Ein Jahr gab sich Hisashi Tôhara, um seine Erlebnisse des 6. August 1945 niederzuschreiben. Jahrelang lagen sie gut aufbewahrt in seinem Haus. Als seine Frau Jahre nach seinem Tod sie wieder entdeckte, zerbröselte das Papier zwischen ihren Fingern. Sie rettete die Aufzeichnungen und schrieb sie erneut nieder. Nun sind sie endlich auf Deutsch nachzulesen. Hisashi Tôhara lebte zu dieser Zeit in Hiroshima.
Er war Schüler, besuchte die unterste Klasse der Oberschule, versuchte sich anzupassen und den Großen nachzueifern. Auf dem Heimweg, er wollte den Zug nehmen, traf er einen Freund, Ochiai. Sie fuhren zusammen ein Stück, unterhielten sich eifrig. Teenager. Mit einem Mal wurden sie geblendet. Ein Licht, so stark wie man es sich nicht vorstellen kann. Die wurden herumgeschleudert. Der Himmel verfinsterte sich. Um sie herum Feuer so weit das Auge reicht.
Hisashi läuft mit Splittern in den Füßen. Unterwegs fleht ihn eine Frau an. Ihre Tochter liegt unter den Trägern eines zusammengestürzten Hauses. Eigentlich will und muss Hisashi seine eigene Haut retten. Pflichtbewusst hilft er der verzweifelten Mutter. Weit und breit kann er weder für sich noch andere Hilfe entdecken. Überall nur Feuer, Rauch, verbrannte Erde.
Und verbrannte Haut, die mal lila, mal braun im Nebel des Rauches schimmert. Im Krankenhaus bzw. dem, was davon übrig blieb, bekommt er Hilfe. Die erste Atombombe, vor der so gut wie alle an der Entwicklung Beteiligten warnten, hat die Welt verändert. Nicht nur die japanischen Grundwerte – wie Hisashi Tôhara es eingangs des Buches bedauert. Zurückbleibt ein Gedächtnis, das im Jahr 2025 sein verzichtbares 80. Jubiläum begeht.
Was man gestern getan hat, ist noch präsent. Vergangene Woche liegt schon halb im Vergessenen. Was vor einem Monat war, ist nur noch schemenhaft zu erkennen. Hisashi Tôhara erinnert sich auch noch ein Jahr später glasklar an die Ereignisse des 6. August 1945. Mit seiner Frau wird er sein gesamtes Leben nicht über diese Ereignisse reden können. Sie vermutet einiges, wagt es aber nicht ihn zu fragen. Erst diese eindrücklichen Erinnerungen führen ihr – und nun endlich auch einem breiten Publikum – die einfühlsamen Gedanken ihres Gatten vor Augen. Der Kaiser, der für die meisten zum ersten Mal erlebbar wird als er im Radio die Kapitulation (er versteckt sich hinter der Formulierung, dass Japan dem Potsdamer Abkommen beigetreten sei) bekannt gibt, ist für Hisashi Tôhara ein Schock. Das stolze Japan ist am Boden zerstört. Hisashi Tôhara erkennt die (Trag-) Weite dieser Katastrophe jede Minute. Hier steht kein Stein mehr auf dem Anderen. Und die Gesellschaft hat sich nicht minder langsam auch verändert … meist nicht zum Guten.