Namenlos, erfolglos, gefühllos – ganz schön was los in Barcelona. Der aus Mexiko stammende anfangs noch namenlose (!) Erzähler erzählt von seiner Frau, der Brasilianerin, ebenfalls namenlos. Und dem Halbwüchsigen und dem Mädchen. Ebenfalls namen… was sonst. Eine Unvernunftehe ist es. Um hier bleiben zu können, nach dem Studium. Dass er Schriftsteller ist, verheimlicht er allzu gern. Zu groß die Angst vor der Blamage.
Schreibkurse gibt er allerdings sehr gern. Wenn denn jemand kommt, um sich inspirieren zu lassen. Ein Ecuadorianer kreuzt seinen Weg. Eine bretonische Friseurin verliert einen Finger – sie ist also quasi fingerlos. Und wie zaubert man daraus nun ein Alibi?
Die Antwort erliest man sich als Leser am besten selbst. Jedwede Erwartung, jede Leseerfahrung muss man dabei aber außen vorlassen. Denn Juan Pablo Villalobos gelingt mit scheinbaren Unnötigkeiten eine Szenerie zu kreieren, die an Eigenwilligkeit nicht zu überbieten ist. Seitenlang ergießt er sich in scheinbar belanglosen Gesprächen, die erst am Ende des – letztendlich doch viel zu kurzen – Buches ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Jeder noch bedeutungslose Satz, der bisher das Hirn des Lesers verwirrte, lugt mit einem verschmitzten Lächeln um die Ecke als wolle kundtun: „habe ich es Dir nicht gesagt?!“.
Es ist eine Kunst als Belanglosen (scheinbar) Bedeutungsvolles (in echt!) zu Papier zu bringen. Und erst ganz kurz vorm Schluss wird klar, der der sonderliche Schreiberling ist. Unbekannt ist er nun wirklich nicht. Warum die Handelnden ihr Los der Namenlosigkeit so duldsam ertragen, wird schnell klar: Sie wollen einfach nicht im neuen Buch des Autors erscheinen. Die Kids sind eh nicht erpicht darauf in den Zeilen aufzutauchen. Was, wenn sie jemand erkennt? Wie peinlich! Sie werden ihr blaues – in diesem Fall ihr ROTES – Wunder erleben. Und alle leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage?
Nun ja, ein Märchen ist „Das Alibi“ nicht. Aber mindestens genauso nachhaltig.