämlich darin, die Kunst nicht als solche zu verstehen, sondern mit den Marionetten selbst Theater zu spielen. Schlussendlich stellt Schönheit fest, dass nicht jedes Bild das darstellt, was es ist…

 

Der Zeitfaktor spielt in Krimis immer eine besondere Rolle. Und sei es nur die lapidare Frage: „Wie lange dauert es bis die Polizei eintrifft?“. In diesem Fall ist sie sogar schon vor Ort! Der Mord geschah quasi vor ihren Augen! Naja, wollen wir mal nicht übertreiben. Benedict Schönheit ist mit seiner Mutter in der Oper. „Cosi fan tuttte“ mit der gefeierten Mezzosopranistin Cynthia Roberts. Auch der Staatsanwalt steht im Foyer – seine Frau hat ihn mehr oder weniger gezwungen die heimischen vier Wände für dieses besondere Erlebnis (die Oper!) gegen den Frack zu tauschen – als die Nachricht eintrifft es habe einen Mord in der Oper gegeben. Die Kollegen „draußen“ wissen eher Bescheid als die Ermittler am Tatort – schon allein das ist ein gefundenes Fressen für die Presse…

Ein leichter Geruch von Bittermandel liegt in der Garderobenluft. Gift! So viel steht – ziemlich schnell – fest. Eigentlich ein Grund zur Freude für den emsigen Chef von Schönheit. Doch was nützt das Tatwerkzeug, wenn man nicht weiß, wer es zuletzt in den Händen hielt? Schönheit muss ziemlich lange bohren, um dem Geheimnis des Mordes auf die Spur zu kommen.

Es wird eine lange Reise in die Vergangenheit werden. In die Vergangenheit der Familie der Ermordeten.

Mord in der Oper – ein beliebtes Krimimotiv. Thomes Michael Glaw macht daraus aber keine der üblichen Geschichten, in denen das Stück von der Bühne auf die Bretter der Realität geholt wird. Hier liegt das Motiv weit zurück. Und das Motiv lässt schon fast so was wie Genugtuung aufkommen.

Für Benedict Schönheit ist dieser Fall eine schwer zu knackende Nuss. Um ihn herum ist die Szenerie von Hektik und Erfolgsdruck getränkt. Alle um ihn herum wollen schnell Resultate sehen. Sein Team arbeitet wie am Fließband. Als Schönheit in die Familiengeschichte eintauchen kann, stößt er auf ein Geheimnis.

Der vierte Fall für Benedict Schönheit lässt Kunstkenner und Krimifans einmal mehr nicht unberührt. Benedict ist kein Kunstkenner, der sich sein Leben um die Schönheit der Künste herum baut. Er ist ein knallharter Analytiker, der sich in einen Fall festbeißen kann. Dabei verliert er niemals den Blick für das wahre Schöne. Auch wenn dieses Schöne manchmal mit dem Schlamm des Verbrechens bedeckt wird.

 

Kennen Sie auch solche Leute? Auf Schritt und Tritt schwirrt ihnen die Arbeit im Kopf herum. Jede noch so kleine Alltagsbegegnung bringen sie mit ihrer Arbeit in Verbindung – soziales Engagement oder Interesse = Fehlanzeige. Fachidioten hat man mal dazu gesagt, und es sagen dürfen. Benedict Schönheit ist nicht so einer. Auch wenn sein erster Gedanke an diesem Samstag beim Aufziehen der Vorhänge ist, dass keine Leiche zu sehen ist. Schönheit ist ein Mensch der feinen Künste. Und ein messerscharfer Ermittler. Und genau deswegen ist der Samstag alsbald nicht nur passé, sondern „ein ganz normaler Arbeitstag“. Es gibt sie nämlich doch, die Leiche.

Nach der Runde im Englischen Garten – nach langer Zeit mal wieder – will Schönheit duschen und dann das Wochenende genießen. Doch vor seinem Haus wartet schon sein Kollege Adil. Andy Grashammer ist tot. Natürliche Todesursache ausgeschlossen, da die beiden Einschusslöcher eine andere Sprache sprechen. Grashammer, Finanzjongleur und ungebändigter Partylöwe der Münchner Schickeria. Auf ans Werk!

