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Warum ist Weihnachten am 7. Januar?

Reizthema Religion. Für die Einen unverzichtbarer Teil ihres Lebens, für die Anderen unverzichtbarer Teil ihrer Lebenseinstellung. Die Gründe auf beiden Seiten sind so unterschiedlich wie die Religionen selbst. Missverständnisse sind immer vorprogrammiert, weil Religionen Leitfäden sind und die Hüter dieser Leitfäden sie meist auch „nur“ interpretieren können. Da ist es wichtig einmal genauer hinzuschauen.

Wolfgang Reinbold tut dies in seinem Podcast, der es mittlerweile auch ns lineare Fernsehen geschafft hat. Das best of ist nun – bereits zum weiten Mal – in einem Buch zusammengefasst.

Besonders in der Weihnachtszeit kommen in unseren Breiten wieder verstärkt religiöse Rituale in Mode, man hört so einiges hier und da – aber bei der Einordnung – warum, weshalb, wieso? – hapert es bei den meisten. Wer weiß schon warum Gold, Weihrauch, Myrrhe von den Heiligen drei Königen als Geschenke mitgebracht wurden?! Und wie viel hat eigentlich Halloween mit christlicher Lehre zu tun? Und was ist ein Segen, im eigentlichen Sinn?

Das geht’s schon los. Worte, die jeder kennt, sicherlich auch benutzt. Aber! Den sinn dahinter kennen nur wenige. Dieses kleine Buch – reichlich einhundert Seiten – trägt wahrscheinlich mehr zum Verständnis der Religionen bei als so mancher Interpret der Religionen.

Da immer mehr Religionen zum Alltag gehören, werden in diesem Buch nicht nur die vorherrschenden Religionen und ihre Traditionen vorgestellt, sondern auch Religionsgemeinschaften besprochen, die man vielerorts nur dem Namen nach kennt. Aleviten, Eziden, Bahai. Gehört – ja, Wissen – mmmmh, wahrscheinlich weniger.

Natürlich kann man das Buch hintereinander weglesen wie einen Roman. Doch schon bald wird man merken, dass doch nicht alles im Bewusstsein stecken geblieben ist. Also empfiehlt es sich, das Buch häppchenweise zu genießen. So liest man an einem Tag von Abraham, Chanukka und König Charles und hat schon einen weiten Bogen geschlagen.

50 Museen in Wien, die Sie gesehen haben müssen

Wien ohne Museumsbesuch ist möglich, aber … irgendwie auch wieder nicht. Die Stadt atmet an jeder Ecke royale Geschichte aus. Man kommt nicht umhin, doch mal die Nase in das eine oder andere Museum zu stecken. Man muss sie ja auch nicht suchen.

Allen voran die Albertina. Das Museum für alle, die vor allem vor Gemälden tief in sie eindringen können. Zentral gelegen, ist das Museum nicht nur Regenschutz an Schmuddeltagen, sondern und vor allem ein Augenschmaus für jedermann. Allein schon Monets Seerosen fesseln so manchen Durchgangsbesucher für etliche Minuten.

Gleich um die Ecke wird’s übersichtlicher – die Albertina kann auf einen Fundus im siebenstelligen Bereich zurückgreifen. Das Globusmuseum mag um einiges kleiner sein, doch die elegante Präsentation in den teils deckenhohen Vitrinen lässt Fernweh aufkommen. Und im Erdgeschoss ist die gesamte Welt versammelt. Denn befindet sich das Esperanto-Museum. Erstaunlich wie präsent die künstliche Weltsprache sich darstellen lässt.

Was wäre Wien ohne kaiserliche Pracht?! Nicht zu übersehen sind das Kunst- und das Naturhistorische Museum. Prachtbauten, die traditionelle Darstellung der Objekte im modernen Gewand vereinen. Beide gehören zu Wien wie Donau und Schnitzel.

