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Piemont

Feinschmeckern läuft schon bei den Untertiteln das Wasser im Mund zusammen: Albi – mmmh Trüffel, Barolo – oh ja, schenken Sie gern noch einmal nach. Nur die Piemont-Kirsche – die sucht man vergebens. Die gibt’s nämlich gar nicht!

Das gibt’s doch nicht – wird man noch öfter sagen, blättert man sich voller Ungeduld durch den Reiseband. Man beginnt bei Land und Leuten, was in einem Trescher-Reisebuch auch bedeutet Persönlichkeiten ausführlich zu begegnen. Vom Schriftsteller Cesare Pavese über Umberto Tozzi bis hin zum Autor der heimlichen Hymne Italiens „Azzurro“ Paolo Conte. Alle stammen aus dem Piemont.

Und dann kommt das Kapitel, das einem die Reiselust ins Unermessliche steigern lässt: Küche. Cucina. Das ist im Piemont reichhaltig … in jeder Hinsicht. Bis auf eben die berühmten Piemont-Kirschen. Nüsse, Nudeln, Naschereien. Ein Füllhorn, ach was, eine ganze Armada an Füllhörnern präsentiert sich an jeder Ecke und verführt. Auch schon beim Lesen.

Natürlich nimmt Turin den meisten Platz im Buch ein. Ein Industriestadt, die vielen erst auf den zweiten Blick ihre Pracht vor Augen führt. Palazzi und breite Prachtstraßen zeugen von der Macht, die von hier ausging. Turin als Hauptstadt des Piemonts vereinnahmt den Besucher gnadenlos für sich. Die ehemaligen Hausherren, das Haus Savoyen ist weithin sichtbar durch die Prachtbauten immer noch nicht wegzudenken.

Saluzzo hingegen muss man schon suchen. Und vor allem besuchen. Denn hier herrscht hauptstädtisches Flair im Kleinen. Die Stadt hat immer noch das Potenzial Turin den Rang abzulaufen. Doch die Savoyer entschieden sich für Turin. Saluzzo ist ein Kleinod, das nur eineinhalb Stunden Zugfahrt entfernt südlich von Turin, den Besucher mit seinem Charme in Empfang nimmt.

Ob nun in luftigen Höhen im Aostatal wandern oder durch die Weinberge wandeln oder gar bis zum Lago Maggiore seinen Erholungsurlaub ausdehnen – mit diesem Piemont-Reiseband ist man bestens gerüstet ohne dabei auf angenehme Überraschungen verzichten zu müssen. Und dass Alba mehr als nur Trüffel zu bieten hat, dürfte so manchen Leser/Besucher verblüffen.

Wer Schatzsuchen liebt wird hier schnell fündig. Mondovi, Valle Grana, Langhe – allesamt keine Orte, die man sofort parat hat, wenn jemand das Piemont ins Spiel bringt. Doch wer diese Worte besucht hat, wird noch lange danach von seinen Erlebnissen zehren und andere mit seinen Erzählungen anstecken.

Samsara

Das historische Setting ist bekannt: Die Unabhängigkeitsbewegung Indiens. Die handelnden Personen sind weltbekannt und teilweise unbekannt. Der Eine ist zum Begriff des gewaltlosen Widerstandes geworden. Trug stets weiß und eine Brille. Und er starb durch eine Kugel. Mahatma Gandhi. Der Andere musste wegen des Kampfes gegen die britischen Besatzer seine Heimat verlassen, ließ sich in den USA zum Agronomen ausbilden, bereiste den Erdball, lebte in Mexiko und starb friedlich in seinem Zuhause. Pandurang Khankhoje ist sein Name und selbst das deutschsprachige Wikipedia findet nur Seiten, in denen sein Name vorkommt.

