Das steinerne Herz

Geschichtsroadtrip mal anders. Mal ganz anders. Eigentlich nicht mal ein richtiger Roadtrip. Und Geschichte? Die gibt’s hier in Hülle und Fülle. Das Besondere daran ist – allen voran – der Autor: Arno Schmidt. Für Viele ist es ein steiniger Weg sich in seinen Werken zurechtzufinden. „Das steinerne Herz“ bildet da keine Ausnahme.

Ein bundesrepublikanischer Roman wird dem Leser vorgesetzt. Einer, der sowohl Hüben wie Drüben spielt. Walter Eggers erzählt eine wahrhaft erfundene Geschichte. Er sammelt, nicht einfach so, sondern ganz spezielle Dinge. Staatshandbücher aus dem Königreich Hannover. Schon allein das muss man erstmal sacken lassen. Staatshandbücher. Er ist ein Besessener. Die Jagd allein genügt ihm nicht.

In Ost-Berlin – das gab es in den 50ern schon bzw. noch – verschlägt es ihn in die Staatsbibliothek. Ein El Dorado für einen Sammler wie ihn. Und Eggers’ Finger werden immer länger. Und länger. Bei all dem Jagdfieber behält er immer noch den Blick für das, was ihn umgibt.

Der Krieg ist aus. Das Land ist in ständiger Bewegung. Abbruch, Umbruch, Aufbruch – die Brüche im Leben der Menschen treten offen zutage. Hier wie Da. Eggers ist nicht auf den Mund gefallen. Er weiß sich anzupassen, auch sprachlich. Und für jeden, der sich in dieses Buch hineinversetzt – die durchaus eigenwillige Art jeden Satz mit einem kursiven Zitat zu beginnen, muss man erstmal erkennen und akzeptieren – tun sich Geschichten auf, die man selbst erlebt oder von der Vorgängergeneration überliefert bekommen hat. Lustig ist hier gar nichts. Zum Schmunzeln an mancher Stelle schon. Schonungslos ehrlich und ohne ein Feigenblatt vor sich zu halten, räubert Arno Schmidt in West und Ost herum. So sehr, dass bei Erscheinen das Buch stellenweise „entschärft“ wurde, d.h. Passagen wurden gekürzt oder gar weggelassen. Die Moral ist ein scharfer Angsthase.

Heute liest es sich wie „durfte man das damals schon sagen?“ – nö, durfte man nicht. Und deswegen ist dieses steinerne Herz so wertvoll. Es ist gerade mal ein reichliches halbes Jahrhundert her und doch so nah. Arno Schmidts Grenzgang zu folgen, ist verzwickt, offenbarenswert und in jeder Hinsicht einzigartig.