Dieser Museumsband verbindet informativ und sehr gut handhabbar das Offensichtliche, Bekannte mit dem leicht versteckten. Wer weiß schon, dass Wiener Aktionismus und ein Kindermuseum (wo nun wirklich niemand meckert, wenn man Kunst anfasst) ebenso zum Stadtbild gehören wie Uhrenmuseum und Illusionen, die einen fast vergessen lassen, dass man sich in einem Museum befindet – sofern man dies möchte.

Wer Wien schon kennt, war garantiert schon in einem der zahlreichen Museen. Sie gehören einfach zu einem Wientrip dazu. Doch die kleinen, versteckten Kleinode machen diesen handlichen Band zu einem unverzichtbaren Begleiter. Und oft ist es erstaunlich nah bis zum nächsten Schauerlebnis. Die klare Gliederung und die kurzen ausreichenden Infos zur weiteren Recherche sind ein echter Anker auf dem voller Attraktionen steckenden Wiener Pflaster.

Vieles hat man vielleicht schon mal gehört, doch so recht weiß man dann doch nichts darüber. Die Texte im Buch sind Ratgeber, Appetitmacher und Wegweiser in Einem. Von Kaffee über Militärgeschichte bis zu Musik – auch hier gilt wieder: es geht nicht ohne! – ist alles dabei. Stellt sich nur die Frage wie viele Museen schafft man in einem Urlaub? Wie viele Besuche sind nötig, um Seite für Seite aus dem Buch zu besuchen? Denn eines steht fest: Man will sie alle sehen!

Anderswo atmet man, hier lebt man

Wie war das noch, damals, in Paris? Oder: Wie war das damals in Paris? Isolde Ohlbaum war – damals – in Paris. Als Au pair. Saugte die französische Lebenskultur und mit ihr die alles überstrahlende Hauptstadt auf. Doch nicht der Eiffelturm und die Prachtboulevards sind ihr vor allem in Erinnerung geblieben. Es sind die Spaziergänge, die Lesenachmittage, die Kinoabende, die ihr im Gedächtnis geblieben sind. Das viel strapazierte Wort von Freiheit trägt sie nicht wie eine Fahne vor sich her. Sie hat sie erlebt, diese liberté.

Ihre Fotos lassen Träume erstehen. Entspanntes Leben wohin das Auge blickt. Und dann diese Kurzportraits! Menschen, die Frankreich präsentieren. Erinnerungen an Frauen und Männer, die die französisch-deutsche Freundschaft symbolisieren wie nur wenige. Wilhelm Hausenstein zum Beispiel. Generalkonsul in Paris, von Adenauer ernannt, von den Nazis verbannt. Er ebnete unter anderem mit den Weg zu der Versöhnung von Deutschen und Franzosen.

Es sind die kurzen Absätze, die – zusammen mit den Portraitfotos und den Stadtansichten – ein Bild der Traumstadt Paris zeichnen, das so nachhaltig in den Köpfen der Leser haften bleibt. Es sind mehr als nur bloße Erinnerungen an Zeiten, die uns in Schwarz-Weiß träumen lassen. Es sind Alltagsszenen voller Eleganz und Nostalgie. Isolde Ohlbaum hat die unruhigen Zeiten der späten Sechsziger miterlebt. Und damit sind nicht die Straßenschlachten gemeint. Die Nouvelle vague war ihr näher als die Demonstranten. Weil hier wahrhafte Veränderungen nachhaltig gestaltet wurden. Steine werfen kann jeder. Veränderungen anstoßen und weiterzuverfolgen, dazu braucht man Courage und Ideen. Die fand sie in den Kinos und den Schriften. Den Verfassern dieser Schriften ist dieses Buch ebenso gewidmet wie denen, die immer noch träumen wollen.

Ein kleines Buch, das in seiner Einzigartigkeit jedem vom Stuhl in den Parks von Paris haut. Und das bis heute!