Patrick Deville, der Weltreisende mit ausgeprägtem Hang zu Geschichte(n) erzählen, nimmt sich dieser beiden Figuren der Weltgeschichte an. Bei seien Recherchen machte ihm vor allem die Corona-Situation zu schaffen, in jeder Hinsicht. Ein weiteres Mal gelingt es ihm scheinbar spielerisch biographische Daten und Anekdoten zu einem festen Stoff zu verweben, der keinerlei Kritik an sich heranlässt.

Mal taucht ein Kämpfer auf, der nur mit Mühe marodierenden Schergen entkommt. Mal ist es eine russische Autorenikone, die geschickt mit dem Leben (in diesem Falle Gandhi) verwoben wird. Stets korrekt und niemals blind dem Effekt hinterher haschend. Das ist das Erfolgsrezept der Bücher von Patrick Deville, dessen Bücher die Weltengeschichte so einzigartig dem Leser näher bringen.

Der indische Unabhängigkeitskrieg wird bildhaft immer nur als langer Marsch ohne Gewalteinsatz dargestellt. Da lief einer vorneweg, der Gewaltlosigkeit und zivilen Ungehorsam predigte (und vorlebte) und somit das Bild eines ganzen Landes – und mittlerweile von mehr als einer Milliarde Menschen – immer noch prägt. Wie es dazu kam, wird selten bis niemals erläutert. Mit einer Whatsapp-Gruppe wird er das wohl niemals geschafft haben…

Pandurang Khankhoje ist hingegen kaum bekannt. Kampf hatte für ihn etwas mit Krieg zu tun. Waffen waren durchaus eine geeignete Wahl. Sein Er und Gandhi verfolgten dasselbe Ziel. Ein freies Indien, das sich geeint eine sonnige Zukunft selbst aufbaut.

Dieser historische Roman – ein reines Sachbuch ist „Samsara“ nicht – nimmt den Leser in die Hand in eine fast schon unbekannte Welt. Drückende Hitze, längst vergangene, verschwommen wirkende Zeiten und der enorme Faktenreichtum locken den Leser durch die präzise Sprache in historische Zukunftsvisionen, die wie Seifenblasen zerplatzt sind. Patrick Deville ist wie der Großvater auf dessen Schoß man sitzt und dem man unendlich bei seinen Geschichten zuhört. Das sanfte Wippen der Schenkel ist das Umblättern im Dickicht des Unwissens. Und der Duft der Ahnen wird dem umschriebenen Duft des unbekannten Landes gleich gesetzt. „Samsara“ ist wie eine historische Science-Fiction-Saga, der man sich nicht entziehen kann.

Leonard Cohens Stimme

„Um das Experiment mit Maisstärke, Wasser und einem Lautsprecher durchzuführen, spannen Sie Frischhaltefolie über die Membran des Lautsprechers und befestigen Sie sie gut mit Klebeband. Mischen Sie dann Maisstärke und Wasser in einem Verhältnis von etwa 2:1, bis ein zähflüssiger Brei entsteht. Gießen Sie dieses Gemisch vorsichtig auf die Folie und spielen Sie Musik mit starken Bässen ab. Die Vibrationen des Lautsprechers lassen die Stärke sich wie ein Feststoff verhalten und erzeugen faszinierende Muster und Formen auf der Membran, da das Gemisch eine nicht-newtonsche Flüssigkeit ist.“ Soweit die KI-Antwort auf die Stichworte Maismehl – Wasser – Lautsprecher. Soweit die Physik.

Und der ultimative Soundtrack zu diesem Experiment kommt aus den Tiefen des Bauchraums und aus Kanada.

In Caspar Battegay rufen das Timbre und die Texte wohl ähnliche Ergebnisse hervor. Das Prophetische in seinen Liedzeilen, die Wut, die Sanftheit von Leonard Cohen fängt er mit chirurgischer Präzision ein und hüllt sie in eine Sprachwolke, die dem großen Meister des lyrischen Impressionismus in nichts nachsteht. Auszüge seiner Lieder im richtigen Licht dargestellt, eröffnen selbst eingefleischten Fans eine neue Welt. Immer wieder trifft man auf Bekanntes und wird durch neue Sichtweisen mitten ins Licht geführt. Leonard Cohen bewegte zu Lebzeiten die Massen. Mit seinem Tod im Jahr 2016 nahm die Legendebildung richtig Fahrt auf. Er wird auf unabsehbare Zeit die Stimme mehrerer Generationen sein.