Es soll nicht die einzige Leiche bleiben. Und Benedict Schönheit nicht in München. Wien wird für ihn zum heißen Pflaster. Daran kann auch das Schwesterherz, das in Wien lebt, nichts ändern. Doch so recht will sich in diesem Fall nichts ineinanderfügen. Immer wieder tauchen neue Spuren auf, ebenso neue Verdächtige. Schmierige Typen, die nicht minder brutal ihre eigenen Interessen verfolgen.

Benedict Schönheit muss irgendwie eine Wendung in dem Fall herbeiführen. Doch wie? Vielleicht mal einen ganz anderen Ansatz probieren?! Nur weil der Grashammer ein zwielichtiger Finanzhai war (!), muss der Täter nicht zwangsläufig in diesem Milieu zu finden sein. Und die Halbwelt ist zwar permanent präsent, aber nur deswegen die Suche auf diesen Personenkreis zu beschränken, wäre beschränkt. Und siehe da … Schönheits neuer Lösungsansatz scheint erste Früchte zu tragen.

Fall Fünf um den Genussmenschen Benedict Schönheit führt Leser und Ermittler lange auf falsche Spuren. Ein Paradebeispiel für diejenigen Leser, denen das Geradeauslesen nicht die erhoffte Erfüllung bringt. Wer links und rechts des Weges die Sinne nicht nur schweifen lässt, entdeckt so manches zielführendes Detail.

 

Erzählt man das erste Kapitel aus dem sechsten Abenteuer von Kommissar Benedict Schönheit rückwärts wird einem die ganze Tragweite des Falles umgehend bewusst.

Benedict und Martina küssen sich seit Langem mal wieder auf der Straße. Nachdem sie beim Italiener essen waren. Genießen konnten sie es nicht so wie gewohnt. Zuvor hat Schönheit alle Papiere bekommen, um in Venedig als Berater bei einer Ermittlung tätig zu werden. Theiss, sein Chef, war so gar nicht kompliziert. Im Gegenteil, er reichte Schönheit die ganze Hand, obwohl der nicht einmal den kleinen Finger anbot. In Venedig wurde ein junger Student, Riccardo, mit einem Kreuz im Herz aufgefunden. Und Schönheit wollte in ein paar Tagen eh nach Venedig reisen, um seinen Bruder Jean-Baptiste, Pfarrer in München und unermüdlicher Beistand Benedicts, zu besuchen … Schönheits Tag beginnt mit einem Telefonat: „Man hat Deinen Bruder verhaftet.“

Es ist Freitag, das zweite Kapitel, und Benedict Schönheit und Martina sind in Venedig angekommen. Don Michele, Pfarrvikar, erwartet sie schon. Sie können bei ihm unterkommen bis die „Sache“ erledigt ist. Schönheit kann die prachtvolle Aussicht von Michele Terrasse kaum richtig genießen. Verständlich! Zum ersten Mal erfahren Benedict und Martina aus erster hand was genau passiert ist. Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man Jean-Bapitistes Aufenthalt in Venedig als Ferienjob deklarieren. Er ist ein Frühaufsteher, Michele eher nicht. So bot es sich an, dass Jean-Baptiste die Frühmesse übernimmt. Das tat er auch. Und genau währenddessen wird von allen geschätzte Riccardo ins jenseits befördert. Und das obwohl er ja ein Alibi hat. Eines, das mehrere zeugen bestätigen können. Trotzdem sitzt er nun in U-Haft…

Italienische Verhältnisse – Benedict Schönheit hält nicht von derlei Klischees. Muss sich jedoch damit abfinden, dass selbst Empfehlungsschreiben aus der Heimat hier in der Lagunenstadt nicht viel wert sind. Die Kollegen mauern, die mögliche Zeugen bzw. entlastende Menschen sind nicht bereit il tedesco zu helfen. Und Jean-Baptiste schmort im Vorhof zur Hölle. Es ist zum Verzweifeln für alle Beteiligten. Hinzu kommt die Hetzkampagne im Münchner Blätterwald. Ein gefundenes Fressen: Ein Priester, der im Ausland ein geschätztes Mitglied der Gemeinde heimtückisch mit einem Kreuz (!) ermordet hat. Während um die Theresienwiese der gute Geschmack mit Magensäure an der nächsten Ecke entsorgt wird.

Dieses Intermezzo am Canale wird niemand der Beteiligten niemals vergessen, schon gar nicht schnell und erst recht nicht für immer…