Bei einem Spaziergang durch eine Stadt erlebt man so einiges: Hier ein neues Geschäft, dort ein gerade eröffneter Freisitz. Bei María Sonia Cristoff sieht so ein „Spaziergang“ durch Buenos Aires ganz anders aus. Tonia und Cecilio krachen zusammen. Aus dieser banalen Begegnung entspinnt sich ein Wirrwarr der Gefühle, das den Leser nur schwerlich wieder aus seinen Fängen freilässt.
Tagelange Funkstille wechselt mit intensiven Ausflügen, auch in die Abgründe bzw. Tiefen der menschlichen Seele. Für Rücksichtnahme gegenüber der Familie bleibt da wenig Zeit. Tonia und Cecilio, die reagierende Intellektuelle und der agierende Künstler, lassen sich von nichts und niemandem aufhalten.
Buenos Aires ist eine Stadt, in der fanatische Fußballgläubiger auf traditionelle Gauchos, in der moderne Lebensformen auf tiefverwurzelte Riten treffen. Hier regiert der Tango in der Nacht, der Fortschritt den Tag. In diesem weitläufigen Areal kommen sich zwei Menschen näher, die auf den ersten Blick so gar nichts gemeinsam haben und auch nichts Vereinendes entwickeln können. Doch nach und nach entspinnen sich die entgegengesetzt verlaufenden Lebensentwürfe. Die Autorin schafft es mit grandiosen Sprachbildern die Welten der Akteure und auch die der Leser miteinander zu verknüpfen. Was dabei herauskommt, ist ein liebevolles Portrait zweier Außenseiter, die in einer Stadt wandeln, die von jeher die Phantasie von Aussteigern und Exilanten anregte.
Die 18-Millionen-Metropole besucht man nicht einfach mal so im Vorbeigehen. Schon wegen der Entfernung zur Heimat. Was man hier erleben kann, das erfährt man in Reisebüchern. Wie man die Stadt Hafenstadt am Rio Plata am intensivsten erlebt, das gibt es nur bei María Sonia Cristoff in ihrem erstklassigen Buch „Unter Einfluss“.