Skandal

Endlich bekommt Suguro die verdiente Ehrung als Schriftsteller. Die Preisverleihung nutzt er, um sich bei den „üblichen Verdächtigen“ zu bedanken. Im Anschluss huldigen ihm Freunde, Weggefährten, und selbst die Kritiker sind in Anbetracht der Ehrung milde gestimmt. Da zupft ihm jemand am Ärmel. Eine junge Frau. Er, die sechzig schon hinter ich gebracht – sie die dreißig noch vor sich. Sie kennen sich doch, meint sie. Erinnere er sich nicht? Das Portrait, der schöne Abend in Shinjuku, im Tokioer Vergnügungsviertel Kabuki. Dort, wo die Pornokinos sind, die Leuchtreklamen kurzzeitigen Spaß verheißen, wo man anonym … na ja, was schon?!

Zu viel der Ehre für den verehrten Suguro. Er hat nicht den leisesten Schimmer wer die Dame ist, geschweige denn wovon sie überhaupt redet. Dann ist sie verschwunden. Die Presse hinter ihr her. Und Suguro ziemlich verdutzt. Er soll sich in diesem Viertel herumgetrieben haben? Wie es scheint sogar regelmäßig. Er, dessen Frau zuhause die Arbeit trotz Rheuma verrichtet. Rheuma, das er ihr wohl zugefügt hat, wie er meint. Er, der Schriftsteller, der Bigotterie und unchristliches Verhalten im tiefsten verdammt.

Was, wenn doch was an der Geschichte dran ist? Suguro schiebt diesen Gedanke beiseite. Denn für ihn gibt es nur eine Lösung: Ein Doppelgänger treibt einen gewaltigen Schabernack mit ihm. Und den muss er finden. Zur rede stellen. Und die Welt ist wieder in Ordnung. So weit so gut. Nach und nach kommen Suguro gehörige Zweifel an seiner Idee vom Doppelgänger. Immer öfter drängt sich ihm der Gedanke auf, dass die junge Frau vielleicht doch Recht haben könnte. Doch dann müsste er es doch wohl wissen, oder?!

Shūsaku Endō spielt Katz und Maus mit dem Leser und dem geplagten Suguro. Es wäre ein Skandal, wenn der honore Autor sich des Nachts in den dunklen Gassen der Millionenmetropole Tokio herumtriebe, um seinen Trieben freien Lauf zu lassen.

Mit sicherem Schritt führt Shūsaku Endō durch das wilde Leben in Kabuki. Hier herrschen eigene Regeln, mit eigenem Wortschatz, mit strengen Kodexe. Mit wachem Verstand schickt er Suguro in die Unterwelt, die ihm den Strick um den Hals zu legen scheint, der ihm das Genick brechen kann. Er wartet nicht auf den heldenhaften Retter auf dem weißen Pferd, der in letzter Sekunde den Strick mit Geschick durchtrennt. Suguro ist dieser Retter selbst. Doch vielleicht er noch viel mehr….