Endstation Hoffnung

Eines steht von vorn herein fest: Das Cover und schon beim ersten Überfliegen des Kapitelverzeichnisses gibt es keinen Zweifel mehr, dass einem beim Lesen ab und an, hier und da der Atem stocken wird. Leb wohl, du trautes Heim – Im Viehwagen – Endstation Auschwitz. Der Untertitel „Der ultimative Roman über den Holocaust“ ist nicht nur der reißerische Aufrüttler, es wird grausam, es wird schonungslos – aber auch hoffnungsvoll.

Isaia Maylaender als blauäugig zu betiteln träfe nicht einmal ansatzweise den Kern. Seine Eltern werden als Juden nach Auschwitz deportiert. Anfangs begegnet der Vater allem noch mit einem gewissen Spott – seine Scherze lassen einem das Blut in den Adern gefrieren. Isaia, Professor für Geschichte in Italien, ist da – in seinen Augen – realistischer. Er weiß, dass die SS Arbeiter braucht. Er als junger Mann eine Arbeitskraft darstellt, die unbedingt erhalten werden muss. Ein Kollege spricht ihn an. Kurz ist der Plausch über die „guten, alten Zeiten als…“, denn die Realität ist unerbitterlich. Professor Bergamo hat einen Weg gefunden hier zu leben, nicht nur zu überleben, wie er sagt. Er hat sich mit den Gegebenheiten ab-und für sich einen Weg gefunden, die Zeit zu überstehen … meint er.

Das ist Isaias Ausgangspunkt für eine hoffnungsvolle Zukunft. Er hat schon fast aufgegeben seine Eltern noch einmal zu sehen. Auch seine Liebe wird er wohl nicht noch einmal sehen. So wie sich Isaia das Lagerleben vorgestellt hat, scheint es auch zu werden. Ein perfider, fast schon perverser Funken Hoffnung. Der sich bald schon in ein loderndes Feuer verwandeln soll. Und zwar in dem Moment als man ihm anträgt die Biographie eines Hauptsturmführers zu schreiben. Natürlich soll es ein heroisches Werk werden. Isaia macht sich an die Arbeit. Ablenkung in positiver wie negativer Hinsicht verschafft ihm die Frau des „Helden seiner Arbeit“. Die hat ein Auge auf den willfährigen Professor geworfen. Doch auch sie verfolgt eigene Ziele.

Isaia sieht wie Menschen gebrochen werden wie sie sich verwandeln ohne dabei Schuld auf sich zu laden. Er sieht Lebewesen, die sich verwandeln und dabei unendlich viel Schuld auf sich laden. Er sieht wie roh Menschen gemacht werden. Er sieht wie roh sich Menschen verhalten, wenn man sie lässt. Er selbst kämpft jeden Tag, jede Stunde sich selbst treu bleiben zu können. Ein Kampf, der täglich schwerer wird…

Andrea Frediani lässt Isaia Maylaender am schlimmsten Ort der Welt eine Bibliothek errichten. Dort, wo Überleben wie eine Seifenblase der einzige Regenbogen im düstersten Grau der Hoffnungslosigkeit schwach schimmert. Wie soll man Hoffnung am hoffnungslosesten Ort der Welt in Worte fassen? Die Antwort liefert eindrucksvoll Andreas Frediani. Schlicht, stringent und nicht verhandelbar schafft er Raum für einen Helden, der diese Rolle niemals für sich in Anspruch nehmen würde. Aber er weiß auch, dass er in seiner prädestinierten Position mehr bewirken kann als die meisten in Auschwitz. Dieses Bewusstsein lässt ihn sich selbst fast verleugnen.