Samsara

Das historische Setting ist bekannt: Die Unabhängigkeitsbewegung Indiens. Die handelnden Personen sind weltbekannt und teilweise unbekannt. Der Eine ist zum Begriff des gewaltlosen Widerstandes geworden. Trug stets weiß und eine Brille. Und er starb durch eine Kugel. Mahatma Gandhi. Der Andere musste wegen des Kampfes gegen die britischen Besatzer seine Heimat verlassen, ließ sich in den USA zum Agronomen ausbilden, bereiste den Erdball, lebte in Mexiko und starb friedlich in seinem Zuhause. Pandurang Khankhoje ist sein Name und selbst das deutschsprachige Wikipedia findet nur Seiten, in denen sein Name vorkommt.

Patrick Deville, der Weltreisende mit ausgeprägtem Hang zu Geschichte(n) erzählen, nimmt sich dieser beiden Figuren der Weltgeschichte an. Bei seien Recherchen machte ihm vor allem die Corona-Situation zu schaffen, in jeder Hinsicht. Ein weiteres Mal gelingt es ihm scheinbar spielerisch biographische Daten und Anekdoten zu einem festen Stoff zu verweben, der keinerlei Kritik an sich heranlässt.

Mal taucht ein Kämpfer auf, der nur mit Mühe marodierenden Schergen entkommt. Mal ist es eine russische Autorenikone, die geschickt mit dem Leben (in diesem Falle Gandhi) verwoben wird. Stets korrekt und niemals blind dem Effekt hinterher haschend. Das ist das Erfolgsrezept der Bücher von Patrick Deville, dessen Bücher die Weltengeschichte so einzigartig dem Leser näher bringen.

Der indische Unabhängigkeitskrieg wird bildhaft immer nur als langer Marsch ohne Gewalteinsatz dargestellt. Da lief einer vorneweg, der Gewaltlosigkeit und zivilen Ungehorsam predigte (und vorlebte) und somit das Bild eines ganzen Landes – und mittlerweile von mehr als einer Milliarde Menschen – immer noch prägt. Wie es dazu kam, wird selten bis niemals erläutert. Mit einer Whatsapp-Gruppe wird er das wohl niemals geschafft haben…

Pandurang Khankhoje ist hingegen kaum bekannt. Kampf hatte für ihn etwas mit Krieg zu tun. Waffen waren durchaus eine geeignete Wahl. Sein Er und Gandhi verfolgten dasselbe Ziel. Ein freies Indien, das sich geeint eine sonnige Zukunft selbst aufbaut.

Dieser historische Roman – ein reines Sachbuch ist „Samsara“ nicht – nimmt den Leser in die Hand in eine fast schon unbekannte Welt. Drückende Hitze, längst vergangene, verschwommen wirkende Zeiten und der enorme Faktenreichtum locken den Leser durch die präzise Sprache in historische Zukunftsvisionen, die wie Seifenblasen zerplatzt sind. Patrick Deville ist wie der Großvater auf dessen Schoß man sitzt und dem man unendlich bei seinen Geschichten zuhört. Das sanfte Wippen der Schenkel ist das Umblättern im Dickicht des Unwissens. Und der Duft der Ahnen wird dem umschriebenen Duft des unbekannten Landes gleich gesetzt. „Samsara“ ist wie eine historische Science-Fiction-Saga, der man sich nicht entziehen kann.

Wien, Wien, nur Du allein …

Über kaum eine andere Stadt werden jedes Jahr derart viele Bücher veröffentlicht wie über Wien. Kaffeehäuser, Künstler, geheime Ecken – alles wird unter die Lupe genommen, weil die Archive überquellen vor Dokumenten. Es scheint ein Einfaches zu sein über Wien zu schreiben und zu berichten. Aus dem Berg an Information und neu Ausgegrabenem ragen jedoch immer wider Bücher hervor, die der Thematik mehr als nur eine Berechtigung bescheinigen. So wie „Wien, Wien, nur du allein…“. Volksbelustigung in einer der schönsten Städte der Welt.

