Wäre Benvenuto Cellini heute ein Superstar? Ein über alle Maßen erfolgreicher content creator, der mit allerlei Krimskrams auf sich aufmerksam machen würde? Er müsste es nicht! Denn er war ein begnadeter Goldschmied und Bildhauer. Seine Werke stehen im Louvre, in den Uffizien. Und sein Leben bietet Stoff gleich für mehrere Staffeln einer Serie. Nun war es die Gnade der frühen Geburt, dass er vom Social-Media-Hype verschont blieb – er wurde am 3. November 1500 geboren #cellini1500. Wäre auch ein guter Name für seine eigene Duftmarke.
Und von denen hatte er einige gesetzt. Mit 13 begann er eine Lehre zum Goldschmied. Die meisten seiner Follower versuchen heutzutage ihre mangelnde Hygiene mit angesagten Mittelchen zu kaschieren. Im Alter von 23 wird er wegen Sodomie verurteilt, also Sex mit etwas anderem, was keine Frau ist. So war das damals. Und außerdem hat er sich ganz ordentlich mit einem Mitglied einer anderen Goldschmiedefamilie geprügelt. Er flieht. Nach Rom. Dort spielt er auch im Orchester von Papst Clemens VII. die Flöte. Und bekommt erste Aufträge vom Stellvertreter Gottes auf Erden. Im Alter von 30 wird er zum Mörder – der Papst vergibt ihm.
Na, ist das genug Stoff für eine spannungsgeladene Biographie? Oh ja. Und es bleibt nicht dabei. Immer wieder muss Cellini fliehen. Roma, Mantua, Florenz, Pisa, Siena, Neapel, Frankreich. Immer wieder findet er sofort Anschluss. Erhält Aufträge der Machthaber. Viele seiner Arbeiten gehen verloren, werden vermutlich eingeschmolzen. Doch das, was erhalten bleibt, „Perseus“, „Nymphe von Fontainbleu“ und die „Saliera“, lässt noch heute jeden Besucher innehalten. Die Detailversessenheit ist wegweisend, prachtvoll, atemberaubend.
Andreas Beyer nimmt sich die erhaltenen Seiten der Vita von Cellini – er diktierte fleißig seine Leben einem Gehilfen – und bringt sie in eine moderne Form. Oberflächlich wird die Renaissance von einer Handvoll Künstlern bestimmt, wie Michelangelo und da Vinci. Cellini ist fast in Vergessenheit geraten. Wer will schon einem Mörder frönen?! Einem mehrfachen Mörder.
Was ist er nun, dieser Cellini? Genie, Wahnsinniger, Getriebener, Unbelehrbarer, Freigeist? Wohl eine zum großen Teil ungesunde Mischung aus allem. Von ganz oben protegiert, vom Leben ausgespuckt, von der Muse verschlungen. Dieses Buch ist ein Höllenbrand, der sich in Hirn brennt, und niemals gelöscht werden kann.