Hall und Rausch gehen bei ihm eine Symbiose ein, die den ganzen Körper in Beschlag nimmt. Schon beim Lesen keimt der unstillbare Wunsch noch einmal die Vergangenheit zurückzuholen als man das erste Mal diese Stimme hörte. Der Moment als eine kurze Wortfolge das Leben auf den Kopf zu stellen drohte.

Viele haben sich daran versucht Leonard Cohen zu analysieren. Oft war nur die Suche das Ergebnis. Caspar Battegay gelingt das, was vielen versagt blieb. Nämlich Leonard Cohen ein wirkliches Denkmal zu setzen, das neben der Legende besteht.

Es passiert so gut wie nie, dass man bei der gesamten Lektüre eines Buches leise vor sich hinsummt. Ein lang anhaltendes „Hallelujah“ oder ein nicht minder kurzer Dance (me) „to the end of love“ lassen sie Seiten an einem vorbeifliegen, so dass man Lust bekommt es gleich nochmal zu lesen. .

Lessons for life

Sich an Vorbildern orientieren, ist prinzipiell erstmal nicht verkehrt. Die Lebensentwürfe der Verehrten komplett zu übernehmen, kann schon mal schmerzhaft werden. Wer will schon freiwillig seine Fingerkuppen in einer Maschine im elterlichen Backwarenbetrieb verlieren? Auch wenn der in der Toscana steht. Hingegen eine Reibeisenstimme wie Gianna Nannini zu haben, kann zuweilen ganz interessant sein.

Das ist nur eine Anekdote oder Kurzbiografie oder Auszug aus dem Leben einer der Berühmtheiten in diesem Buch. Sie alle haben sich mit ihrem Tun, mit Mut, mit Willenskraft, mit Geschick irgendwann, irgendwo an die Spitze gekämpft. Und der Weg nach Oben war nie ganz einfach. Links, rechts, wieder zurück, voran, hoch, runter – das Leben macht es einem nicht immer einfach. Doch, wenn man den Thron erklommen hat, weiß man die Mühen zu schätzen.

Neunundneunzig faszinierende Personen mit nicht minder faszinierenden Lebensläufen sorgen für Ahs und Ohs. Nicht jeder Lebensweg ist für jedermann ein nachvollziehbarer Weg an die Spitze. Wer kein Tennis spielt, wird mit Roger Federer nicht viel anfangen können. Wer jedoch nicht nur kurzfristig on top sein will, der kommt an einem der erfolgreichsten Sportler aller Zeiten nicht vorbei. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass nicht die Summe der Punkte für ihn entscheidend war, sondern der Zeitpunkt, wann er punktete. Meist am Ende eines Spiels. Nix mit Weg ist Ziel etc. Am Ende k.. die Ente!

Wann brauchen wir Antrieb? Wenn wir am Boden sind oder schon früher, wenn wir merken, dass der Weg leicht abschüssig wird? Und wie kriegen wir dann die Kurve? Und was, wenn der Anstieg dann doch zu knackig ist? Erich Kästner lässt sich das innere Kind nicht verbieten. Stéphane Hessel warnt davor, sich zu früh zufrieden zu geben. Simone de Beauvoir stößt ins selbe Horn, und warnt vor selbstgerechtem Fertigsein. Man ist niemals fertig! Denn es ist erst zu Ende, wenn es zu Ende ist, glaubt man den zuckersüßen Worten von Lenny Kravitz.

