Jede Stadt hat ihren Helden. London Sherlock Holmes, Venedig Guido Brunetti und Los Angeles’s Gangster hätten ohne Philip Marlowe keinen würdigen Gegner. So schnörkellos sein Name – kein Doppel-L mit einem P, oder ein L mit zwei P etc. – so unausgeschmückt seine Ansagen. In Gedanken ist er facettenreich wie kaum ein Anderer. Das Haus von General Sternwood fällt ihm wohl auf. Inklusive der Verzierungen. Doch seine Bewunderung hält sich nach außen in Grenzen.
Der General ist sein neuer Auftraggeber. Ein alter Mann, der viel geleistet hat, es zu Reichtum brachte und zwei durchtriebene Luder seine Töchter nennt. Eine lernt Marlowe gleich kennen. Carmen. Anfang zwanzig. Schnuckelig ziseliert – schon allein für diese Formulierung lohnt es sich Chandler zu lesen. Vivian, das zweite Früchtchen aus den Lenden des Generals ist nicht minder durchtrieben, und viel gerissener.
Carmen wird erpresst. Ihr Vater will die Sache aus der Welt schaffen, deswegen ist Marlowe zu ihm gekommen. Fünftausend Dollar in Schuldscheinen sind nicht viel für den General. Marlowe rät ihm zu bezahlen, doch der anhängende Rattenschwanz bereit auch ihm Sorgen. Ein gewisser A.G. Geiger soll das Geld bekommen. Doch der ist kurze Zeit später tot. Das Verwirrspiel beginnt als Vivian sich in die Sache einschaltet.
Philip Marlowes Jagd durch Los Angeles nach dem eigentlichen Erpresser gleicht einem Minenfeld. Wo immer er auftaucht tritt eine Leiche oder eine Blondine ins Rampenlicht. Nicht schlecht für einen, der wegen Befehlsverweigerung vom Polizeidienst ausgeschlossen wurde. Sein Ex-Chef hat ihm den Auftrag zugeschustert. Die Verbindungen zur Obrigkeit sind also noch vorhanden. In knappen, präzisen Formulierungen kreiert Raymond Chandler den Archetyp des fokussierten Ermittlers. Nichts bringt ihn aus der Fassung: Keine weiblichen Reize, keine Ballerei, kein Drohung. Und so manches Kätzchen versucht ihn in ihren Bann zu ziehen. So mancher Gangster versucht ihn mit Blei vollzupumpen. So manch einer versucht Marlowe einzuschüchtern. Hard boiled eben. Wer „nur“ die Filme kennt, weiß worauf er sich einlässt. Bogey ohne Chandler wäre nur ein Schauspieler. Als Philip Marlowe wurde Humphrey Bogart zum Symbol eines ganzen Genres. Am besten genießt man Raymond Chandlers Vorzeige-Ermittler in Los Angeles. Laurel Canyon Boulevard, West Hollywood – alle Orte sind real, besuchbar. Der Charme der Vergangenheit mag vor Ort gelitten haben. Doch die Atmosphäre von damals wird durch die Marlowe-Reihe wieder auferstehen.
‘Nen schnellen Dollar machen, mehr will Philip Marlowe nicht. Einen Typen wieder heimbringen, zu seiner Angetrauten. Daraus wird nichts, denn der Angetraute ist verschwunden. Das sollte dem rauen Ermittler eine Warnung sein, ein Startschuss. Wie das Leben so spielt. Geht ein Auftrag, kommt ein neuer.
Moose Malloy ist gerade aus dem Knast gekommen. Acht Jahre hat er dort abgesessen. Nun ist der Hüne (man nennt ihn nicht umsonst Moose) wieder das und sucht seine Süße. Velma ist aber – Parallelität der Ereignisse – weg. Sie arbeitet nicht mehr in der Kneipe. Rüde wird Moose hinauskomplimentiert. Das hält ihn nicht ab nochmal nachzuhaken. Ebenfalls rüde. Nein, nicht ebenso. Rüder. Endgültiger. Und Marlowe mittendrin. Eine Szenerie wie er mag. Rauflustige Gesellen, Whiskey, Umgangsformen, die keine sind.
