Am Strand zu sein, bedeutet den ersten Schritt in die Unendlichkeit zu sehen. Ihn zu tun, ist eine andere Sache. Sich im warmen Weich des Sandes der Karibik die Alltagssorgen aus den Poren zu rubbeln, ist eine sehr nüchterne Sichtweise auf die Unverstellbarkeit der Gedanken.
Bettina Baltschev sieht den Strand als Ruheort, als Sehnsuchtsort, als Ort, an dem Dichter wie Arbeiter fliehen, um ganz und gar bei sich sein zu dürfen. Acht ausgewählte Strände fügt die Autorin zu einem Gesamtbild zusammen und verblüfft, was alles unter dem Begriff Strand an Gütern angespült wird.
Der Strand bildet immer den Übergang vom festen Boden unter den Füßen in eine wacklige, schwerer zu kontrollierende Position. Seien es die Betonburgen an der belgischen Nordseeküste, die den Blick automatisch gen Meer richten lassen, weil es in der entgegengesetzten Richtung nur Grau zu sehen gibt. Oder sei es der geschichtsträchtige Utah-Beach in der Normandie, der eine weitere Wende im Schicksal der Welt einleitete. Oder sei es der Strand von Lesbos, an dem immer so lange Geschichte geschrieben wird bis die erste Welt der dritten Welt die Würde zurückgibt. Zwischendrin verbuddelt Bettina Baltschev die wortintensiven Glücksmomente von Truman Capote bei seinem Ischia-Besuch. Zu einer Zeit als Deutsch als zweite Amtssprache auf der Insel durchaus eine Berechtigung hatte.
Wer bei dem Untertitel „Über den Strand“ leutselige, kitschverkrustete Geschichten von Lagerfeuer unter Palmen, bis zum Anschlag romantische Ausflüge im untergehenden Sonnenlicht erwartet, wird sich im Handumdrehen vom literarischen Ausflugsangebot der Texte eines Besseren belehren lassen. Englands Vorzeige Badeparadies Brighton wird als logische Schlussfolgerung des Dranges nach dem Meer, der Ferne und des Strandes in seiner Entwicklung so dargestellt, dass selbst hoffnungslose Romantiker gestehen müssen, dass auch dies eine Art Sehnsucht ist, die man mit Brighton ruhigen Gewissens verbinden kann.
Dass Hiddensee unbestritten nur auf eine Art zu sehen ist – als Künstlerkolonie, die schon sehr früh als erhaltenswert anerkannt wurde – wird in keiner Zeile des Kapitels über die Ostseeinsel angezweifelt. Wer den Strand sucht, findet unweigerlich den „Rand der Glückseligkeit“ – ob „in echt“ oder in diesem Buch sei dahingestellt. Beide führen zum Ziel.