Schon anhand dieser kruzen Aufzählung einiger Weniger wird klar, dass das Spektrum an Lebensweisheiten bzw. ungewöhnlichen Lebenswegen so breit gefächert wie die Welt unterschiedlich ist. Pop, Kunst, Akademien – Erfolg ist nur über Umwege erreichbar. Wie man die einzelnen Personen in sein eigenes Leben herein- oder doch nur an sich heran lässt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Nachlaufen, nachmachen ist eh kein guter Ratgeber. Eine Prise Peter Ustinov, ein Hauch Michael Caine, eine Messerspitze Friedrich Schorlemmer: nur drei Zutaten, doch der Cocktail könnte schmecken…

Wien, Wien, nur Du allein …

Über kaum eine andere Stadt werden jedes Jahr derart viele Bücher veröffentlicht wie über Wien. Kaffeehäuser, Künstler, geheime Ecken – alles wird unter die Lupe genommen, weil die Archive überquellen vor Dokumenten. Es scheint ein Einfaches zu sein über Wien zu schreiben und zu berichten. Aus dem Berg an Information und neu Ausgegrabenem ragen jedoch immer wider Bücher hervor, die der Thematik mehr als nur eine Berechtigung bescheinigen. So wie „Wien, Wien, nur du allein…“. Volksbelustigung in einer der schönsten Städte der Welt.

Gabriele Hasmann nimmt das Vergnügen an dem Vergnügen vergnüglich auf den Grund zu gehen. Nicht nur der Tod is a Wiener, der Schelm auch. Und der Vergnügungssüchtige. Und der Voyeur. Und der Pionier. Und und und. Ein Sammelsurium der Kuriositäten und der kuriosen Seltsamkeiten, in einem Buch. Ein Buch, das Wienkenner in Verstaunen versetzt. Und Wien-Neulinge an den Rand der exzessiven Sehnsucht treibt.

Wien und Vergnügungen das sind zwei Dinge, die untrennbar miteinander verbunden sind. Einfach nur flanieren, das ging damals (wann auch immer damals beginnt und wann auch immer es aufhört) genau so gut wie heute. Doch irgendwann ist auch mal Schluss mit dem Müßiggang. Dann braucht man Äcktschn!

Viel ist voll mit Museen, die jeden Wienbesuch zu etwas Besonderem machen. Ob groß oder klein, jeder muss mindestens ein Museum in Wien besuchen. Doch wie war das vor ein-, zweihundert Jahren? Immer nur ins Museum? Nö! Der Prater war die Hauptattraktion der Stadt. Die Fahrgeschäfte sind bis heute Magnet für Tausende.

Freaks nannte man die Hauptattraktionen über den großen Teich. Sensationsschauen in Deutschland. Hier traten Menschen auf, die heute so niemals mehr dargestellt würden. Dass unter dem Siegel der political correctness auch die Berichterstattung darüber ins Abseits geschoben wird, ist zweifelhaft und hat nichts mehr mit Menschenwürde zu tun.

Damenkappellen (das war mal ’ne Sensation!), morbide Peep-Shows, Feuerwerk – die Liste ließe sich unendlich fortsetzen. Wien war the place to be. London und Paris waren zweifelsohne größer. Aber in der Donaumetropole bekam man auf der Straße und um die Ecke das geboten, was andernorts nur in Theatern zu besichtigen war.

Auffällig und vor allem nachvollziehbar sind die exakten Adressangaben der Autorin. Bis heute kann man so manchen „Zirkus“ noch exakt verorten. Auch wenn es dort heute anders aussieht. Wohnraum und Einkaufstempel machten so mancher Attraktion den Platz streitig, ihre Geschichte konnte sie nicht in den Boden der Vergessenheit stampfen. Dieses Buch ist ein Erinnerungsort, der dem Vergnügen der Städter ein weiteres Denkmal setzt. Der nächste Wienbesuch wird so manchen Abstecher in vergnügliche Zeiten parat halten und für so manchen Schmunzler sorgen. Denn nur der Leser dieses Buches weiß, was früher hinter diesen (neuen) Mauern vor sich ging…