Gabriele Hasmann nimmt das Vergnügen an dem Vergnügen vergnüglich auf den Grund zu gehen. Nicht nur der Tod is a Wiener, der Schelm auch. Und der Vergnügungssüchtige. Und der Voyeur. Und der Pionier. Und und und. Ein Sammelsurium der Kuriositäten und der kuriosen Seltsamkeiten, in einem Buch. Ein Buch, das Wienkenner in Verstaunen versetzt. Und Wien-Neulinge an den Rand der exzessiven Sehnsucht treibt.

Wien und Vergnügungen das sind zwei Dinge, die untrennbar miteinander verbunden sind. Einfach nur flanieren, das ging damals (wann auch immer damals beginnt und wann auch immer es aufhört) genau so gut wie heute. Doch irgendwann ist auch mal Schluss mit dem Müßiggang. Dann braucht man Äcktschn!

Viel ist voll mit Museen, die jeden Wienbesuch zu etwas Besonderem machen. Ob groß oder klein, jeder muss mindestens ein Museum in Wien besuchen. Doch wie war das vor ein-, zweihundert Jahren? Immer nur ins Museum? Nö! Der Prater war die Hauptattraktion der Stadt. Die Fahrgeschäfte sind bis heute Magnet für Tausende.

Freaks nannte man die Hauptattraktionen über den großen Teich. Sensationsschauen in Deutschland. Hier traten Menschen auf, die heute so niemals mehr dargestellt würden. Dass unter dem Siegel der political correctness auch die Berichterstattung darüber ins Abseits geschoben wird, ist zweifelhaft und hat nichts mehr mit Menschenwürde zu tun.

Damenkappellen (das war mal ’ne Sensation!), morbide Peep-Shows, Feuerwerk – die Liste ließe sich unendlich fortsetzen. Wien war the place to be. London und Paris waren zweifelsohne größer. Aber in der Donaumetropole bekam man auf der Straße und um die Ecke das geboten, was andernorts nur in Theatern zu besichtigen war.

Auffällig und vor allem nachvollziehbar sind die exakten Adressangaben der Autorin. Bis heute kann man so manchen „Zirkus“ noch exakt verorten. Auch wenn es dort heute anders aussieht. Wohnraum und Einkaufstempel machten so mancher Attraktion den Platz streitig, ihre Geschichte konnte sie nicht in den Boden der Vergessenheit stampfen. Dieses Buch ist ein Erinnerungsort, der dem Vergnügen der Städter ein weiteres Denkmal setzt. Der nächste Wienbesuch wird so manchen Abstecher in vergnügliche Zeiten parat halten und für so manchen Schmunzler sorgen. Denn nur der Leser dieses Buches weiß, was früher hinter diesen (neuen) Mauern vor sich ging…

Bilderbuch einer Nacht

Der Titel würde auch gut zu einem der zahlreichen Singer/Songwriter passen, der in seinem eigenen Taumel durch die Stadt irrlichtert und versucht seinem Weltschmerz mit jammernder Stimme Gehör zu verschaffen. Er wird scheitern, schon allein deswegen, weil er denkt, dass ihm der Albumtitel zu allererst eingefallen sei. Nein, Erik-Ernst Schwabach war schneller. Und heller. Und einfallsreicher. Nicht so verweichlicht. Und schon gar nicht wimmernd.

In „Bilderbuch einer Nacht“ streift die Menschheit durch eben selbige. Sie sind einholen – ein wunderbar altmodischer Begriff, der so manchem Singer/Songwriter (da sind sie wieder!) abhanden gekommen ist – sie flitzen nach dem Omnibus, sie hecheln nach Liebe, wollen sich den Wanst voll schlagen, sind Getriebene und hetzende Meute zugleich. Alles ganz normal! Normale Menschen, die dem Leben einen Moment abknüpfen wollen, um ihm ihren Stempel aufzudrücken. Alles so wunderbar altmodisch. Ein Hut ist hier ein Hut, nicht modische Accessoire, um sich einer Clique angehörig zu präsentieren. Sie alle tragen nicht die Klampfe als Wehklang über der Schulter. Die Nacht ist zum leben da. Bedürfnisse und Bedarf verschwimmen im Laternenbrei wie Tag und Nacht.

