Was wären wir ohne Träume? Was wäre die Kunst ohne Träume? Kein „Inception“, keine „Traumnovelle“, kein „All I have to do is dream“. Und immer dann, wenn der Mensch nicht gern alleine ist, kommt das zum Vorschein, was der Tag nicht zu verarbeiten vermochte. So sehen es die Wissenschaftler, denen die Psychoanalyse Ansporn und Fluch zugleich ist.
Diego Castro geht es nicht anders. Die Corona-Zeit war und ist für ihn wie für viele andere auch eine aufregende Zeit. Aufregend nicht im Sinne von „Welches Abenteuer darf ich morgen bestehen?“, vielmehr ein „Oh je, morgen wird es auch nicht besser!“. Im Gegensatz zu den meisten, die am frühen Morgen mit verklebten Augen kaum die Badezimmertür erkennen und den heißen Kaffee eher über dem Tisch vergießen, statt ihn in der dafür vorgesehen Tasse zu platzieren, kann er sich an seine Träume erinnern. Und voilà, hier sind sie!
Zur Einstimmung auf die folgenden Geschichten – kurze fast schon fragmentartige Gedankenblitze, die jeweils kunstvoll zu einer Gute-Nacht-Geschichte verwoben werden – reißt es den Autor aus dem Schlaf, und er ist beseelt vom Gedanken jetzt, nun, kurz nach dem Aufstehen, gleich nach dem Morgenkaffee Kafka treffen zu müssen. Der wohnt ja gleich um die Ecke. Doch das Hausmädchen meint, er sei schon vor einiger Zeit weggezogen. In der Kneipe gegenüber wird er schon vom Wirt erwartet. Und … alles endet wie es … nein, ganz bestimmt nicht wie es enden muss.
Immer wieder führt Diego Castro den Leser in die Irre. Es sind Träume, von denn hier die Rede ist. Die sind nicht immer wie das reale Leben. Sie sind die entspannte Gegenbewegung zum Alltag. Im gleißenden Licht des Tages wird die Saat für die Nacht gesät. Nur wer fleißig war, kann im Mondschein die Ernte einfahren. Ob das Ergebnis nun immer dem entspricht, was man sich erhofft – kann man Träume eigentlich steuern? – steht auf einem anderen Blatt. Im Falle von Diego Castros „Erwachen“ steht das Ergebnis oft schon auf der nächsten Seite.
Die Schlaflosreihe bekommt Zuwachs. Aber dieses Mal kein Text aus den feuchten Kellern der Erinnerung, die zu Unrecht ein nicht beachtenswertes Dasein fristen müssen, sondern von gerade eben. Die Tinte ist noch feucht. Während andere Autoren sich abmühen, um der Corona-Zeit Dramatik zu verleihen (man weiß ja nie, wann alles vorbei ist und dann, ja dann sind diese Zeilen sicherlich viel wert, man wird zitiert etc.), liest man vor dem Zu-Bett-Gehen eine oder mehrere Miniaturen aus diesem Buch und fragt sich, ob man wohl genau so etwas träumen wird wie der Autor es schon getan hat. Und vor allem: Ob man sich erinnern kann…?!