Kein guter Tag für Schnüffler. Den einen findet er nicht. Dem Anderen will er helfen, der wiederum knallt einen ab … und verschwindet. Jetzt suchen Polizei und Marlowe nach Moose Malloy. Der sucht seine Velma. Vielleicht bringt dieser Auftrag ja den erwünschten Erfolg. Lindsay Marriott, Mister Lindsay Marriott, ersucht Philip Marlowe ihn bei einer Geldübergabe zu begleiten. Achttausend Dollar will eine gerissene Bande von ihm haben, er erhält im Gegenzug ein zehn- bis zwölfmal so teures Jadegeschmeide zurück. Marlowe ist die Sache nicht geheuer. Aber der Job bringt ‘nen Hunderter. Auch dieser Job geht schief. Er handelt sich – und zwar in dieser Reihenfolge – eine Beule, zwanzig Minuten Tiefschlaf und die Bekanntschaft von Annie Riordan ein. Die nicht zimperliche Lady hält ihm eine Knarre vor. Erst als er ihr die ganze Geschichte erzählt, steckt sie die Bleispritze weg. Es scheint als ob Philip Marlowe nichts gelingen will.
Würde man keinen hard-boiled-Krimi lesen, käme man sich wie bei den Keystone Cops vor. Moose jagt Velma. Die Polizei jagt Moose. Marlowe sucht Moose. Marlowe sucht die Diebe, die ihm eines übergebraten haben. Kein Spinnennetz, in dem sich Marlowe verfangen hat, ein wahres Gestrüpp aus Alkohol, Drogen und Psychiatern.
Kleiner Ausflug in die Numismatik gefällig? 1787 prägte Ephraim Brasher seinen Namen in eine Gold-Dublone. Über zwei Jahrhunderte später wurde eine dieser gerade mal 26 Gramm schweren Münzen für knapp siebeneinhalb Millionen Dollar versteigert. Nicht schlecht für knapp tausend Dollar Materialwert. Und genau so eine Münze vermisst nun Mrs. Murdock. Außerdem vermisst sie ihre Schwiegertochter, eine ehemalige Nachtclubsängerin Linda Conquest. Und Philip Marlowe soll nun Münze und Schwiegertochter, möglichst unbeschadet zurückbringen. Mrs. Murdock aus Pasadena braucht nicht unbedingt das Geld, was die Münze wert ist. Sie einfach nur zu besitzen, ist ihr Wert genug. Sie hat ihrem verstorbenen Mann versprechen müssen, dass die Sammlung mit der wertvollen Probeprägung niemals das Haus verlässt. Interessenten wie beispielsweise Mr. Morningstar, der telefonisch anfragte, ob das gute Stück zu verkaufen sei, blitzen bei Mrs. Murdock oder ihrer Sekretärin Ms. Davis ab.
Soso, das Früchtchen mit der Goldkehle hat also die Biege gemacht, und die Münze als „Startkapital“ gleich mit eingesteckt. Zurück im Büro – es ist und riecht staubig – sucht Marlowe als Erstes die Adresse von Elisha Morningstar raus, als plötzlich Murdock Jr. bei ihm Platz nimmt. Er weiß, dass seine Mutter Marlowe Geld gegeben hat, um Linda zu finden. Warum will er wissen. Die beiden standen sich nicht besonders nah. Oder ist es wegen Mornyr? Der sollte doch nicht bei Mutter anrufen. Marlowe entlockt dem cool wirkend wollenden Junior die Information, dass dieser in finanziellen Schwierigkeiten stecke. Marlowe lässt sich nicht aus der Reserve locken und Junior im Unklaren.
