Wales

Wales

In den 80er und 90er Jahren erzitterte regelmäßig Fußballdeutschland vor einem vermeintlichen Fußballzwerg. Immer wieder gestaltete sich das Spiel gegen die walisische Nationalmannschaft zu einer Zitterpartie – nicht immer mit befriedigendem Ausgang. Ein paar Jahre war Cardiff Austragungsort des englischen Pokalfinals, weil das Wembley-Stadion „umgebaut“ (lieblos abgerissen und emotionslos wieder aufgebaut träfe es wohl besser) wurde. Snooker-Fans kennen sicherlich Matthew Stevens und Mark Williams, die walisischen Snooker-Asse. Letzterer ist übrigens in Cwm, Ebbw Vale geboren. Somit hätten wir die dritte Assoziation mit Wales, dem Stiefkind der britischen Insel: Eine unaussprechliche Aneinanderreihung von Konsonanten.

Dieser bedauernswerte nicht einmal zum Halbwissen taugende Wissensschatz wird dank Andreas Bechmann in ein Füllhorn an Erfahrungen umgemünzt. Doch zuerst ein Blick auf das Ende des Buches. Das befindet sich eine handliche Karte, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen.

Im Jahr 2013 hat man beim Michael-Müller-Verlag endlich den Autor gefunden, der den letzten weißen Fleck Westeuropas mit strahlenden Farben füllt.

Wales steckt voller Geschichte. Kaum ein Landstrich, der nicht mit einer geschichtsträchtigen Burg aufwarten kann. Saftige Weiden und Weiten, schroffe Küstenformationen und ein schwer zu knackender, aber unglaublich liebenswerter Menschenschlag – das ist Wales. Zehn Wanderungen durch den westlichen Zipfel der britischen Insel hat Andreas Bechmann zusammengestellt, der den Besucher die gesamte Bandbreite dieses abwechslungsreichen Landes näher bringt. Zahlreiche Karten und Pläne erleichtern die Orientierung vor Ort. Farbig unterlegte Kästen unterbrechen auf unterhaltsame Weise den Lesefluss, und schon nach wenigen Seiten hat man das Gefühl Wales schon viel länger zu kennen, obwohl man noch nie dort war.

Wales ist kein Urlaubsziel für jedermann. Ein ordentliches Maß an Neugier und ein gewisse Ausdauer sollte man schon mitbringen. Hier erwarten den Besucher keine hochmotivierten Animateure auf den Straßen, die einem mit „Super-Angeboten“ in einen Klub oder eine Mall zerren wollen. Hier regiert die gegenläufige Zeit im Gleichschritt mit dem Fortschritt. Wales ohne Andreas Bechmanns Wales-Reiseführer? Möglich. Aber bei Weitem nicht so anregend und wissenswert.