Darren Mathews – Texas

Genevas Bar war schon immer hier. So scheint es. Am Highway, wo sich Trucker und Einheimische den Whiskey ihren Rachen runterlaufen lassen, wo für knapp fünf Dollar ein Sandwich den Magen wärmt, wo Geneva für die wichtige Ordnung sorgt. Sie hat ihren Sohn schon vor Langem zu Grabe getragen. Und seitdem trägt sie Trauer im Herzen, ohne daraus eine Mördergrube zu machen. Die Idylle – wenn man es überhaupt so nennen darf – gerät ins Wanken als in der Nähe zwei Leichen entdeckt werden. Eine junge – weiße – Frau. Und schon werden im Umkreis von ein paar Meilen alle – schwarzen – Männer erstmal verhaftet, zumindest sehr genau unter die Lupe genommen. Kurz zuvor wurde die Leiche eines – schwarzen – Mannes gefunden. Da herrschte bei den Cops noch Routine. Geneva weiß, dass bald schon Aufruhr herrschen wird im Osten von Texas.

Texas Ranger Darren Mathews muss die Morde aufklären. Besser heute als morgen. Denn je länger die Untersuchungen andauern, desto mehr brodelt die Gerüchteküche. Schuldzuweisungen machen nicht nur die Runde, sie werden lauter und lauter. Und Mathews hat auch schon einen Verdacht: Die arische Bruderschaft hat irgendwie ihre brauen Finger im mörderischen Spiel. Das laut auszusprechen, birgt für ihn aber große Gefahren. So was sagt man nicht laut, wenn man keine stichhaltigen Beweise hat und schon gar nicht wenn man als Einzelkämpfer für Gerechtigkeit zu sorgen hat. Und erst recht nicht, wenn man seine Hautfarbe hat…

Mathews ist aber auch ein Ehrenmann mit festen Prinzipien. Die haben ihm seine Verwandten eingeimpft. Niemals einen Anlass zur Beschwerde geben. Äußerlich, aber auch innerlich immer korrekt sein. Er trägt den Stetson wie selbstverständlich, seine Kleidung ist stets gepflegt. Und sein Gewissen ist rein. Seine Vorgehensweise unermüdlich gewissenhaft. Das hilft ihm aber auch nicht weiter als er seine Nachforschungen zum Tod der gefundenen Leichen beginnt. Man ist höflich zu ihm – noch. Man antwortet exakt auf das, was er fragt. Aber nur so viel wie nötig. Die so genannte Mauer des Schweigens scheint für Mathews unüberwindbar. Aber wer sich in Sicherheit wiegt, hat in Texas Ranger Darren Mathews einen unerbitterlichen Gegner.

Selten zuvor hat es eine Autorin geschafft derart rasant den Leser in eine Geschichte hineinzuziehen wie Attica Locke. Schon nach wenigen Zeilen sieht man den Film vor seinen Augen: Den gleichgültigen Bayou, die verzweifelten Bewohner mitten im Nirgendwo im Osten von Texas, die immer gleichen Gesprächsfetzen in Genevas Bar, der unterschwellige und der offene Rassismus, die verlorenen Seelen, die Einöde, die Normalität, die zu zerbrechen droht, weil zwei Menschen unterschiedlicher Hautfarbe tot aufgefunden wurden. Das „Wer war es?“ rückt in den Hintergrund, wenn die Angst alle Regeln auf den Kopf zu stellen droht.

 

In Schnulzenromanen ist nach wenigen Zeilen oft schon klar wohin die Reise geht. Er und Sie können nicht miteinander, weil vor Jahrzehnten Dies und Das geschehen ist. Missverständnisse und Familiengeheimnisse allenthalben. Spannung ist da nur bedingt enthalten.

Nun stellen wir uns einmal folgendes vor: Tief in der texanischen Provinz verschwindet ein Junge. Mitten im Dickicht der Uferbepflanzung (bleiben wir bei der sachlichen Beschreibung der Umgebung – die Ermittler müssen es ja schließlich auch sein). Ein Texas-Ranger wird beauftragt den Jungen zu finden. Das ist schließlich sein Job. Dass ein wütender Mob dazugehört, ist heutzutage nicht mehr zu vermeiden. Soweit die Geschichte.

Texas – Land der Freiheit, wo alles ein bisschen größer ist, wo alles möglich ist. Nun ist es so, dass Texas-Ranger Darren Mathews schwarz ist. Das muss in diesem Zusammenhang genannt werden, weil … naja, weil es wirklich und traurigerweise immer noch von Belang ist. Der Junge ist weiß. Auch das muss so benannt werden. Sein Vater sitzt im Knast. Schon und noch sehr lange. Drogen, Raubüberfälle – ’ne ziemliche Latte an Delikten, die man ihm zur Last gelegt und bewiesen hatte. Außerdem ist Bill „Big Kill“ King Captain bei der Arischen Bruderschaft. Jetzt wird’s interessant! Ein Rassist bittet die Behörden – die, gegen die er vehement kämpft und die ihn hinter Gitter gebracht haben seinen Jungen zu finden. Seine Frau, die Mutter des Kindes ist in der Zwischenzeit mit einem Anderen zusammen. Auch ein Arischer Bruder. Man kann davon ausgehen, dass Big Kill niemals im Sinn hatte einen Schwarzen zu bitten ihm zur Seite zu stehen. Darren Mathews Boss bittet nun aber genau ihn, den schwarzen Texas-Ranger den Fall zu übernehmen. Denn der kennt sich in der Gegen wie kaum eine Anderer aus. Die Hautfarbe spielt dieses Mal keine Rolle. Mathews nimmt an. Warum auch nicht?!

Doch der Fall unterliegt einem gewissen Zeitdruck. Gerade erst wurde Donald Trump – in einem für mitteleuropäisch-humanistisch geprägtes Verständnis gewagten Verfahren – zum Präsidenten gewählt. Und das FBI hat Sorge, dass es mit so manchem Fall nach der Amtseinführung nicht mehr vorangehen könnte. Die Geschichte lehrt uns, dass diese Befürchtungen nicht unbegründet waren und sind. Und somit könnten schon in ein paar Wochen die Steine auf dem Weg zu weiteren Ermittlungen gegen die Arische Bruderschaft unüberwindbar sein.

Darren Mathews ermittelt ein weiteres Mal zwischen Moral, tief verwurzeltem Rassismus und der niemals versiegenden Zuversicht, dass Vergebung keine Einbahnstraße bleiben muss.