Ernst-Erik Schwabach wurde mit dem goldenen Löffel im Mund geboren. Alter Bankiersadel. Die jüdischen Wurzeln wurden von seinen Vorfahren aus verständlichen Gründen abgelegt. Auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts galt es sich seiner Religion zumindest in Acht zu nehmen. Schwabach war nun protestantisch. Mit dem Geld der Familie kaufte er sich bei Verlagen ein. Unter anderem bei Kurt Wolff in Leipzig. Er gab eine literarische Zeitschrift heraus. Er förderte Autoren und Künstler wie zum Beispiel Else Lasker-Schüler. Im Familienschloss Märzdorf las Heinrich Mann aus seinem „Untertan“ bevor er veröffentlicht wurde. Und Erik-Ernst Schwabach schrieb selbst. In der Kunstszene Deutschlands hatte der Name Schwabach einen wohlklingenden (und für viele überlebenswichtigen) Ruf. Und dennoch kennt man ihn heutzutage kaum noch.

Die Inflationszeit fraß die Reserven auf. Der aufkommende und später regierende Nationalsozialismus gaben ihm den Rest. Schwabach emigrierte nach England. Das Einkommen war im Vergleich zu den Jahren vor der Geldentwertung weniger als ein Tropfen aus dem (verdammt) heißen Stein. Dieses Buch erschiene trotzdem. Auf Polnisch. Im Exil erhielt Erik-Ernst noch eine Ausgabe, die er allerdings nicht verstehen konnte. Polnisch war nicht seine Muttersprache. Wenige Tage/Wochen später verstarb er. Von seinem Werk ist nur wenig erhalten. Von diesem Buch sind es nur eine leicht zählbare Anzahl Exemplare, die kaum noch einzusehen sind. Und so dauerte es tatsächlich fast neunzig Jahre bis „Bilderbuch einer Nacht“ endlich auf Deutsch erscheinen kann. Immer noch lesbar, erlebbar, nachvollziehbar und beeindruckend wie am ersten Tag.

Algarve

Was gibt es Schöneres als in den Süden zu düsen, um der schönsten Zeit des Jahres die Krone aufzusetzen? Ehrlich, das ist keine rhetorische Frage, was ist noch schöner als in den Süden zu reisen? In den Süden des Südens zu reisen, natürlich! Also auf nach Vila Real de Santo António und dann weiter nach Tavira, Loulé, Lagos (nein, nicht Nigeria, obwohl das ja auch im Süden liegt), ans Cabo de Sagres, eine Abstecher nach Arrifana bis man endlich in Odeceixe angekommen ist. Eine hübsche Rundreise, bei der man allerlei gesehen hat und … beim bloßen Lesen erstmal ins Grübeln kommt, wo man eigentlich ist. Erst mit dem Hauptort Faro wird so manchem klar, dass es sich um die Algarve handelt, den Süden Portugals. Dort, wo Europa in den Atlantik plumpst. Hohe Wellen schlagen einem ins Gesicht, der Wind nicht minder und bläht die Segel der Surfer auf – die Algarve aber nur auf Wind zu beschränken, wäre fatal.

Denn hier wird das Paradies greifbar. Man muss es suchen, es lässt sich finden – einfacher wird’s mit diesem Reiseband. Die Suche fällt erstaunlich kurz aus, um dem Augenschmaus Algarve nahe zu kommen. Ja, in Faro kann man was erleben, kurze Wege, endlose Strände, ausgeklügelte Infrastruktur – Katalogidylle zum Anbeißen.