Nachtclub- und Casinobesitzer Alex Morny bekommt von Murdock jr. noch einen Batzen Geld, und ihn aufzutreiben ist schwieriger als gedacht. Bei ihm zuhause wird Marlowe barsch abgewiesen. Auch Mrs. Morny sei nicht da. Mrs. Morny nannte sich mal Lois Magic, ebenfalls Nachtclubsängerin. Bewohnte mal mit Linda Conquest eine gemeinsame Wohnung. Conquest und Magic. Weniger mit Magie als mit dem Verschwinden der Einen haben die Damen Marlowe schon erobert…
Lois Magic bzw. Morny hat es sich in ihrem kleinen Palast in Bel Air gemütlich gemacht. Ihr Mann geht arbeiten, ihr Zeitvertreib heißt Mr. Vannier. Der Chauffeur hat Marlowe das für eine kleine Zuwendung verraten. Als Vannier die beiden tuscheln sieht, ist er aufgebracht, was aber weder Marlowe noch den Chauffeur großartig beeindruckt.
Marlowe geht in altbewehrter Weise vor: Selbstbewusstes Auftreten. Wer ihn tritt, wird zurückgetreten. Die Münze hat er denn auch schnell. Fehlt nur noch das blonde Gift…
Alle in diesem Fall Beteiligten haben etwas zu verbergen, einen schwarzen Fleck in ihrer Geschichte, arbeiten auf eigene Rechnung, schmieden unheilige Allianzen. Und mittendrin der ruppige Ermittler, der alle noch Lebenden irgendwie in diesem Puzzle zusammenführen muss.
Philip Marlowes nächster Auftrag beginnt mit Warten. Warten. Das schnippige Ding von Vorzimmer-„Dame“ lässt den Detektiv einfach nicht vor zu Mr. Kingsley. Part of the game. Was soll’s! Die Missverständnisse sind ausgeräumt, Marlowe sitzt bei Kingsley, und Kingsley gibt die Einzelheiten des Auftrags kund. Und er versucht zu feilschen. Die hart erarbeiteten Preise Marlowes zu drücken. Was soll’s!
Crystal Kingsley ist weg. Per Telegramm lässt sie mitteilen, dass sie nach Mexiko fährt, sich scheiden lässt und Chris Lavery heiraten wird. Nicht mehr und nicht weniger. Crystal Kingsley ist kein Kind von Traurigkeit, wenn es darum geht einen ordentlichen Rausch ordentlich auszukosten.
Chris Lavery ist wenig begeistert als Marlowe ihn nach der verschwundenen Crystal anspricht. Auch er hatte ihre Eskapaden dicke und die Beziehung beendet. Nach El Paso – wie es das Telegramm verlauten ließ – ist er niemals mit ihr gefahren. Das hat er auch schon Derace Kingsley mitgeteilt.
Viel interessanter ist Marlowe für den Nachbarn. Der beäugt ihn ungläubig, ruft die Polizei. Nach einem kurzen Wortgefecht – keiner kann das so abgebrüht und gelassen wie Philip Marlowe – und einem kurzen Zwischenbericht bei Derace Kingsley steht fest: In der Straße von Chris Lavery gibt es nur zwei Häuser. Beide Bewohner hatten eine Verbindung zu Crystal Kingsley. Der Eine war ihr Liebhaber – Lavery. Der Andere ist Doktor, Albert Almore. Witwer und der Doc der flüchtigen Gattin.
Auch am Little Fawn Lake, wo die Kingsleys – oder doch nur noch Mister Kingsley? – ein ganz ansehnliches Häuschen besitzen, wird Marlowe fündig. Nachdem er sich vom Verwalter Bill Chess dessen gescheiterte Liebesgeschichte anhört, machen beide eine schreckliche Entdeckung. Eine Leiche. Im See. Doch es ist nicht die gesuchte Crystal Kingsley. Es ist Muriel, die erloschene Flamme von Bill Chess.
Marlowe mittendrin. Zwischen Auftraggeber, Polizei und ermordeten Beteiligten. Muriel Chess war nicht wer sie vorgab. Chris Lavery wurde erschossen. Die Assistentin von seinem Auftraggeber Derace Kingsley weiß mehr als sie sagt, ist tiefer verstrickt in die Sache. Doch von Crystal Kingsley fehlt weiterhin jede Spur.
