Parteigehorsam, sich aufopfern für die Partei – wer sich heutzutage mit dieser Einstellung den Kameras stellt, wird nicht mehr ernstgenommen. Die Phrasen von Partei- und Staatsführung wurden schon mehr als einmal entlarvt. Damit holt man keinen mehr hinterm Ofen hervor. Vor reichlich einhundert Jahren machte eine Frau aber mit genau dieser Einstellung Furore. Rosa Luxemburg. Ihr unermüdlicher Kampf für die Sache der Partei, der SPD, in der sie sich bezeichnenderweise nie wohlfühlte, begleitete sie bis in den Tod. Mehrere Jahre verbrachte sie in Gefängnissen. Ihre Assistentin Mathilde Jacob war ihre Verbindung zur Außenwelt. Sie tauschten Schriften und Neuigkeiten wie andere Insassen Zigaretten. Als die Haftbedingungen immer schlimmer wurden, wurde ihr Kampf auch gegen Krankheiten und Mangelerscheinungen immer heftiger.
Heftige Gegenwehr hatte auch Hannah Arendt auszuhalten. Auch sie – wie Rosa Luxemburg – musste von frühester Kindheit wegen ihrer jüdischen Wurzeln verteidigen. Gerade noch rechtzeitig schaffte sie den Sprung aus dem faschistischen Deutschland. Ihr als Verständnis angesehenes Werk über Adolf Eichmann, einem, wenn nicht dem Bürokraten der Massenvernichtung, brachte ihr Hasse und Häme entgegen. Nur wenige konnten ihrer Argumentation folgen. Doch Hannah Arendt blieb im Inneren eine Rebellin. Je stärker der Gegenwind desto überzeugender ihre Argumente.
Die Dritte im Bunde dieses spannenden Buches ist Simone Weil. Vielleicht die Unbekannte unter den Dreien. Ihr Kampf für Humanität ging soweit, dass sie sich selbst ihrem Ich verweigerte und das Aushängeschild ihrer eigenen Philosophie wurde. Das begann beim für ihre Figur unvorteilhaften Kleidungsstil und endete noch lange nicht bei der Essensverweigerung.
Es wäre zu simpel zu behaupten, dass Rosa Luxemburg, Hannah Arendt und Simone Weil drei Frauen waren, die ihre Überzeugung über das eigene Vorankommen stellten. Vielmehr gingen sie in ihrer Lebenseinstellung auf. Nicht im Sinne eines erkauften Selbstdarstellungsprozesses, sondern in der Verweigerung sich anzupassen und dem Fortschritt – mag er noch so abstrus und utopisch klingen – den Vortritt zu lassen.
Im Februar 2019 würde Simone Weil ihren 110. Geburtstag feiern können. Rosa Luxemburgs feige Ermordung jährt sich im Januar zum einhundertsten Mal. Simone Frieling erteilt diesen drei ausnahmslos beeindruckenden Frauen das Wort. Voller Wucht, jedem Widerspruch das passende Argument entgegenstemmend ist Band 76 der blue-notes-Reihe spannend wie ein Krimi, rasant wie eine Bergabfahrt und mahnend wie eine Kampfschrift, das den Leser nicht kalt lässt.