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Es ist aus mit der Ruhe im saarländischen Dürrweiler. Flüchtlinge sollen hier einquartiert werden. Die Krone, Gasthof des verschwiegenen Ortes, soll dafür hergerichtet werden. Vierunddreißig Flüchtlinge sollen hier ihr neues – zeitlich begrenztes – Zuhause finden. Doch es wird für fünfundfünfzig Plätze umgebaut. Eine Bürgerversammlung soll für Aufklärung sorgen, wird aber zur tumultartigen Schreierei. Hauptangriffsziel ist der Landrat. Karlmann wie ihn alle nennen. Einer von hier. Karl-Josef Brix will die Gemüter besänftigen, doch insgeheim weiß er, dass er gegen Windmühlen kämpft.

Der Schwitzgebel David hat einen anderen Gegner ausgemacht: Das Haus des Landrats. Und er weiß wie er seinen Kampf gewinnt. Mit dem Traktor macht der die Behausung Karlmanns platt. Eine Lapalie für Bungert, den Polizisten, im Vergleich zum Tode von Kurt Bosslet. Ziemlich verrenkt liegt auf dem Kellerboden. Herzinfarkt. Seine Frau Helga steht nun allein da. Kinder haben sie keine. Der Kurt, ein Baum von einem Mann, Rennsportfan und Kommunalpolitiker.

Fred, sein alter Kumpan und seit Jahrzehnten erbitterter Widersacher erzählt seinem Enkel Joris von dem Vorfall. In so einem kleinen Ort sprechen sich solche Vorfälle schnell rum. Einst gingen Fred und Kurt gemeinsame Wege. Als Kicker in der saarländischen Nationalmannschaft, die das Wunder von Bern fast verhindert hätte. Doch die Herberger-Elf war cleverer und sicherte sich mit einem Sieg die Teilnahme an der Fußball-WM 1954 in der Schweiz. Ein Jahr später wurde das Saarland wieder Deutschland zugeordnet. Auch auf dem Papier. Daran erinnern nur noch Fotos. Fotos, die Fred nun wieder herausgekramt hat.

Der Fred und Kurt waren einst vereint im Kampf um den Anschluss des Saarlandes an Deutschland. Sie verteilten Propagandamaterial und verteidigten ihre Sachen wenn nötig auch mit Fäusten. Joris als junger Mensch, der vielleicht mal studieren möchte, ist sehr an den Geschichten von Opa Fred interessiert. Und er beginnt zu recherchieren. Zu recherchieren, warum der rote Fred und der schwarze Kurt irgendwann getrennte Wege gingen. Oder gehen mussten?!

Marcus Imbsweiler verwebt mit „55“ saarländische Geschichte und einen waschechten Krimi zu einer fesselnden Geschichte. Immer wieder unterbricht er die Gegenwart, um dem Leser ein Stück saarländische und somit deutsche Geschichte zu vermitteln. Man ist mittendrin, wenn Fußballmannschaften aufeinandertreffen, wenn Flugblätter in einer Nacht-Und-Nebel-Aktion beschafft werden, wenn der politische Kampf noch als solcher zu bezeichnen ist. Die Parallelität der Ereignisse vor sechzig Jahren und so manchem Unmut der Gegenwart ist frappierend. Der Autor beweist aber auch, dass Geschichte niemals zu Ende gehen wird.