Die schönsten Museen in Brandenburg

Schauen Sie mal rein, dann können Sie weit schauen! So könnte der Untertitel des Buches lauten. Denn so weitläufig Brandenburg als Besucherlandschaft ist, so breitgefächert ist das Angebot an sehenswerten Museen, die die Wanderung kürzer oder länger unterbrechen oder als Reisziel dienen. Velten zum Beispiel ist Hedwig-Bollhagen-Land. Hier lebte sie, hier wirkte sie, hier ist bis heute ihr Lebenswerk spürbar … und zu besichtigen. Klare Linien und Formen und das unverwechselbare Blau, das zu ihrem Markenzeichen wurde.

Brandenburg en miniature – das geht. Und zwar mitten ins Herz der jüngsten Museumsbesucher. In Kleßen im Havelland sorgt das Spielzeugmuseum für feuchte Augen bei den Großen und sehnsüchtige Blicke bei den Kleinen.

Ein B ’n B der besonderen Art findet man in Buckow. Hier lebte und arbeitete Bertolt Brecht. Als ist es sogar ein B ’n B ’n B – drei Bs. Bertolt Brecht Buckow. Hier ist fast alles noch so als ob der Dichterfürst, der sich niemals als solchen bezeichnet hätte, am Morgen noch sich seine erste Zigarre angezündet hätte. In der Vitrine stehen noch Gläser, die Stühle sind schon zurecht gerückt für das Mittagessen. Stilecht, wie es Brecht sicher gefallen hätte.

Imposantester Museumstipp ist ob seiner Größe der Dom zu Brandenburg in Brandenburg in Brandenburg. Wieder drei Bs, die den Besucher mit offenem Mund dastehen, aber nicht alleine lassen. Neunhundert Jahre ist es her, dass der Bau begonnen wurde. Die massiven Ziegelwände sind nicht nur imponierende Fassade, sie sind stilprägend für Jahrhunderte und weit über die Stadtgrenzen hinaus.

Brandenburg zu erkunden, ist für viele immer noch ein Abenteuer. Viele locken die vielfältigen Wasserwandermöglichkeiten. Doch auch an Land kann und wird man sich leicht verführen lassen. Kleine Museen, die mit viel Liebe zum Detail Besucher anlocken und nicht zu viel versprechen bis hin zu unübersehbaren Denkmälern und Mahnmalen sorgen für Abwechslung auf der Pirsch durch unbekanntes Terrain.

Ein echter Appetitmacher ist dieses Buch. Für mehr Infos werden die einzelnen Kapitel mit Anschrift, Homepage und Öffnungszeiten abgeschlossen. Wer in Brandenburg nichts verpassen will, kommt um diesen Reiseband nicht herum.

Algarve

Was gibt es Schöneres als in den Süden zu düsen, um der schönsten Zeit des Jahres die Krone aufzusetzen? Ehrlich, das ist keine rhetorische Frage, was ist noch schöner als in den Süden zu reisen? In den Süden des Südens zu reisen, natürlich! Also auf nach Vila Real de Santo António und dann weiter nach Tavira, Loulé, Lagos (nein, nicht Nigeria, obwohl das ja auch im Süden liegt), ans Cabo de Sagres, eine Abstecher nach Arrifana bis man endlich in Odeceixe angekommen ist. Eine hübsche Rundreise, bei der man allerlei gesehen hat und … beim bloßen Lesen erstmal ins Grübeln kommt, wo man eigentlich ist. Erst mit dem Hauptort Faro wird so manchem klar, dass es sich um die Algarve handelt, den Süden Portugals. Dort, wo Europa in den Atlantik plumpst. Hohe Wellen schlagen einem ins Gesicht, der Wind nicht minder und bläht die Segel der Surfer auf – die Algarve aber nur auf Wind zu beschränken, wäre fatal.

