Wie begegnet man einem Tumor? Mit Humor? Weil es sich so schön reimt? Man begegnet ihm wie einem Menschen, den man nicht mag, von man aber weiß, dass man ihn ein Leben lang nicht wieder loswerden wird. Ist man dazu noch in der Lage sein Leben, seine Gedanken und Gefühle in Worte kleiden zu können, kann man sich glücklich schätzen. Ganz ohne Pathos begegnet Autor Georges Hausemer seinem ungebetenen Gast. Er ist Ende fünfzig als der Tumor bei ihm klingelt. Und schon hat er einen Fuß in der Tür. Gegen ihn ankämpfen? Ja! Aber wie? Mit Worten!
Ein Blog, ein Blog. „Mein Tumor und ich“, später dann „Ich und mein Tumor“. Es wird eine intensive Zeit, in der Georges Hausemer mit dem ihm eigenen Humor seinem Hausgast die Stirn bietet. Die Angst schwimmt im gleichen Fahrwasser wie die Hoffnung. Ein ständiges Auf und Ab. Eine Krebserkrankung ist (zum Glück? – normalerweise? – leider?) keine gerade Linie, würde man sie ihn ein Diagramm pressen wollen.
So ein Tumor nistet sich jedoch nicht nur im Körper des Wirtes ein, sondern befällt folglich auch das Umfeld. Nicht viel um einen herum wissen dann vom neuen Bewohner. Doch diejenigen, die ihm früher oder später begegnen bzw. das Ausmaß der Einmietung zu Gesicht bekommen, sind tiefer betroffen als es auf dem Papier aussehen mag.
Ein Tagebuch ist immer eine Reise zurück. Denn nur das bereits Erlebte kann man niederschreiben. Der Krebs schließt jegliche Art von Planung konsequent aus je länger er sich eingenistet hat. Dennoch finden Georges Hausemer und seine Frau Susanne Jaspers die Zeit neue Bücher ins Auge zu fassen und wollen keineswegs aufs Reisen, wie in ihr geliebtes San Sebastian, verzichten. Immer im Gepäck: Er, der sich so aufdrängend unkomisch auf Humor reimt.
Unumgehbare Untersuchungen, unerschütterliche Diagnosen, unbeirrbarer Kampf – das ganze Leben beginnt auf einmal mit un-. Bis es irgendwann nicht mehr geht. Im Juni 2018 setzt Georges Hausemer unverrückbar (da ist es wieder, dieses un-) den letzten Punkt in seinem Blog. Von nun an ist der Blog ein digitales Erbe in einer Welt, die man nur von außen betrachten kann.
Eine Woche nach dem Tod Ihres Mannes füllt Susanne Jaspers den Zeitraum von Anfang Juni bis Mitte August. Die Kliniken, die keine sind. Die Pfleger, die ihrem gottgegebenen Recht auf Pause unentwegt frönen. Die Ärzte, die Termine vergeben, die dann doch nicht eingehalten werden. Der Patient ist eine Nummer, hinter verschlossenen Türen.
Unverschlossen (ja, wieder mal ein un-) und aufgeschlagen hingegen liegt das Leben mit dem Tumor vor dem Leser. Ein erfülltes Leben, sagt man im Nachhinein so gern. Mag stimmen. Aber wie will man etwas beurteilen, das man nicht bis zum Schluss auskosten konnte? Georges Hausemer hat die Welt gesehen und sie mit den Lesern geteilt. Er bereiste Orte, die manche erst gar nicht auf dem Globus finden. Er begegnete Menschen, die selbst erfahrene Globetrotter nur aus seinen Büchern kannten. Er berührte Menschen, die als sie vom Tod des Autors erfuhren ins Schwanken gerieten. Verlust, das ist das Wort, das man immer wieder hört und sicher noch lange hören wird. Ein Gewinn ist dieses Buch. Kein Hoffnungsgeber. Ein Tagebuch. Jeder muss für sich selbst entscheiden wie er das Buch auf- und annimmt. Georges Hausemers letzte Reise ist der lange Weg, den man als Ziel anerkennen muss.