Zwei Tage nach Ostern 1928 kommt es im Kriminalgericht Moabit in Berlin zu einer der spektakulärsten Befreiungsaktionen. Otto Braun, wegen Hochverrats und Spionage (für die Sowjetunion) angeklagt und schon länger inhaftiert, wird mit Waffengewalt aus den Fängen der Justiz befreit. Ein Gerichtsschreiber wird mit einer Waffe bedroht. Diese hält Olga Benario. Die Flucht gelingt, ist jedoch der Anfang einer bis zu ihrem Tode währenden Reise. Die Waffe war nicht geladen. Dafür hatte sie sich stark gemacht. Immer wieder argumentierte sie für die Aktion bei den Genossen der KPD. Immer wieder wurde sie – sie war eine Frau – belächelt (?), zumindest jedoch hingehalten. Nun also der große Tag.
Die Aktion schlägt hohe Wellen. An den Litfasssäulen leuchten die Konterfeis des Delinquenten und seiner Befreierin. In Kinos werden ihr Heldenmut und die Chuzpe gefeiert, was dazu führt, dass ihre Gesichter aus dem öffentlichen Leben auf Geheiß der Administration verbannt werden. In den Cafés sind sie Gesprächsthema Nummer Eins. Auch Maria Osten, damals noch Maria Greßhöner und Ruth Rewald sind ganz angetan von den Schlagzeilen und der außergewöhnlichen – frechen – Tat. Rewald ist Autorin, Greßhöner Verlagsangestellte bei Malik. Man kennt sich flüchtig. Im Hinausgehen bittet Greßhöner Rewald allen vom Verein der frechen Frauen zu berichten.
Für die drei Frauen beginnt unabhängig voneinander eine Odyssee, die für keine der Drei ein gutes Ende nehmen wird. Olga Benario ist noch in Moskau, als sie Luis Carlos Prestes kennenlernt – der von ihr befreite Braun steht wieder einmal nicht mehr an ihrer Seite. Mit ihm Prestes reist sie nach Brasilien. Er soll dort einen Umsturz – ohne Waffengewalt – initiieren und umsetzen. Wie so oft in ihrem Leben wird Olga Benario verhaftet. Und nach Deutschland abgeschoben. Hier haben inzwischen die braunen Schergen die Macht. Als alt, krank und nicht mehr arbeitsfähig – so hieß das im Jargon der Nazis – wurde sie in der Euthanasie-Anstalt Bernburg 1942 vergast.
Im gleichen Jahr wurde das Urteil gegen Maria Osten umgesetzt. Ihr warf die stalinistische Justiz Spionage vor. Das sah zur damaligen Zeit nur eine Konsequenz vor: Todesstrafe. Osten war mehrmals europaweit verhaftet worden. Und immer wieder freigelassen worden. Ebenfalls 1942 schnappte die Gestapo Ruth Rewald in Frankreich und deportierte sie nach Auschwitz.
Robert Cohen muss keine Verbindungen weben, um die Geschichte dieser drei außergewöhnlichen Frauen schreiben zu könne. Er muss jedoch im Staub des Vergessens wühlen, damit dieses Netz wieder im Tageslicht seine Brillanz zeigen kann. Maria Osten, Olga Benario und Ruth Rewald sind mittlerweile fast in Vergessenheit geraten. Das Werk Ostens ist zum größten Teil vernichtet. Rewalds Geschichten sind vom Staub bedeckt. Im Osten Deutschlands erinnern Straßen und eine Jugendherberge an die „freche“ Aktivistin.
Cohen übersieht nicht, dass Idealismus und Gemeinsinn zu oft dem alles gleichmachen wollenden Aktionismus, der nur allzu gern Ehrgeiz und Ignoranz verbergen soll, so manch gutem Tun den Garaus machen konnte. „Exil der frechen Frauen“ zeigt einmal mehr, dass die Geschichte nicht vorbei ist, nur weil das Heute dem Morgen weichen musste. Geschichte darf niemals vergessen werden!