Denn hier wird das Paradies greifbar. Man muss es suchen, es lässt sich finden – einfacher wird’s mit diesem Reiseband. Die Suche fällt erstaunlich kurz aus, um dem Augenschmaus Algarve nahe zu kommen. Ja, in Faro kann man was erleben, kurze Wege, endlose Strände, ausgeklügelte Infrastruktur – Katalogidylle zum Anbeißen.

Zum Reinbeißen, sich in die Algarve vertiefen – das kann man nur, wenn man sich ganz individuell auf das Abenteuer Algarve einlassen kann. Ein Schritt nach rechts hier, ein Sprung in die andere Richtung da. Und schon ist man zum Beispiel in Alte. Ein malerisches Dorf, wie Autor und Verlagschef Michael Müller es eindruckvoll beschreibt. Reichlich 2000 Menschen leben hier (noch). Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts waren es fast viermal so viele. „Das weiße Dorf“ wird mehr und mehr zum beliebten Ausflugsziel. Und so kommen die Einwohner wieder zurück – sich beeilen, bevor der Geheimtipp zum „ultimativen Geheimtipp“ mit nicht minder ultimativer Insta-Like-Garantie wird, wird fast schon zur Pflicht.

Wer die Algarve nur dem Namen nach kennt, und sich nun ein Bild vor Ort machen will, braucht Hilfestellung. Denn sonst ist man am Pool in Faro gefangen und macht sich hinterher Vorwürfe, wenn man nicht über den Beckenrand geschaut hat. So handlich das Buch ist, so exzellent ist es auch aufgebaut. Die klare Struktur macht das Suchen („ich hatte doch vorhin was gesehen … wo war das denn?!“ oder „Wo muss ich hin? Was kann ich erleben?“) zum Kinderspiel. Der kleine Sprachführer am Ende als Teil des essenziellen Grundwissens über Land und Leute sowie die schier unendliche Zahl an Besuchsmöglichkeiten für jeden Geschmack, lassen nur den einen Schluss zu: Algarve ohne dieses Buch ist möglich, aber … sinnlos vielleicht nicht. Dennoch wird es mit dem Buch in der Hand und der Leidenschaft im Herzen ein ganz besonderer Urlaub. Das ist garantiert!

Kärnten

Wer in Kärnten von Grenzerfahrungen spricht, hat sich einiges vorgenommen. Die Nähe zu Italien und Slowenien prägen schon immer diesen Landstrich, dieses Bundesland. Die größte und Hauptstadt ist Klagenfurth. Celovec, so der Name auf Slowenisch, begegnet einem allerorten. Hier wächst man zweisprachig auf. Viele sogar dreisprachig, weil das Italienische ebenso nicht wegzudenken ist. Und jedes Jahr im Frühsommer wird’s dann wieder deutscher, wenn die Tage der deutschsprachigen Literatur stattfinden. Das Literaturfestival für den deutschsprachigen Raum.

Bleiben wir noch ein wenig in Klagenfurth / Celovec, am Wörthersee und den unglaublichen Ausblicken in die Karawanken. Wer hier urlaubt, der sucht nicht zwingend die Action mit Gebrüll, der will tief einatmen, Natur erleben – und ab und an darf auch das Blut in Wallung geraten. Von fast jedem Punkt in Klagenfurth hat man grandiose Aussichten. Nach Oben und in der Horizontalen. Und wenn einem etwas die Sicht versperrt, dann ist auch das ein Augenschmaus.

Für ambitionierte Wanderer und Kletterer ist der Nationalpark Hohe Tauern das Traumziel schlechthin. Alles überragend der Großglockner. Aus dreitausend Meter Höhe ins Tal, in die Täler schauen ist hier nicht die ewig zu suchende Attraktion – hier ist das der Normzustand.

