Schalom

Schalom

Schalom – Friede, Schalom – Kriegerhelm, Schalom – hallo! Immer dasselbe Wort, drei verschiedene Bedeutungen. Im belarussischen ist es die Pickelhaube. Und die hat André auf dem Kopf. André ist Künstler und darf das. Und er ist Weißrusse, Belarusse. Gerade eben hat er noch an Vernissagen in Bonn teilgenommen, jetzt geht es wieder heim. Heim nach Belarus, nach Mogiljow. Ihn schaudert’s bei dem Gedanken daran. Zurück zu Frau und Kind und Schwiegermama, der er unbedingt Stiefeln mitbringen soll.

Ein letzter Tag in Bonn, Einkaufen heißt es nun. Wie jeder gute Tourist will er denen, die ihn sehnsüchtig erwarten auch was mitbringen. Doch André ist eben nicht nur Künstler, sondern auch begnadeter Trinker. Der letzte Tag beginnt mit Katzenjammer. Beim Bummel über den Flohmarkt erregt etwas seine Aufmerksamkeit. Erst flüchtig, doch dann immer heftiger. Eine Pickelhaube. Schalom Schalom! Hallo Mützchen! Der Schwiegermutterwunsch rückt in immer weitere Ferne. Ein schnelles Wortgefecht mit dem Verkäufer und schon hat André eine Kopfbedeckung und jede Menge Redestoff für den Trip nach Hause…

Artur Klinaŭ ist selbst Künstler, gibt die Zeitschrift „pARTisan“ in Weißrussland heraus. In seinem ersten auf Deutsch veröffentlichten Roman „Schalom“ nimmt er die weißrussische Seele aufs Korn. André hält sich nicht an Konventionen. Sein Weg zurück in die Heimat ist ein Roadtrip, ein homecoming-Dilemma im Prozentbereich. Mit Promille geben sich weder Autor noch Protagonist zufrieden. Es gibt immer einen Grund zum Trinken. Und zum Menschen kennenlernen. Die Pickelhaube, Schalom, ist der (Bier-) Büchsenöffner für die Völkerverständigung vom Rhein an den Dnepr.

André bedauert zutiefst hier verankert zu sein. Nicht in Minsk. Dort, wo Chaim Soutine und Marc Chagall wirkten. In Mogiljow ist niemand zuhause, den man kennt. Auch ihn kennt man nicht.

Die Pickelhaube verleiht dem nimmermüden Künstler und Geschichtenerzähler André das Gefühl von Erhabenheit. Er ist der General der Landstraße. Und je weiter er gen Osten reist, desto inniger wird die Beziehung zu seinem Alter ego, seiner Kopfbedeckung. Die Assoziationen, die sie und die er hervorrufen werden immer kruder. Doch Hauptsache ist doch, dass die Kehle geschmiert werden kann.

„Schalom“ liest sich wie aus einem Guss. Kein Schenkelklopferroman. Vielmehr ein hintersinniges Schriftstück, das den Leser immer weiterlesen lässt und die Spannung bis zum Schluss aufrecht hält. Der vermaledeite Helm ist Türöffner und Stolperstein zugleich. André ist es recht. Er fordert es regelrecht heraus mit ihm ins Gespräch zu kommen. Und mit ihm zu trinken. Der Leser sitzt immer mit am Tisch, als stummer Beobachter.