Zum Reinbeißen, sich in die Algarve vertiefen – das kann man nur, wenn man sich ganz individuell auf das Abenteuer Algarve einlassen kann. Ein Schritt nach rechts hier, ein Sprung in die andere Richtung da. Und schon ist man zum Beispiel in Alte. Ein malerisches Dorf, wie Autor und Verlagschef Michael Müller es eindruckvoll beschreibt. Reichlich 2000 Menschen leben hier (noch). Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts waren es fast viermal so viele. „Das weiße Dorf“ wird mehr und mehr zum beliebten Ausflugsziel. Und so kommen die Einwohner wieder zurück – sich beeilen, bevor der Geheimtipp zum „ultimativen Geheimtipp“ mit nicht minder ultimativer Insta-Like-Garantie wird, wird fast schon zur Pflicht.

Wer die Algarve nur dem Namen nach kennt, und sich nun ein Bild vor Ort machen will, braucht Hilfestellung. Denn sonst ist man am Pool in Faro gefangen und macht sich hinterher Vorwürfe, wenn man nicht über den Beckenrand geschaut hat. So handlich das Buch ist, so exzellent ist es auch aufgebaut. Die klare Struktur macht das Suchen („ich hatte doch vorhin was gesehen … wo war das denn?!“ oder „Wo muss ich hin? Was kann ich erleben?“) zum Kinderspiel. Der kleine Sprachführer am Ende als Teil des essenziellen Grundwissens über Land und Leute sowie die schier unendliche Zahl an Besuchsmöglichkeiten für jeden Geschmack, lassen nur den einen Schluss zu: Algarve ohne dieses Buch ist möglich, aber … sinnlos vielleicht nicht. Dennoch wird es mit dem Buch in der Hand und der Leidenschaft im Herzen ein ganz besonderer Urlaub. Das ist garantiert!

Der Junge im Taxi

Die Beerdigung des Großvaters ist für Simon trauriger Anlass genug. Doch diesen Tag wird er niemals mehr im Leben vergessen. Es ist der Moment als er unvermittelt erfährt, dass Großvater einen Sohn gezeugt hat. Damals in Deutschland. Mit einer Deutschen. Und den er zurückgelassen hat. Damals in Deutschland. Simon lässt diese Geschichte nicht los. Er reist sofort los. Nach Deutschland. Ins Deutschland von heute.

Im ersten Kapitel von Sylvain Prudhommes „Der Junge im Taxi“ fühlt man sich an den Schulsport zurückerinnert. Weitsprung. Ein paar Meter zurückgehen, Anlauf nehmen und mit aller Kraft abspringen. Sylvain Prudhomme stellt sich an der Startlinie zum Fünftausendmeterlauf auf. Er läuft unbeirrt im Steigerungslauf einige Runden, um dann plötzlich abzubiegen, noch einmal Fahrt aufzunehmen und dann treffsicher den Absprungbalken zu nehmen und zu fliegen, zu fliegen, alle zu übertreffen. Und eine Punktlandung hinzulegen. Der Neue in der Familie – ein Deutscher – erzählt ihm vom verschwiegenen Sohn des Großvaters. M. ist sein Name. So mystisch und so weit entfernt wie nur irgendmöglich. Simon ist vor den Kopf gestoßen, und emotional derart berührt, dass er aus der Misere – schließlich hat man ihn systematisch aus diesem Familienkapitel ausgeschlossen, wenn selbst der „Neue“ in der Familie es weiß – eine Kraft schöpft, die ihn vielleicht verwundert, ihm sicher aber Antrieb verleiht, nach M. zu suchen. Er will am Bodensee allem auf den Grund gehen…

Simon ist ein gestandener Mann. Eigentlich dürfte ihn die Nachricht über den unsichtbaren Onkel nicht aus den Schuhen hauen. Und doch ist da etwas in ihm, das unaufhörlich arbeitet. Es pocht in seinem Herzen wie verrückt. Er muss M. nicht unbedingt finden, wobei das sicherlich die Krönung seiner Recherche wäre. Er will nur wissen, wie es M. ergangen ist. Ohne Vater aufzuwachsen. Als Kind eines Mannes, der jahrzehntelang als Erbfeind galt. Ein Gewinner des Krieges, der sich über das unterlegene (Weibs-?) Volk hermachte? Welche Auswirkungen hat dies alles auf sein Leben? Lebt er überhaupt noch?