Sabine Becht und Sven Talaron machen nicht nur mit zahlreichen Bildern von Jausen und idyllischen Ausblicken Appetit auf diese Gegend, es sind die unzählbaren Tipps, die diesen Reiseband so nützlich machen. Wer also seinen Urlaub in Kärnten verbringen will, aber keine Ahnung hat, was ihn erwarten kann, der wird sich schon ein paar Tage mit diesem Buch beschäftigen können. Und dann hat er die Qual der Wahl. Fest steht jedoch, dass er bestens vorbereitet in den Westen Österreichs reisen wird.

Detailreiche Karten, unterhaltsame und informative Kästen, in denen man hinter die Kulissen schaut und klar gegliederte Kapitel sind das Pfund, mit dem dieses Buch wuchern kann, und alle anderen Reisebände verblassen lässt. Überall lauern in diesem Buch Tipps, kleine Infokästen, Wegweiser, Ortkennungen, deren Klang vertraut ist. Doch, dass das alles hier in Kärnten liegt, ist vielleicht nicht immer jedem bekannt. Es ist immer alles nur einen Katzensprung voneinander entfernt. Das erleichtert die Planung erheblich. Doch wo sind die besten Routen? Wo die eindrucksvollsten Aussichtspunkt? Und wo die besten Ratsplätze? Lesen hilft dabei enorm, sich Kärnten nachhaltig im Kopf zu behalten.

Die acht Leben der Frau Mook

Die Zahl Acht hat im Koreanischen eine positive Bedeutung. Auch weil sie in ihrer Aussprache dem Wort für Reichtum und Glück doch sehr ähnlich ist.

Die Erzählerin in diesem Buch arbeitet in einem Seniorenheim. Sie möchte in Zukunft mit den Bewohnern schon zu Lebzeiten deren Nachrufe schreiben. Drei Worte sollten als Basis vollkommen ausreichend sein. Ihre Chefin stimmt nach einigem Zögern der Idee zu. Als jedoch Mook Miran an der Reihe ist, stößt die Erzählerin an die Grenzen ihres Vorhabens. Denn Frau Mook macht ihr unmissverständlich klar, dass drei Worte keineswegs ausreichend sind ihr Leben in einem Nachruf zusammenzufassen. Nicht mal dann, wenn es nur um eine erste Fassung geht. Acht Worte sind der Kompromiss ihres Gedankenaustauschs. Ein Zufall oder kontrolliertes Kalkül?

Sklavin – Fluchtkünstlerin – Mörderin – Terroristin – Spionin – Geliebte – Mutter – das sind doch nur sieben. Sieben Leben sind es! Doch die Mörderin lässt die Erzählerin nicht los. Frau Mook dachte, dass die Geliebte oder die Mutter interessanter seien. Um es vorweg zu nehmen. Alle Leben der Frau Mook – egal, ob es nun sieben oder acht oder vielleicht doch nur drei gewesen sind – sprühen nur so vor Spannung.

Wir sind im Korea der Gegenwart. Frau Mook ist mittlerweile eine alte Frau. Mit ein bisschen Geschichtskenntnissen kommt der Leser dem reichhaltigen, ereignisreichen Leben der Frau Mook schnell auf die Spur. Frau Mook wurde als Japanerin geboren. Zu einer Zeit als Japan Korea fest im Würgegriff hielt. Der scheinbar rasche und unspektakuläre Wechsel von Nord- nach Südkorea verwundert jedoch, auch die Nachruf-Schreiberin. Kaum kann sie ihre Neugier und Unrast im Zaum halten. Doch Frau Mook weiß sie zu besänftigen.

