Geschichtsinteresse wird durch besondere Taten, herausragende Persönlichkeiten und ihre Geschichten geweckt. Zuerst die Tat, dann das Marketing – so war es einmal. Wer erinnert sich noch an den Namen des Pferdes, das beim Modernen Fünfkampf bei den Olympischen Spielen von Annika Scheu, jetzt Zillekens, und auch unter Anfeuerung ihrer Trainerin derart mit der Gerte malträtiert wurde? Das Ereignis selbst führt dazu, dass ab 2028 der Wettkampf ohne Pferde stattfindet.
Und so ist es auch schon in der Antike gewesen. Wer, wann, wen geschlagen hat, vergisst man. Steht jedoch eine besondere List (und das Trojanische Pferd ist nicht das einzige Ereignis mit einem unique selling point) im Raume, wird man hellhörig. Felix Melching und David Neuhäuser holen in ihrem Podcast „Damals und heute“ derartige Besonderheiten von damals ans Tageslicht. Die dreißig besten, hervorragendsten, außergewöhnlichsten sind in diesem Buch versammelt.
Schon mal von den Amazonen gehört? Na klar. Die haben sogar einen eigenen Wald. Waren bestimmt militante Gärtnerinnen. Genug des verbalen Irrsinns – die Amazonen haben genauso wenig mit dem Amazonas-Regenwald zu tun wie die Legenden um ihre ambutierte Brust. Alles Mythos, wenn nicht sogar alles Lüge. Mit fast hundertprozentiger Sicherheit stammen sie aus der Region vom Schwarzen Meer bis nach China. Hier lebten die skythischen Völker. Und Mann und Frau waren – nicht immer, nicht überall – gleichgestellt. Das heißt, dass auch Frauen bewaffnet mit Pfeil und Bogen auf dem Rücken der Pferde (nein, nein, nein, nicht noch ein Klischee bedienen) in den Krieg zogen. Das passte den Männern, die in ihrer Hemisphäre den Ton angaben überhaupt nicht in den Kram. Und so entstand die Legende von den fuchsteufelswilden Weibern, die sich eine Brust amputierten, um besser mit dem Bogen schießen zu können.
Die Kapitel sind – wie es sich für ein ordentliches Wer zur Geschichte gehört – nach Zeitaltern geordnet. Antike, Mittelalter, Neuzeit, 19. und 20. Jahrhundert. Von den machtgierigen Frauen und planlosen Sklavenaufständen, über den dritten Papst, perfides royales Gehabe, verlorener Eigenständigkeit bis hin zu ehrgeizigen Forschern und aufkommender Idole von der Karibik über Mitteleuropa bis in den Nahen Osten – die Autoren lassen keinen Landstrich und keinen Handstreich aus, um das Geschichtsinteresse immer wieder zu entfachen. Klug, klar und knackig rauschen die Jahrhunderte seitenweise vor dem geistigen Auge durch einen hindurch. Mal kurios, mal erschreckend berechnend (der Falklandkrieg matchte so offensichtlich nicht mit der Realität, dass es bis heute verwundert, dass er tatsächlich stattfinden musste). Das sind die Appetithäppchen mit tiefer gehender Geschmackexplosion, die jeden Geschichtsfälscher das Handwerk legen.