Sylvain Prudhomme hat einen einzigartigen Stil entwickelt düsterste Kapitel im Leben eines Menschen eine poetische Note zu verleihen, alles in eine sanfte Sinfonie zu verwandeln. Fast vergisst man die traurige Geschichte von M. Man lauscht den Klängen der Worte aus der Feder des Autors – ja, man kann seine Worte hören, fühlen, manchmal sogar schmecken – und wiegt sanft den Kopf dazu im Takt seiner Melodien. Wieder einmal ein Meisterwerk, das man so schnell nicht vergessen kann. Als Urlaubslektüre (in Frankreich wie am Bodensee) ebenso perfekt wie für wissbegierige Historienleser.

Die acht Leben der Frau Mook

Die Zahl Acht hat im Koreanischen eine positive Bedeutung. Auch weil sie in ihrer Aussprache dem Wort für Reichtum und Glück doch sehr ähnlich ist.

Die Erzählerin in diesem Buch arbeitet in einem Seniorenheim. Sie möchte in Zukunft mit den Bewohnern schon zu Lebzeiten deren Nachrufe schreiben. Drei Worte sollten als Basis vollkommen ausreichend sein. Ihre Chefin stimmt nach einigem Zögern der Idee zu. Als jedoch Mook Miran an der Reihe ist, stößt die Erzählerin an die Grenzen ihres Vorhabens. Denn Frau Mook macht ihr unmissverständlich klar, dass drei Worte keineswegs ausreichend sind ihr Leben in einem Nachruf zusammenzufassen. Nicht mal dann, wenn es nur um eine erste Fassung geht. Acht Worte sind der Kompromiss ihres Gedankenaustauschs. Ein Zufall oder kontrolliertes Kalkül?

Sklavin – Fluchtkünstlerin – Mörderin – Terroristin – Spionin – Geliebte – Mutter – das sind doch nur sieben. Sieben Leben sind es! Doch die Mörderin lässt die Erzählerin nicht los. Frau Mook dachte, dass die Geliebte oder die Mutter interessanter seien. Um es vorweg zu nehmen. Alle Leben der Frau Mook – egal, ob es nun sieben oder acht oder vielleicht doch nur drei gewesen sind – sprühen nur so vor Spannung.

Wir sind im Korea der Gegenwart. Frau Mook ist mittlerweile eine alte Frau. Mit ein bisschen Geschichtskenntnissen kommt der Leser dem reichhaltigen, ereignisreichen Leben der Frau Mook schnell auf die Spur. Frau Mook wurde als Japanerin geboren. Zu einer Zeit als Japan Korea fest im Würgegriff hielt. Der scheinbar rasche und unspektakuläre Wechsel von Nord- nach Südkorea verwundert jedoch, auch die Nachruf-Schreiberin. Kaum kann sie ihre Neugier und Unrast im Zaum halten. Doch Frau Mook weiß sie zu besänftigen.