Im Buch spricht Frau Mook nicht in zeitlicher Abfolge von ihren acht Leben – es sind acht, nicht nur sieben oder drei. Und mit jedem Leben füllt sich das Puzzlebild zu einem Gesamtkunstwerk, das an Spektakel, Leid, Hoffnung, Verzweiflung und Wendungen derart überfrachtet ist, dass es locker für mehrere Leben reichen könnte. Die Leichtigkeit der Geschichten ist eine Wohltat in diesem prall gefüllten Band. Hier wird nicht ewig herumpolemisiert. Hier wird nicht andauernd über Leid geklagt. Hier spricht eine Frau, die gelebt hat. Nicht einmal, nicht zweimal, sondern mehrfach. Und hier berichtet eine Frau, die jedes ihrer Leben in vollen Zügen gelebt hat. Genießen konnte sie selten. Beobachten und lernen – das war ihr Lebenselixier. Wie sonst hätte sie die Prügelattacken ihres prügelnden Vaters sonst überstehen können? Oder die Zeit als … ach nein, das muss man sich selbst erlesen. Mirinae Lee ist nihct einfach nur eine Erzählerin mit einer genialen Idee für ein Buch. Sie Geschichtsreferentin, Geschichtentante im besten Sinne des Wortes und gewiefte Verführerin in Einem.

Piemont mit Ausflügen ins Aosta-Tal

Wer ins Piemont reist, will sich berauschen. Die Fast-Millionenstadt Turin mit ihrer Mischung aus Industriemetropole und weitläufigen Plätzen, Boulevards und einem Füllhorn an Palästen und Stadtvillen auf der einen Seite. Andererseits aber auch wieder kleine idyllische Dörfer, die an Hängen, auf Spitzen und in Tälern dem Auge Wohlgefallen versprechen.

Kulinarisch befindet man sich hier in besten Händen. Kirschen und Nüsse kennt jedes Kind aus dem Süßwarenregal. Schlotziges Rissotto – auch das kommt von hier. Man muss nur ein wenig außerhalb der Städte sich in die Ruhe der Kleinstädte wagen und erlebt Italien, Piemont, von einer ganz besondern Seite. Manchmal ist der lack ein wenig abgeblättert. So wie in Vercelli. Noch immer sehenswert, nicht nur eine Durchgangsstation. Die große Zeit ist vorbei. Doch die Erinnerungen an vermeintlich „bessere Zeiten“ sind das Pfund, mit man hier wuchert. Wer hier studiert, tut das in altehrwürdigen Gebäuden. Wer lustwandelt, der tut das zwischen Mauern, die mehr mittlerweile mehr erzählen können als sie verbergen. Wer hier sich zu Tisch begibt, der bekommt die volle Wucht des Landes serviert.

Wem selbst das noch zu hektisch ist, der muss sich ins Valle Maira begeben. Hier bekommt der ausgelutschte Begriff von Ruhe und Erholung in seiner reinsten Form neue Nahrung. Hier ist es wild, ursprünglich. Was für Wanderfreunde und solche, die es werden wollen. Elva ist der wohlklingende Name des größten Ortes. Hier holt man sich den Schlüssel für die Kirche noch im der Locanda gegenüber ab.

Das angrenzende Aosta-Tal verlangt da schon ein bisschen mehr körperlichen Einsatz. Auf und Ab bedeutet hier wirklich Auf und Ab. Und das in Dimensionen, die den Gedanken an Fahrstühle zur Sehnsucht reifen lassen. Doch dann verpasst man einzigartige Aussichten – wo und welche, das steht alles in diesem Reisebuch.

Egal, ob aus ausgiebiger Shoppingtour durch Turin oder luxusbefreiter Wanderung mit stundenlanger Einsamkeit ohne dabei einer Menschenseele zu begegnen – das Piemont ist auf einer Skala von 1 bis 10 die definitive Zehn, will man das Komplettpaket der Erholung erfahren. Baden ist zwar nur in Seen möglich, da es keine piemontesische Küste gibt. Aber bei der Auswahl an Erkundungstouren ist das vernachlässigbar.

Sabine Becht und Sven Talaron merkt man die Reiselust und die Erkundungssucht mit jedem Abschnitt des Buches an. Umso erstaunlicher ist es, dass sie es schaffen alles (!) auf reichlich vierhundert Seiten unterbringen zu können.