Ma-ra-ze-pam. Marazepam, auf dem Markt als Maram vertrieben, ist in einer sehr nahen Zukunft (fast noch Gegenwart), die nicht die unsere ist, ein Wundermittel. Kopf- und Gliederschmerzen kennt man nur noch aus Erzählungen. Angstzustände und Antriebslosigkeit? Pah, was is das denn! Einmal eingenommen, hilft es in jeder Lebenslage. Alle nehmen es. Alle wollen es. Manche schreiben Lobeshymnen auf das Präparat an die Hersteller, andere dichten.
Die Welt, also Deutschland, Frankreich und die USA, in denen „Schlachthof und Ordnung“ spielt, ist eine zufriedene Welt. Dass Marazepam in einem Schlachthof entwickelt wurde, spielt da fast schon keine Rolle mehr. Widerstand ist vorhanden. Selbst in den Reihen des Herstellers zuckt das Gewissen Vereinzelter sporadisch auf. Und die, die diese perfekte Welt bekämpfen sollen, wollen und auch können, sind selbst Konsumenten des Psychopharmakons. Da bedarf es einigen Wortwitzes, um dem Leser kein Schwindelgefühl einzuflößen. Kein Problem für Christoph Höhtker. Zu Risiken und Nebenwirkungen befragt man am besten den dieses Romans. Die, die – im biblischen Sinne – den ersten Stein werfen können, sind unwillens und so stark beeinflusst von der teuflischen Droge, dass man alle Schutzhelme getrost beiseite räumen darf. Tieffliegende Steine, derer, die den ersten Stein werfen, gibt es nicht mehr. Wie erzeugt man also Spannung in einem von Problemen bereinigten Umfeld?
Hier liegt der Hase im Pfeffer! Denn das Feld ist bei Weitem nicht bereinigt. Vielmehr stapft man durch von Flurschäden versifftes Gebiet. Perfektion ist niemals das, was sie vorzugeben gibt. An einem Gummiseil gesichert steig(er)t man (sich) in dieses Buch hinein. Oder hinauf? Maram könnte bei der Antwortfindung vielleicht helfen? Immer wieder schüttelt es einen durcheinander. So was kann es doch niemals geben! Doch tut es. Und das schon im Jahr 2022/2023. Die Zukunft ist greifbar in diesem Buch.
Eine Droge, die Erschöpfung vergessen lässt. Schlafstörungen mit der Unterstützung eines Glas Wassers hinwegspült. Eine kleine Pille, die leistungsbereit und leistungsstark macht – so viel Gutes muss auch eine Kehrseite haben. Und wie! Nationalismus und Xenophobie, Allmachtsphantasien sind ebenso verbreitet wie Irrsinn und Realitätsverlust.
Wem bisher erschiene intellektuelle Zukunftsvisionen in geschriebener Form die Hirnzellen in Wallung brachten, wird ab sofort auf ein höheres Level dieser Art der Befriedigung gehoben. Selten trafen Intellekt und Witz auf einmal auf so hohem Niveau zusammen. Fragen Sie nicht nach Risiken und Nebenwirkungen. Noch nie stand so früh fest: Das beste Buch der Saison hat einen weißen Einband mit roter Schrift und trägt den Namen „Schlachthof und Ordnung“. Das muss reichen!