Ein typischer Ausflug am Samstagvormittag mit dem Opa: Der ergraute Mann erzählt von wilden Tieren und beginnt alsbald mit der Belehrung zu den verschiedenen Pilzarten. Dass manche giftig sind und man sie auf gar keinen Fall ernten darf. Immer die Zeit im Nacken, weil die Oma mit dem Essen wartet, das pünktlich um Zwölf auf dem Tisch stehen wird. Spannung? Fehlanzeige!
Anderes Szenario. Tuahir streift mit dem jungen Muidinga übers Land. Auf der Flucht vor dem Krieg. Der alte Mann hat den Jungen bei sich aufgenommen als im der Hauch des Lebens endgültig drohte aus dem Körper zu steigen. Gehen, sprechen, singen – alles musste er ihm wieder beibringen. Nur lesen, das konnte er ihn nicht lehren. Das hat sich Muidinga selbst beigebracht.
Mosambik ist ein karges Land, das nach unseren Maßstäben wenig zu bieten hat. Wenn man Einkaufsmeilen und Eisschlecken als Maßstab nimmt. Das ungleiche Paar ist immer auf der Hut. Hyänen menschlichen und tierischen Ursprungs lauern an jeder Ecke. Ein ausgebrannter Bus soll ihr Schutzschild für die Nacht sein. Denn Tuahir weiß, was einmal brannte, brennt nicht mehr. Zwischen den verkohlten Leichen, der Überresten eines Transports findet Muidinga einige Bücher, die er zum Feuermachen benutzen soll. Stattdessen beginnt er zu lesen. Laut, so dass auch Tuahir etwas davon hat. Es handelt sich bei den Zeilen um das Tagebuch von Kindzu, einem der Opfer, der verstümmelt zwischen Tuahir und Muidinga bereits den letzten Atemzug getan hat. Doch er ist mehr als nur stiller Zuhörer…
Kindzu berichtet von Junhito, seinem kleinen Bruder, der fast taub ist dem vom Vater der frühe Tod prophezeit wird. Es kommt anders, der Vater ist der Auserwählte, der den letzten Schritt wagen wird. Junhito hat es Muidinga angetan. Er und der kleine Bruder des Tagebuchschreibers sind Brüder im Geiste. Muidinga erkennt sich in dem kleinen Jungen wieder und vermutet Junhito zu sein. Tuahir tut dies als albern ab. Die Tagebücher reißen Muidinga und auch Tuahir, der äußerlich unberührt, doch innerlich aufgewühlt, aus ihrem tristen Alltag, der von Angst und Überlebenswillen gekennzeichnet ist. Geister, die nicht jeder sieht, Schiffe als Sinnbilder der Hoffnung und gefährliche Raubtiere bilden von nun an ihre Umgebung. Unbemerkt zerren die Tagebücher die beiden – Leser und Zuhörer – aus ihrem sorgengeplagten Alltag.
Mia Couto spielt mit den Mythen seiner Heimat Mosambik. Er entführt nicht nur die beiden Hauptfiguren, sondern vor allem den Leser in eine Traumwelt, die so nur in Köpfen existieren kann. Traumwandlerisch lässt er das Land wie im Schlaf sich drehen, wenden, aufbäumen und ernüchternd zu Boden krachen. Man muss nicht nach Mosambik fahren, um die Mythen zu verstehen. Es reicht dieses Buch zu lesen. Immer wieder!