Algerien ist seit der Abspaltung des Südsudan das größte Land Afrikas. Die Fußballnationalmannschaft ist immer mal wieder ein unangenehmer Gegner bei Meisterschaften. Und die grüne Revolution hat hier viel Blut hinterlassen. Und wer schon mal Camus’ „Die Pest“ gelesen hat, dem ist Algerien nicht ganz fremd. Und weiter? Was wissen wir über das Land, das Europa geographisch so nah ist? Was wissen wir über das Land, das so fern erscheint? Die Antwort dürfet bei dem überwiegenden Teil der Befragten ziemlich spärlich ausfallen.
Wer jedoch das Programm des Verlages Donata Kinzelbach kennt, weiß, dass es ein Land voller kultureller Blüten steckt. Blüten, die lange ihren Reiz zeigen, die Tiefe der Geschichte nicht als Absturz begreifen, sondern als Vollbad der Erinnerungen. Und da verwundert es nicht, dass dieses Buch des Politologen Claus Leggewie hier verlegt wird. Hier ist die Heimat all derer, die Algerien in all seiner Pracht, inklusive der Schattenseiten, darstellen möchten.
„Im Dreieck Algerien, Frankreich, Deutschland“ lautet der Untertitel des Buches. Die Verbindung Algerien – Frankreich ist allgemein bekannt und logisch nachzuvollziehen. Der Unabhängigkeitskrieg Mitte des vergangenen Jahrhunderts wirkt bis heute nach. Doch Deutschland – Algerien? Nur als Spielansetzung bei der WM 1982 und 2014 noch immer präsent. Aber sonst? Auf über dreihundert Seiten kommen Antworten auf den Tisch, die verblüffen und zum Nachdenken anregen.
„Reparationen“ – dieses Wort lässt jeden, der es hört erstmal in Habacht-Stellung gehen. Der, der es ausspricht, weiß um die Macht des Wortes. Da hält jemand die Hand auf, die der Andere zu füllen hat. Doch Claus Leggewie ist weder Moderator zwischen Gebendem und Nehmenden. Er ist der Wegweiser aus der Vergangenheit und Animateur für alle, die sich unschlüssig sind, diesen Weg weiterzugehen. Ausschweifend, ohne den Spannungsbogen abfallen zu lassen, lässt er die Geschichte des nordafrikanischen Landes vor dem Auge des Lesers paradieren.
Dieses Buch ist sicher keine Lektüre, um sich mal schnell ein bisschen Wissen über ein Land anzueignen. Der Autor legt Schicht für Schicht der Geschichte frei, um alsbald der Gegenwart die Ehre zu erweisen und der Zukunft den roten Teppich auszurollen. Wer Algerien als Kulturkreis verstehen möchte, kommt an diesem Buch nicht vorbei.