Raymond Chandler schickt seinen Detektiv auf eine wahre Odyssee durch Los Angeles. Er steckt Ohrfeigen und Tritte ein, steht auf, schüttelt sich und reimt sich den Fall zusammen. Wer spielt falsch, wer hat etwas zu verbergen? Alle!
Überraschung! Kein reicher Geschäftsmann oder ein knallharter Typ beauftragt Philip Marlowe. Es ist Orfamay Quest aus Manhattan. Manhattan, Kansas. Ein unscheinbares Mauerblümchen. Eine Betschwester. Na, da ist sie ja an den richtigen gekommen!
Zynisch, gelangweilt, lakonisch hört er sich ihre Geschichte an. Ihr Bruder Orrin ist vor einiger Zeit nach Kalifornien gekommen. Eigentlich sollte er Arzt werden. Im Golden state arbeitete er bei einer Flugzeugwerft. Brav und artig schrieb er regelmäßig Briefe an Daheim. Doch seit drei, vier Wochen blieben diese aus. Das Herzchen, das Marlowe gegenüber sitzt, hat auf eigene Faust versucht den Bruder zu finden. Erfolglos. Nun sitzt sie bei dem Privatdetektiv auf dem Stuhl und beichtet widerwillig. Ein bisschen rumschnüffeln kann ja nicht schaden. Als hätte er es gewusst, wird’s dann doch nicht so einfach.
Die schäbige Absteige, in der Orrin abgestiegen ist, entpuppt sich als Marihuana-Umschlaghafen. Das hat wohl Orrin nicht geschmeckt, und so drohte er mit den Behörden. Und das wiederum bekam ihm nicht. Jetzt ist Orrin verschwunden, ein möglicher Zeuge und Gast des Hotels tot. Lässt ich schwer atmen mit ’nem Eispickel im Hals. Und eine geheimnisvolle Fremde drückt ihm den Lauf einer Knarre an den Hals.
In welchem Film ist er nur gelandet? Fragt er sich und ist schon mittendrin, im Film. Sprachlich sind seine Gegenspieler ihm gewachsen. Mit scharfer Zunge versuchen sie Philip Marlowe hinters Licht zu führen. Doch ein harter Hund wie er lässt sich nur schwer blenden.
Orfamay wirft ihm immer wieder Brocken hin. Marlowe ist dem Wahnsinn nah. Warum erzählt sie ihm nicht die ganze Geschichte? Und dann kann sie nicht mal den von ihm geforderten Satz zahlen. Ihre Andeutungen bringen ihn immer wieder in Schwierigkeiten. Die Polizei wird misstrauisch. Den Vogel schießt allerdings ein Starlet ab. Ihr Singsang betört ihn nicht. Nur das ständige „Amigo“ stört ihn bei der Suche nach Orrin und dessen Geheimnis…
Philip Marlowe der Einzelgänger. Ein harter Hund, den so leicht nichts aus der Bahn wirft. Mit seiner schroffen Art stößt er so manchen vor den Kopf. Aber bei seiner Arbeit sucht er keine Freunde, er sucht Vermisste, Tote und Täter. Einen Freund hat er dennoch. Beziehungsweise bezeichnet derjenige ihn als Freund. Als einzigen Freund. Terry Lennox ist eine traurige Gestalt. Er trinkt, nein … er säuft. Das fahle Gesicht, der kraftlose Körper, der ihm dann anhängt, bietet den Zuschauern ein Bild der Geschmacklosigkeit. Als die beiden sich kennenlernen, hängt Terry halb im Wagen seiner Freundin und halb auf dem Trottoir. Die Entscheidung in welche Richtung es gehen soll, nimmt ihm Marlowe ab. Und ihn mit zu sich nach Hause.
Terry und Sylvia Lennox heiraten ein zweites Mal. Sie wollen es nochmal versuchen. Für Terry eine gute Wahl. Denn mit der Hochzeit mit der Tochter des schwerreichen Harlan Potter ist das Thema Geld und die damit verbundenen Sorgen für Terry ein für allemal aus der Welt. Bis der Tod sie scheidet. Der Scheidungstermin kommt schneller als gewollt. Für die Polizei steht Terry schnell als Täter fest. Da kann nur einer helfen: Sein Freund Philip Marlowe.