Im Buch spricht Frau Mook nicht in zeitlicher Abfolge von ihren acht Leben – es sind acht, nicht nur sieben oder drei. Und mit jedem Leben füllt sich das Puzzlebild zu einem Gesamtkunstwerk, das an Spektakel, Leid, Hoffnung, Verzweiflung und Wendungen derart überfrachtet ist, dass es locker für mehrere Leben reichen könnte. Die Leichtigkeit der Geschichten ist eine Wohltat in diesem prall gefüllten Band. Hier wird nicht ewig herumpolemisiert. Hier wird nicht andauernd über Leid geklagt. Hier spricht eine Frau, die gelebt hat. Nicht einmal, nicht zweimal, sondern mehrfach. Und hier berichtet eine Frau, die jedes ihrer Leben in vollen Zügen gelebt hat. Genießen konnte sie selten. Beobachten und lernen – das war ihr Lebenselixier. Wie sonst hätte sie die Prügelattacken ihres prügelnden Vaters sonst überstehen können? Oder die Zeit als … ach nein, das muss man sich selbst erlesen. Mirinae Lee ist nihct einfach nur eine Erzählerin mit einer genialen Idee für ein Buch. Sie Geschichtsreferentin, Geschichtentante im besten Sinne des Wortes und gewiefte Verführerin in Einem.

Kampf der Zauberer

Da kommen in einem manchmal schon böse Erinnerungen wieder hoch. Damals in der Schule als man ein Buch in einem Aufsatz unter einer fragwürdigen Fragestellung interpretieren musste. Bei „Mario und der Zauberer“ reichte es eben nicht aus, dass ein braver junger Mann, Mario, einen anderen Mann erschoss, weil der ihm gehörig auf die Nerven ging. All das Drumherum, die Gängeleien, der Weltschmerz, die Hoffnungslosigkeit spielen nur als Grundsatz in die Tat mit hinein. In der DDR reichte es vollkommen aus die Worte „Solidarität“, „Kampf gegen Faschismus“ und „Held“ irgendwie mit einzubauen, um mindestens eine Drei zu bekommen. Doch auch das kommt dem kleinen Roman von Thomas Mann nicht einmal nahe.

Dierk Wolters macht sich an die Mammutaufgabe die eingangs bösen Erinnerungen an das richtige Verhältnis von Werkskenntnis und Interpretation wegzuwischen. Als „Mario und der Zauberer“ – schon allein die Untersuchung warum das Wörtchen „und“ so bedeutungsvoll ist, lässt den Leser sich schmerzhaft an die ersten eigenen Gehversuche in Literaturverständnis erinnern – entstand, war Thomas Mann noch nicht der lupenreine Demokrat, der mit Vehemenz gegen dessen Feinde argumentierte. Das kam später, seine Radioansprachen waren der giftigste Stachel im Fleisch der Nationalsozialisten.

Hier nun steht ein Mensch unter permanenter Anspannung. So wie die Familie Mann im Italienurlaub. Das waren in diesem Fall der Zauberer selbst (also Thomas Mann, nicht das spätere – literarische – Opfer), sein Frau Katia und seine Kinder Michael und Elisabeth. Die später selbst in Italien lebte und arbeitete. Es war keine Erholung in dem Badeort möglich. Die Kinder wurden missachtet, teils massiv geärgert. Den Eltern ging es auch nicht besser. Man wurde aus dem ersten Haus am Platz verbannt. Ach nein, halt, das war ja im Buch. Man schreibt über das, was man selbst erlebt hat bzw. das, was man jeden Tag sieht.

Es ist einerlei, ob man „Mario und der Zauberer“ schon gelesen hat bevor man sich dieses kleine Büchlein mit wachsender Begeisterung einverleibt hat. Feststeht, dass man es sich ganz fest vornimmt, es nun doch einmal zu lesen, weil man es nun ja viel besser versteht. Und das ist nicht so gemeint, dass man sich erst den Film anschaut und dann das Buch liest. Das ist was völlig anderes.

Es müssen nicht endlose Bandwurmsätze sein, die hunderte Seiten zieren, um sich ins Herz des Lesers zu pflanzen. Manchmal liegt die Würze in der Kürze. So ist es auch bei diesem Buch. Für Fans und solche, die es werden wollen und nicht immer nur kopfschüttelnd vor den unzähligen Mann-Reportagen hocken wollen.