Einhundert Jahre ist es her, dass per Gesetz die Frau dem Mann gleichgestellt ist. Doch Papier ist geduldig. Das wussten die Frauen, die vor einhundert Jahren für ihre Rechte Stritten und auf dem Papier recht bekamen, auch. Und genau aus diesem Grund sind die Zeitzeugenberichte, Textausschnitte und Berichte auch heute noch so lesenswert.
Da geht eine Frau allein ins Theater – heute nichts ungewöhnliches mehr, Punkt für die Durchsetzungskraft der Frauen! Damals noch mehr als eine Anekdote. Dort trifft sie zu ihrem Erstaunen ihren Mann. Der ist nicht wie vermutet in einer Sitzung oder bei einer anderen Gelegenheit, die ihr den Mann raubt, sondern in eben diesem, demselben Theater. Natürlich ist er nicht allein. Auch nicht mit einem Kollegen, einem, der ihr schon so oft den Mann für ein paar Stunden abspenstig gemacht hat. Nein, ganz unverfroren sitzt er ein paar Reihen vor ihr, mit seiner Freundin. Das Frauchen zuhause muss ja nicht alles wissen. Sie ist ja nur eine Frau. An dieser Stelle einen weiteren Punkt zu vergeben, wäre so fatal wie grundlegend falsch. Tja, Papier ist halt geduldig…
Eine Frau zündet sich eine Zigarette in der Öffentlichkeit an. Heute kein Ding mehr … noch ein Punkt … usw. Doch sie trägt auch noch kurze Haare. Zweiter Punkt. Zur Krönung steigt sie auch noch in ein Auto und zwar auf der Fahrerseite! Das gibt Goldpunkte auf dem Gleichberechtigungskonto!
Vicki Baum, Erika Mann, Helen Hessel waren mit ihren Texten Vorreiterinnen auf dem Gebiet der gedruckten Gleichberechtigung. In den ersten drei Jahrzehnten des Literaturnobelpreises beispielsweise gab es nur drei Frauen, die den Preis errungen haben. Zehn Prozent. Alle zehn Jahre eine Frau, rein rechnerisch. Und dabei gab es doch so viele Frauen, deren Bücher bis heute dauerhaft gelesen werden. Selma Lagerlöf (die erste Frau, die den Preis gewann, 1909) ist heute noch ein Verkaufsschlager – wer kennt bzw. liest denn noch Rudolf Eucken oder Karl Gjellerup?
Brigitte Ebersbach kennt die Damen der Zunft nicht nur durch ihre Tätigkeit als Verlegerin. Die Damen sind fest in ihrem Herzen verwurzelt. Und so trägt jedes Kapitel dazu bei sich zu wundern, sich zu amüsieren, und vielleicht auch mal das Buch zu senken und innezuhalten. Auch wenn’s schwer fällt. Denn dieser Band (Band 82) der blue-notes-Reihe, die im Jahr 2019 ihr Zwanzigjähriges feiert, ist das modernste Buch der Reihe: In Zeiten, in denen Gender-Diskussionen die Gemüter erregen, die Bühnen erobern, in den sozialen Medien zu ungeahnten Hypes anwachsen, ist dieses Buch eines für jederma … äh, für jede und jeden und jedes. Nur weil die Texte schon Jahrzehnte auf dem Buckel haben, sind sie weder obsolet noch vergessen.