Tijuana heißt das Sehnsuchtsziel des abgehalfterten Millionärsgatten. Und Marlowe soll ihn hinbringen. Denn die Bullen seien ihm schon auf der Spur. Was tut man nicht alles für einen Freund? Die Antwort fällt leicht: Die Schnauze halten, wenn die Polente dämliche Fragen stellt. Und Marlowe ist ein Freund.
Schon kurz nachdem Marlowe seinen Freund Lennox in die Freiheit geleitet hat, stehen die Exekutive bei ihm auf der Matte. Ob er denn einen Terry Lennox kenne, wollen sie wissen. Marlowe antwortet brav und wahrheitsgetreu. Okay, mehr wahrheitsgetreu als brav. Nur der bei der Frage, ob er ich in den vergangenen 24 Stunden gesehen habe, verfällt das Schlitzohr in alte Verhaltensmuster. Was ihm eine geräumige Unterkunft auf Staatskosten einhandelt. Rettung naht in Gestalt eines Anwalts, der partout nicht preisgeben will, wer für das Mandat die Kosten übernimmt. Eine Zwickmühle würde man diese Situation, in der sich Marlowe befindet, wohlwollend nennen. Marlowe selbst nennt es Berufsrisiko.
Und irgendwie kommt er da schon wieder raus, aus der Sache. Doch zuerst einmal aus dem Knast. Die Zeitungen berichten – nicht gerade übermäßig – über den Fall. Die Tochter eines Reichen tot, deren Gatte beschuldigt, ebenfalls tot. Marlowe schwant Böses. Das passt alles viel zu gut. Im Knast hatte man ihn mit Zeugenaussagen konfrontiert, die den gesamten Fluchtweg Lennox‘ lückenlos nachvollziehen ließen. Wie es auch sei, Marlowe scheint aus dem Schneider zu sein…
Die Freiheit genießend schlendert Marlowe in sein Büro. Och nee, schon wieder trouble! Da steht so ein aufgeblasener Schnösel, schwadroniert über seinen Reichtum und wie er zu Terry Lennox steht. Steht? Nicht stand? Ein Brief gibt Aufschluss…
Zum Abschluss der Philip-Marlowe-Reihe gönnt Raymond Chandler seinen Helden einen echten Leckerbissen: Eleanor King. Wäre er Sprachwissenschaftler hätte Marlowe es wissen müssen. Der Name Eleanor könnte auf das griechische Wort für Gnade oder das germanische Ursprungswort für fremd, anders hindeuten. Doch Philip Marlowe ist kein Theoretiker, er ist handfester Praktiker. Und so kommt es, dass sich dieser attraktive Auftrag in einen mörderischen verwandelt. Und königlich ist nicht einmal das Gehalt … bestenfalls fürstlich.
Clyde Umney hat ihm die Suppe eingebrockt. Der Anwalt hat sich die Chose nicht ausgedacht. Er hat den Auftrag für den Auftrag von der Ostküste bekommen. Seine Assistentin soll Marlowe mit den Einzelheiten vertraut machen. Die Zeit drängt, da Eleanor King bald verreisen wird. Das Herzchen von Assistentin versorgt Marlowe nur spärlich mit Informationen. Mit ihren Reizen umso mehr.
Marlowe verfolgt Mrs. King. Sie reist mit dem Zug. Er hinterher. Schnell stellt er fest, dass es auch andere auf sein Beschattungsobjekt abgesehen haben. Als er dies nach langem Hin und Her Clyde Umney mitteilen kann, ist der plötzlich lammfromm. Und er will Marlowe mehr Informationen geben, was er eigentlich gar nicht vorhatte.
