Väterland

Kaum vorstellbar, aber es gab tatsächlich eine Zeit, in der es in Argentinien kaum fanatische Fußballfans gab. Doch das war vor diesem Roman, der im Jahr 1933 in der brodelnden Metropole Buenos Aires spielt. Bernabé Ferreyra ist der Star der ganzen Liga. Steht er auf dem Spielfeld, haben Torhüter wenig zu lachen. Ein einziger Torwart hat es geschafft mal keinen Ball von ihm in die Maschen knallen zu lassen. Dafür gab`s eine Prämie und ‘nen Pokal. So war das 1933 in Buenos Aires. Bis … ja bis Bernabé Ferreyra verschwand. Einfach so. Wie schon so manches Mal zuvor. Er weiß, was er wert ist und nutzt sein Talent, um die Kasse aufzufüllen. Doch dieses Mal scheint alles anders zu sein.

Andrés Rivarola hat da so ein Gefühl. Das hat er öfter mal. Zu mehr hat er es mit seinen fast dreißig Jahren noch nicht gebracht. Sein Kumpel Gorrión ist da schon eine Stufe weiter. Als Kokaindealer hat er ein einträgliches Geschäft. Zu seinen Kunden zählen unter anderem echte Stars. Solche wie Bernabé Ferreyra. Der, der gerade die Schlagzeilen der Gazetten mit seiner Nichtpräsenz füllt. Rivarola wittert eine Geschichte, einen Zeitvertreib, vielleicht sogar den einen oder anderen Peso. Er muss nur seinem Freund, dem Dealer aus seiner misslichen Lage befreien helfen. Raquel soll ihm dabei zur Seite stehen.

Er und Raquel – ein Traum. Auch sie ist momentan nicht bei bester Verfassung. Eine Freundin ist verschwunden. Finanziell kommt María de las Mercedes Olavieta aus einer ganz anderen Liga. Viel weiter oben. Als die Befürchtungen wahr werden – María de las Mercedes Olavieta ist tot – nimmt sie liebend gern das Angebot Rivarolas an, ein bisschen für Ordnung im chaotischen Buenos Aires zu sorgen. Rivarola macht tatsächlich den flüchtigen Fußballstar ausfindig. Der brüstet sich mit seiner Macht, dass er den Clubbossen auf der Nase herumtanzen kann, wie es ihm beliebt. Denn schließlich füllt er Stadien und Kassen der Vereine. Dass er eine Beziehung mit der Tochter des reichlich suspekten Politiker Olavieta – genau der, dessen Tochter verschwunden war, getötet wurde und bald beerdigt wird – sorgt für Erstaunen im Gesicht und im Kopf des verhinderten Tangodichters Rivarola. Das ungleiche Duo – er und Raquel – geht auf Schnüffeltour durch die Szenen der Stadt. Er trifft Journalisten, die dem Fußballer in ihren Artikeln die Meinung geigen. Er sitzt mit dem Arbeitgeber Ferreyras an einem Tisch und ist angewidert von solch perfider Natur. Im Café trifft er Dichter bis Adolfo Bioy Cesares und Jose Luis Borges. Doch des Rätsels Lösung lässt noch auf sich warten. Einzig allein die Einsicht, dass sein kleines Licht viel schnell erlöschen kann als ihm lieb ist, als die vielen strahlenden Scheinwerfer derer „da Oben“, lässt ihn eine gewisse Vorsicht walten.

Martín Caparrós lässt in „Väterland“ eine Zeit wieder auferstehen, die längst vorbei zu sein schien. Fußballer, die ihren Wert als Druckmittel einsetzen, Nichtsnutze, die ihre spärlichen Fähigkeiten endlich einmal formvollendet zur Geltung bringen, eine sexy Verführerin, Straßenkampf und das Lebensgefühl einer Stadt, die allen Widrigkeiten zum Trotz immer ein Sehnsuchtsort bleiben wird. Ein Fußballkrimireisereporttango allererster Klasse!