Eleanor King wird erpresst. Von wem? Sie nennt sich auch mal Betty Mayfield. Warum? Und sie entwischt Marlowe. Wie das? Letzteres ist schnell behoben. Da tanzt sie. Ein wenig angewidert, doch sie tanzt. Mit Larry Mitchell. Das ist der, der ihr zuvor Angst eingejagt hat, sie erpresste. Marlowe hat dies mit dem Stethoskop vom Nachbarzimmer aus mitgehört. Mitchell hat ziemlich einen in der Krone. Kurze Zeit später liegt er tot auf ihrem Hotelzimmerbalkon, und sie sitzt bei Marlowe und beichtet ihm. Und bietet ihm ein königliches Gehalt, wenn er ihr hilft.
Klare Aussichten sehen anders aus. Marlowe weiß inzwischen, dass Elisabeth Mayfield ihren Namen in Eleanor King änderte. Aus Washington ist. Und von dort fliehen musste. Deswegen der neue Name. Wenn das rauskommt, sieht es schlecht um sie aus. Ach ja, und noch was: Sie hat Geld, viel Geld. Und sie sieht gut aus. Was es Marlowe erheblich vereinfacht. Was die Ermittlungen hingegen überhaupt nicht vereinfacht, ist das Spiel, was Betty Mayfield spielt. Denn dieses Mal ist alles anders, fremd. Und Gnade kann er keinesfalls erwarten…
Sieben Romane in neunzehn Jahren – klingt auf den ersten Blick nicht gerade sehr produktiv. Aber es sind sieben Philip-Marlowe-Romane von dem einen Raymond Chandler. Und jeder ein Juwel. In diesem Buch schreibt Chandler über sich und seinen Helden Marlowe. Und so unproduktiv war er gar nicht. Denn viele seiner Romane sind aus teils mehreren Kurzgeschichten zusammengestellt worden.
„Die simple Kunst des Mordes“ ist eine ungewöhnliche Biographie. Denn Raymond Chandler erzählt selbst in Brieffragmenten aus seinem Leben. Die Briefe sind an Freunde, Verleger, Herausgeber gerichtet. Als Leser lernt man Raymond Chandler dadurch kennen und schätzen. Den Adressaten beschreibt er sich opportun – mal ist er schüchtern, mal ein Draufgänger. Chandler wusste um die Macht des Wortes und setzte dies ein. Durch den Erfolg seiner Romane und der vielfachen Verfilmungen konnte er es sich leisten.
Die Liebe zu seiner Frau war die schwerwiegendste Zäsur in seinem Leben. Sie starb Ende 1954. In den Briefen aus dieser Zeit geht hervor, dass sie die große Stütze in seinem Leben war. Chandler sprach in den Monaten danach öfter von Selbstmord, ein Versuch endete kläglich in der Badewanne.
Chandlers Ruf als erstklassiger Krimiautor handelte ihm eine Unzahl an Fragen zum perfekten Verbrechen bzw. Krimi ein. Gern ließ er sich auf dieses Frage-Und-Antwort-Spiel ein. Nicht ohne eine Prise Sarkasmus. Chandler ließ sich auch gern bitten. Seine Gedanken zum Kriminalroman sind bemerkenswert: Nicht die Frage nach dem Mörder ist spannend, sondern die Beobachtung des Mörders und dessen Entlarvung hält den Leser bei der Stange. Nach seinem Ermessen gibt es keinen perfekten Kriminalroman. Was vor hundert Jahren im Buch funktionierte, führt zu Chandlers Zeiten eher zu Kopfschütteln. Indizien, die einmal den Mörder die Maske entrissen, sind zu seiner Zeit ein Indiz für die Irreführung des Lesers.
Raymond Chandler brachte diese Sichtweise auch ins Filmbusiness mit. Als Drehbuchschreiber wurde gleich seine erste Arbeit („Frau ohne Gewissen“ von Billy Wilder) mit einer Oscar-Nominierung belohnt, ebenso wie zwei Jahre später sein Drehbuch für „Die blaue Dahlie“.
„Die simple Kunst des Mordes“ gibt Einblick in die Kriminalliteratur, wie Chandler sie sah und seine Beziehung zu Philip Marlowe. Als Zuckerli gibt es zum Abschluss das Romanfragment „The Poodle Springs Story“, das er nicht mehr zu Ende schreiben konnte.